Hexenhammer 2 - Alles Leid währt Ewigkeit. Uwe Voehl

Hexenhammer 2 - Alles Leid währt Ewigkeit - Uwe Voehl


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es wieder derselbe? Der, in dem Ihr Euch selbst als weinendes Kind auf einem Bildnis seht?«

      Ich nickte. Einzig Mathilde hatte ich von dem Traum erzählt. Doch auch ihr hatte ich aus einem mir unerklärlichen Grund verschwiegen, wie er stets endete: mit dem weinenden Jungen, der mir entgegenblickte.

      »Ihn träumte ich zuerst. Doch dann war da noch ein anderer Traum. Darin ritt ich durch einen dunklen Wald und wurde von kleinen schwarzen Teufeln angegriffen. Von allen Seiten sprangen sie herbei und verhöhnten Gott mit ihren widerlichen Fratzen. Sie wurden immer dreister und rissen mir das Wams vom Leibe. Doch da geschah Wunderliches: Ein Aufschrei ging durch ihre Reihen, und ich spürte, wie die kaum verheilten Wunden der letzten heiligen Geißelung sich verwandelten und zum Leben erwachten. Neununddreißig Ebenbilder meiner Selbst erwuchsen daraus und zertraten die Meister der Teufel. Die wenigen Überlebenden ergriffen die Flucht. Da wachte ich auf, voller Glück und Heiterkeit. Was will mir der Traum sagen, Mathilde?«

      »Dass Ihr mächtiger als alle Teufel seid, Herrin?«

      Ich seufzte. »Das wäre Gotteslästerung, denn nur Gott allein ist mächtiger als alles Böse. Doch vielleicht wollte er mir sagen, dass er mir allzeit beisteht, im Kampf gegen das Böse …«

      Meine Unterhaltung mit Mathilde wurde jäh unterbrochen, als es an der Türe klopfte und, ehe ich die Erlaubnis gegeben hatte, ein junger Bursche hereinstürmte. Als er meinen blutigen Rücken sah, senkte er sogleich beschämt den hochroten Kopf.

      Mathilde aber stellte sich zwischen mich und den Burschen, sodass er meiner Blöße nicht länger ansichtig werden konnte.

      »Was fällt dir ein, du Rotzlöffel! Bist du des Teufels, hier so reinzuplatzen?«

      »Ich … ich …«, stammelte der Bursche.

      Während Mathilde ihn weiter ausschimpfte, raffte ich mich auf und zog mir das Unterkleid über die blutenden Wunden. Den Schmerz, den das harte Linnen dabei verursachte, empfand ich als Gottes Fingerzeig, es vielleicht demnächst nicht bei nur dreizehn Schlägen zu belassen, obwohl es, wie seit jeher Brauch, ja eigentlich neununddreißig Schläge sind, ist das Geißelende doch dreifach ausgeführt.

      »Was hast du denn nun da?«, hörte ich Mathilde sagen, während ich noch damit beschäftigt war, mich weiter anzukleiden.

      »Ein Brief! Eine Botschaft für deine Herrin!«

      »Dann gib schon her!«

      »Nein, ich darf ihn nur persönlich überreichen!«

      »Du fängst dir gleich ein paar Maulschellen!«

      »Lass es gut sein, Mathilde.« Ich schritt ein, bevor das Wortgefecht noch in ein körperliches Scharmützel ausartete. Mathilde reichte dem jungen Burschen zwar nur bis zur Brust, aber was ihr an Körpergröße fehlte, machte sie durch Kraft und Mut wett.

      Ich schob mich an ihr vorbei und streckte die Hand aus. Der Junge überreichte mir den Brief und blieb wartend stehen. Wahrscheinlich hoffte er auf ein Trinkgeld, also gab ich Mathilde ein Zeichen.

      Sie griff widerstrebend in ihre Schürze, während ich bereits das Siegel löste.

      Der Bursche schüttelte den Kopf. »Nein, nein, kein Obolus. Ich wurde bereits bezahlt.«

      »Warum stehst du dann noch so dumm herum, Junge?«, zeterte Mathilde.

      »Ich soll warten, bis die Ehrwürdige Herrin mir ihre Antwort übergibt.«

      Das Siegel, das ich erbrochen hatte, war mir nur zu gut bekannt. Insofern klopfte mein Herz ein wenig schneller, als ich den Umschlag öffnete. Das Papier darin war mit großen schwungvollen Lettern bedeckt. Der Großinquisitor Heinrich Institoris verlangte mich zu sprechen. Aus diesem Grund wurde ich aufgefordert, mich unverzüglich im Kloster Dalheim einzufinden.

      Nun klopfte mein Herz noch wilder. Seitdem ich meine Aufgabe erfüllt und Lemgo und die umliegenden Dorfflecken von Hexenmeistern, Hexen und anderen Dämonen befreit hatte, war ich mehr oder weniger ohne klaren Auftrag gewesen. Aus diesem Grund hatte ich sowieso den Großinquisitor aufsuchen wollen, um die Erlaubnis für meine Reise nach Namöd zu erbitten.

      Natürlich würde ich meiner eigentlichen Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich das Hexenwesen in und um Lemgo nicht wieder ausbreitete, dennoch gerecht werden können. Meine Mission im Harz würde sicherlich nur wenige Tage dauern.

      Und was die Dämonen betraf, so hatte ich dazugelernt. Natürlich hatten sie sich längst aus Lemgo verzogen und machten in der Maske biederer Bürger andere Städte unsicher, während die Unschuldigen – hier wie anderswo – weiterhin angeprangert wurden. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Bürger seinen Nachbarn oder Verwandten der Hexerei beschuldigte. Selbst vor den eigenen Eheweibern machten einige Männer nicht halt, denen es meist wohl nur darum ging, sie loszuwerden, um sich eine jüngere nehmen zu können.

      Und dann waren da noch die Wichtigtuer, solche, die sich rühmen wollten, mir Aug in Aug gegenübergestanden zu haben. Denn ob ich es wollte oder nicht: Ich war inzwischen bekannter, als ein fliegender Hund es gewesen wäre. Die »Hexenjägerin«, so wurde ich genannt.

      Was einer der Gründe dafür war, dass ich es in letzter Zeit vermieden hatte, mich auf der Straße blicken zu lassen. Ich mochte es nicht, wie die Leute mich ansahen – mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Angst.

      Niemand hatte die jahrelangen Exzesse und Prozesse vergessen, die unsere Stadt so lange heimgesucht hatten. Dabei hatten die wirklichen Dämonen den Hexenwahn geschürt, um feixend mitanzusehen, wie Hunderte unschuldiger Menschen im Namen der heiligen Inquisition gefoltert und hingerichtet wurden.

      Obschon ich mich um Aufklärung über das wahre dämonische Treiben bemühte, durchschauten die arglosen Menschen das teuflische Spiel kaum.

      »Was ist, Herrin?«, fragte Mathilde neugierig, da meine Blicke noch immer auf dem Brief verweilten.

      »Es sieht so aus, dass wir in Lemgo nicht mehr gebraucht werden«, erklärte ich und hoffte, meine Stimme nicht allzu freudig, sondern dem Anlass entsprechend feierlich klingen zu lassen.

      »Umso besser!«, freute sich mein Mädchen. »Es ist stinklangweilig hier, wenn es nichts Richtiges zu tun gibt für unsereins!« Sie verbesserte sich rasch: »Ich meinte natürlich, für Euch.« Sie verbeugte sich leicht.

      Ich musste schmunzeln, hatte sie doch schon oft erklärt, wie gern sie mit mir gegen die Schwarze Familie zu Felde ziehen würde. Ihre Mutter, so hatte sie mir erzählt, war von einem Vampir gebissen und später gepfählt worden, als Mathilde noch ein Kind gewesen war. Seitdem hasste Mathilde die schwarze Brut wie die Pest. Ich konnte mir keine treuere Dienerin an meiner Seite wünschen.

      Zum Boten sagte ich: »Sag, dass ich noch heute nach Dalheim aufbrechen werde. Wie bist du überhaupt hierhergekommen? Und seit wann bist du unterwegs?«

      Er errötete erneut, haspelte aber dann: »Eine Reiterstafette hat den Brief weitergetragen. Mein Vater sollte der Letzte sein, der ihn Euch übergibt, aber …«

      Er stockte, sodass ich ihn ernst ansah und zum Weitersprechen auffordern musste.

      »Was ist mit deinem Vater, nun sag es schon!«

      »Sein Pferd ist gestürzt, und er hat sich das Genick gebrochen. Die Mutter bat mich, ihren ältesten Sohn, Euch die Botschaft zu überbringen.«

      Er rang mit den Tränen. Offensichtlich wollte er vor mir nicht zugeben, wie sehr ihm der Tod seines Vaters zu schaffen machte.

      »Das tut mir sehr leid, Junge, aber umso dümmer ist es, einen Obolus abzulehnen. Deine Familie kann das Geld brauchen.« Ich wandte mich an Mathilde: »Gib dem Burschen fünf Taler.«

      »Fünf Taler, Herrin?« Ich sah ihr an, dass sie die Summe für zu hoch hielt, aber ich hatte meine Gründe, so großzügig zu sein. Ahnte ich doch, dass hinter dem verhängnisvollen Sturz mehr steckte als nur ein Unfall.

      Während Mathilde sich zum Sekretär begab und den Schlüssel vom Hals nahm, fragte ich den Jungen: »Und wie bist du hierhergelangt?«

      Wieder


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