Die Macht der Meinungsführer: von Celebrities bis zu Influencern. Группа авторов
sowie „privat“ und „öffentlich“ neu austariert werden.
Wir wollen daher im Folgenden betrachten, wie dieser Bedeutungswandel das Erzählformat einer Marke, den Zeitgeist und die Polarisierung mit öffentlich bekannten Persönlichkeiten beeinflusst.
Dieser Wandel in der gesellschaftlich-kulturellen Funktion von Celebrities hin zu einer neuen „Pröffentlichkeit“ schlägt sich grundlegend auf die Wirkung von Prominenten als Testimonials in der Werbung nieder. Wir wollen daher im Folgenden betrachten, wie dieser Bedeutungswandel das Erzählformat einer Marke, den Zeitgeist und die Polarisierung mit öffentlich bekannten Persönlichkeiten beeinflusst.
4. Wandel 1. Das Erzählformat für die Marke muss sich erneuern
Das Erzählformat, also wie eine Geschichte erzählt wird, ist oft wichtiger als die vordergründige Geschichte selbst. Denken wir nur an einen Internetsurfer oder einen TV-Zuschauer. Sie bewerten Werbung nach anderen Kriterien als Marketingverantwortliche, die mit professionellem Blick auf den Inhalt der Werbebotschaft fokussieren. „Normale“ Rezipienten achten dagegen viel stärker darauf, wie sie unterhalten werden. Das heißt, sie bewerten vor allem das Erzählformat.
Ein Beispiel: Bei der Entwicklung einer neuen Kommunikation für ein Waschmittel kommt die Idee auf, eine Hose zu zeigen, die beim Stagediving heftig verdreckt worden ist und nun vom Waschmittel erfolgreich gesäubert wird. Der eingesetzte Rockstar soll den Erfolg glaubwürdig attestieren. Zur Überraschung von Marketingverantwortlichen und Werbern wird das Konzept von den dazu befragten Frauen als langweilig abgelehnt. Die Begründung: Eine dreckige Hose als Aufhänger der Geschichte kommt schon allzu oft vor, unter anderem bei Werbung für Coca-Cola oder o.b. Das Erzählformat an sich ist somit nicht mehr wirklich spannend und aktuell.
Es ist wie bei Liebesfilmen: Die Boy-meets-Girl-Geschichte kennen wir alle. Aber wirklich gute Liebesfilme schaffen es, diese wieder in einem neuen Gewand zu erzählen. In heutiger Zeit werden Erzählformate erwartet, die das Besondere im Normalen inszenieren, wie es in den TV-Shows „Das Supertalent“ oder „Joko und Klaas“ der Fall ist. Vielleicht war auch deshalb der Edeka-Weihnachtsspot „Heimkommen“ so unglaublich erfolgreich: Darin rettet ein alter Mann auf gewitzt-makabere Weise das Weihnachtsfest im Kreise seiner Familie, indem er im Vorfeld seinen abtrünnigen Kindern eine Nachricht von seinem Ableben zukommen lässt. Der Grund: Diese waren jahrelang nicht mehr erschienen und tauchen nun notgedrungen zur vermeintlichen Totenfeier auf – um dort von ihm zur Weihnachtstafel überrascht zu werden.
Abb. 5: Das Besondere im Normalen – nur die Todesanzeige verhilft zum Weihnachtsfest im Kreise der Lieben
Zum Beispiel feiert Friedrich Liechtenstein in einer bislang so nicht gesehenen Weise seinen Einkauf bei Edeka, indem er perfekt das „Besonders-Normale“ inszeniert. Von der Figur her gewiss ein Normalo, entfaltet er dennoch wie in einem Tagtraum eine eigenwillige Fantasiewelt, in der die sinnlichen Qualitäten der Lebensmittel von ihm als ganz besonders erlebt werden, eben „supergeil“. Der Zuschauer erlebt durch ihn, wie sehr er sich selbst als König fühlen könnte – bis hin zum Baden in Milch und Schokoflocken.
Testimonials haben es oft erfolgreich geschafft, Geschichten rund um Produkte und Dienstleistungen neu zu erzählen. Der Grund: In ihnen spiegeln sich in besonderer Form die Sichtweisen bzw. „Verarbeitungsformen“ ihrer Zeit wider.
5. Wandel 2. Es braucht neue Antworten auf Zeitgeist-Fragen
Ob ein Prominenter als Testimonial erfolgreich wirkt, hängt weniger davon ab, wie sympathisch er ist oder welche Ähnlichkeiten er zur Marke aufweist. Entscheidend ist, ob er interessante Antworten auf brennende Fragen des Zeitgeistes geben kann. So wurden Karin Sommer für Jacobs Krönung und Herr Kaiser für die Hamburg-Mannheimer zu modernen Helden, weil sie es schafften, viele unterschiedliche Haltungen in einer Zeit zu vereinen, in der das Ausleben individueller Freiheiten immer wichtiger wurde. Auch die Knorr-Familie vermittelte durch die Zwillinge zwischen eher wertkonservativen Gemeinschaftsvorstellungen und den Individualinteressen innerhalb einer Familie. Und die Klementine zeigte, dass lästiges Waschen nicht im Widerspruch zur persönlichen Hautpflege stehen muss – und das war seinerzeit wirklich neu.
Abb. 6: Friedrich Liechtenstein inszeniert das Normale besonders supergeil
Die Reinform der neuen Individualkultur verkörperten der Marlboro-Cowboy und der Camel-Man. Mit Zigaretten dieser Marken konnte jeder ein wenig zum Rebell avancieren. Und nicht nur die tollen, auch die vermeintlich „dummen“ Seiten der Individualhelden konnten werblich genutzt werden, wie etwa bei Boris Becker in der AOL-Werbung: Wenn selbst Boris es schafft „drin zu sein“, dann wird der Schritt ins Internet schon nicht so schwer sein. Diese Botschaft von AOL kam erfolgreich beim Verbraucher an.
Diese klassischen Heldeninszenierungen haben heute ausgedient. Die gesellschaftlich-kulturelle Entwicklung in Richtung von immer mehr individuellen Freiheiten hat sich im Empfinden vieler Menschen verkehrt und ist zu einer Egokultur mit viel Kälte im Umgang miteinander geworden.
Beim Verbraucher stehen daher weniger Helden im Kurs, die durch individuelles Können aus der Mittelmäßigkeit herausragen als vielmehr Menschen, die der kalten Egokultur die Stirn bieten.
So sind als Werbebotschafter zum Beispiel Unternehmertypen angesagt, die sich nicht für ihre Erfolge feiern, sondern für Werte der Gemeinschaftlichkeit stehen. Zu solchen Werten zählen etwa das Bekenntnis zum Produktionsstandort Deutschland, das Einstehen für wichtig empfundene gesellschaftliche Werte und schlichtweg die gerne eingeräumte Akzeptanz, in Deutschland Steuern zu zahlen. In der Öffentlichkeit stehen Unternehmenslenker wie Claus Hipp, Ernst Prost (Liqui Moly) oder Wolfgang Grupp (Trigema) für diesen Typ des „freundlichen Patriarchen“, der Egointeressen hinter das Wohl der Gemeinschaft zu stellen weiß.
Abb. 7: Helden individueller Freiheit – Herr Kaiser, Klementine, Frau Sommer, Boris Becker und Marlboro-Cowboy
Ein noch viel weitergehendes Testimonial-Format ist mit Friedrich Liechtenstein für Edeka geschaffen worden. Der Starkult wird persifliert, indem er sich der Normalität quasi unterwirft: Obwohl weitgehend unbekannt, verhält sich Liechtenstein in der Edeka-Werbung in vielerlei Hinsicht so egomanisch wie ein Star. Er greift damit die Egokultur auf, in der jeder gerne ein Star sein möchte. Der Egokult wird hier jedoch ironisch eingesetzt, um am Ende schlichtweg die Produkte von Edeka begeistert zu verehren. Der ganz normale (Supermarkt-)Alltag wird „supergeil“ inszeniert. Damit wird das Prinzip der „Pröffentlichkeit“ mit seiner Vermengung von Starrummel und privater Anfassbarkeit ins Werbeformat transformiert.
Abb. 8: Markenbotschafter für mehr Mitmenschlichkeit – Claus Hipp, Ernst Prost und Wolfgang Grupp
Die Liechtenstein-Inszenierungen mögen aus Sicht von eher konservativen Kunden fehlplatziert wirken. Allerdings gab es auch schon früher nicht wenige, die der Klementine und Herrn Kaiser nichts abgewinnen konnten. Schließlich erfüllte Herr Kaiser nicht nur Träume vom eigenen Haus und Auto, sondern stand immer auch für den Spießertyp. Und die Klementine wirkte nicht gerade als Beschleunigerin weiblicher Emanzipation, sondern sagte Mutti klipp und klar, wie sie die Schmutzwäsche wieder porentief rein bekommt. Dennoch sorgten sie für genügend Reibungsfläche in der öffentlichen Diskussion, die zu einer Emotionalisierung und Vertiefung des Strebens nach Individualität führte.
Abb. 9: Kultische Verehrung eines Nobodies als Star, der sich für die Normalität von Edeka begeistert
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