Ein neuer Anfang für die Liebe. Susan Anne Mason
wahrlich gute Tasse Tee habe ich hier bisher noch nicht bekommen“, erwiderte Julia. „Obwohl der von Mrs Chamberlain schon nahe dran war.“
„Das finde ich auch“, erwiderte er. „Hatten Sie eine gute Nacht?“
„O ja. Mrs C war sogar so freundlich, mir ein kleines Mittagessen zu bereiten und mitzugeben. Ich weiß nicht, wie ich ihr jemals dafür danken soll. Oder Ihnen, wenn wir schon dabei sind.“
„Darüber machen Sie sich mal keine Sorgen. Das Geld hat Ihr Onkel mir gegeben, um die Kosten zu begleichen, die ich auf der Suche nach Ihnen haben sollte. Es schien mir daher nur recht, einen Teil davon für die Auszahlung der Schulden bei Ihrem Vermieter zu gebrauchen. Außerdem konnte ich den Gedanken nicht ertragen, dass Sie solch einem Menschen etwas schuldig sind.“
An der nächsten Straßenecke bogen sie ab und Quinn zeigte zu dem Café, das er im Sinn hatte. Als Julia nickte, führte er sie hinein. Es war gut besucht und von Gesprächen erfüllt. Die meisten der kleinen Tischgruppen sowie beinahe alle Barhocker an der Theke waren von heiteren Kunden besetzt. Lächelnd führte die Inhaberin die beiden zu einem kleinen Tisch am Fenster, von wo aus sie Passanten vorbeigehen sahen.
Nachdem die Bedienung ihre Bestellung von Tee und Gebäck aufgenommen hatte, faltete Julia die Hände über dem Schoß zusammen. „Mein Onkel hat Sie also bezahlt, um mich ausfindig zu machen“, sagte sie und die ruhigen Worte beinhalteten eine Spur von Verletzlichkeit. „Deshalb sind Sie nach Kanada gekommen?“
„Nicht ganz“, erwiderte Quinn in neutralem Ton. „Ich bin eigentlich hier, weil ich nach meinen drei Geschwistern suche. Als ich dem Earl vor meiner Reise von meinen Plänen erzählt habe, bat er mich, auch nach Ihnen Ausschau zu halten.“ Bestimmt lehnte Quinn sich vor – Julia musste verstehen, worum es hier ging. „Julia, Ihr Onkel liebt Sie sehr und zudem bereut er es, Ihnen ein Ultimatum gestellt zu haben. Er wünscht sich, dass Sie wieder zurück nach Hause kommen. Das Geld hat er mir nur gegeben, um damit zusätzliche Kosten zu begleichen, die ich eventuell dabei auf mich nehmen muss“, erklärte er. Den großzügigen Vorschuss, den der Earl ihm gewährt hatte, oder die Möglichkeit auf eine Farm brauchte er nicht zu erwähnen. Schließlich beeinflussten sie nicht die Wahrheit seiner Aussage.
„Ich verstehe“, sagte Julia und senkte ihre langen Wimpern. Ihre Wangen hatten eine rosige Farbe angenommen und sie spielte nervös mit der Serviette.
Was sie wohl gerade dachte? Würde sie ihrem Onkel sein barsches Benehmen vergeben und mit nach England kommen? Vielleicht hätte Quinn seine Lordschaft besser um einen Brief gebeten, in dem er Julia selbst um ihre Rückkehr bat. Womöglich wäre sie dann eher dazu geneigt gewesen, seinen Worten zu glauben.
In der anhaltenden Stille nahm Quinn sich einen Moment, um Julia etwas genauer zu betrachten. Wenigstens sah sie heute ein wenig erholter aus und die dunklen Augenringe waren ein bisschen unauffälliger geworden. Sie hatte das Kopftuch abgelegt und ihre blonden Locken, an die Quinn sich noch so gut erinnerte, zu einem strengen Dutt oberhalb des Nackens zusammengebunden.
Nun hob Julia den Blick wieder und legte die Stirn in Falten. „Hatten Sie schon Glück auf der Suche nach Ihren Geschwistern?“
„Noch nicht“, erwiderte er und griff nach dem Wasserglas vor sich. „Das Ganze hat sich als komplizierter herausgestellt, als ich dachte.“
„Wie kommt es, dass sie so weit weg sind von ihrem Zuhause?“
„Das ist eine lange, sehr traurige Geschichte. Eine, mit der ich Sie nicht belästigen möchte“, sagte er und versuchte, ein Lächeln aufzusetzen.
Sie erwiderte es allerdings nicht, ihr Blick blieb ernst.
Quinn war froh, dass in diesem Moment die Bedienung mit zwei metallenen Teekannen und einem Teller Gebäck an ihren Tisch trat. Zuerst goss sich Julia einen Schluck Milch in die Tasse und dann den heißen Tee.
Quinn gab einen Löffel Zucker in seine Tasse und suchte nach einer Möglichkeit, die Unterhaltung wieder zurück nach England zu bringen. Nur wie?
Während Julia einen Schluck trank, beobachtete sie ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg. „Ehrlich gesagt würde ich die Geschichte sehr gern hören, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“
Er zögerte. Eigentlich hatte er ein größeres Interesse daran, zu erfahren, was sie in eine derlei elende Situation geführt hatte. Aber vielleicht gewann er ihr Vertrauen, indem er ihr von sich erzählte.
„Als ich fünfzehn war, ist mein Vater gestorben“, begann er schließlich. „Und da ich der älteste Sohn war, habe ich den Gedanken an die Universität aufgegeben und mir eine Stelle gesucht, um meine Familie zu unterstützen. In der ersten Zeit habe ich viele Gelegenheitsarbeiten angenommen, bis ich das Glück hatte, im Stadthaus Ihres Onkels als Diener angestellt zu werden.“
„Das war noch, bevor ich nach Brentwood kam, nehme ich an“, erwiderte sie und nahm sich einen der Kekse.
„Genau. Als Sie kamen, habe ich bereits über ein Jahr dort gearbeitet und wir sind auf sein Anwesen in Derbyshire gezogen. Etwa zu dieser Zeit hat der Earl mich zu seinem Kammerdiener gemacht, was ich als eine Ehre und ein großes Privileg erachte. Ich bewundere Lord Brentwood, wissen Sie? Er war immer sehr zuvorkommend mir gegenüber.“
Julias Blick blieb auf den Tisch vor ihr gerichtet und sie spielte mit dem Löffel in ihrer Hand. „Ja, auch wenn er manchmal recht hochnäsig sein kann, ist er letztlich ein guter Mann“, stimmte sie ihm zu, wenn auch ein wenig widerwillig. „Ich wünschte nur, er … Ich wünschte nur, wir wären nicht im Streit auseinandergegangen“, sagte sie und sah zu Quinn auf. „Aber zurück zu Ihrer Geschichte. Wo haben Ihre Mutter und Geschwister gelebt, während Sie für meinen Onkel gearbeitet haben?“
„In einer kleinen Wohnung in London. Meine Mutter erledigte Näharbeiten und putzte, doch der größte Teil ihres Geldes kam von mir“, sagte er und holte tief Luft. „Bevor wir nach Brentwood Manor gezogen sind, habe ich sie an meinen freien Tagen immer besucht. Aber dann wurde der Weg zu weit, um nur einen Nachmittag pro Monat dort zu verbringen.“
Mit einem lauten Klirren stellte Julia die Tasse ab. „Nur so selten haben Sie freibekommen?“
Quinn zuckte mit den Schultern. „Es hat mir nichts ausgemacht. Bis auf die Tatsache, dass ich meine Familie nicht sehen konnte. Aber dann begann der Krieg und es kam ohnehin alles anders.“
Julias Gesicht verdunkelte sich. „Haben Sie sich gleich zu Beginn freiwillig gemeldet?“
„So ziemlich, genau wie alle jungen Männer. Und der Earl war so großzügig, meiner Mutter jeden Monat einen kleinen Betrag zu senden, zusätzlich zu dem beschränkten Lohn, den ich als Soldat bekommen habe.“
„Das war nett von ihm“, stimmte sie mit einem Nicken zu. „Ich nehme an, Sie waren bereits an die Front aufgebrochen, als ich Brentwood verlassen habe, um mich nützlich zu machen – ganz zum Groll meines Onkels. Er hat nichts davon gehalten, dass ich mich um die verwundeten Männer gekümmert habe. Es ist ihm niemals in den Sinn gekommen, dass ich mich dadurch endlich gebraucht gefühlt habe.“
„Ja, ich glaube mich zu erinnern. Als ich während eines Heimaturlaubs dort war, hat seine Lordschaft seine Meinung dazu kundgetan“, erwiderte er und biss in eins der Gebäckstücke.
„Ah, ja. Ich nehme an, als sein Kammerdiener haben Sie so manche Beschwerde über mein Verhalten gehört“, sagte Julia und zog dabei die Augenbrauen arrogant in die Höhe, was Quinn sogleich an ihre temperamentvolle Art als Mädchen erinnerte.
„Ein guter Kammerdiener offenbart niemals die privaten Gespräche seines Masters.“
Julia hob wieder ihre Tasse an die Lippen, als wollte sie damit ein Lächeln verbergen. „Ich bin sicher, ohne die Tiraden meines Onkels wäre Ihnen meine Abwesenheit niemals aufgefallen.“
„Ganz im Gegenteil! Ich habe Ihre Abwesenheit durchaus bemerkt.“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, wurde es Quinn ganz heiß zumute. Warum hatte er das nur gesagt?
Julias Brauen hoben sich erstaunt. „Das haben