Acht Gutenacht-Geschichten. Mira Hellmann
unter der Decke hervor. Nichts zu sehen. Keiner steht im Zimmer und kein Monster sitzt auf dem Fenstersims. Sarah atmet erleichtert auf.
Doch als sie gerade wieder die Augen schließen will, reagiert der Bewegungsmelder unter ihrem Fenster. Sarahs Schlafzimmer befindet sich direkt über der Eingangstür der Familie. Geht also nachts jemand an der Haustür vorbei, reagiert der Bewegungsmelder an.
„Das können nur Diebe sein oder Räuber, die uns überfallen wollen“, denkt Sarah aufgeregt. „Was machen wir denn nun, Brummel?“ Sarah kaut panisch an ihren Fingernägeln. „Ich muss Mama wecken“, überlegt sie. „Aber Mama hat doch gesagt, ich soll groß sein.“
Sarah schluckt. „Komm, Brummel, wir schauen nach, wer da ist.“
Sie steht auf und geht mit ihrem Teddy im Arm ganz langsam auf das Fenster zu. Dort angekommen stellt sie sich auf Zehenspitzen und schaut vorsichtig durch die Scheibe nach draußen. Ein Schatten bewegt sich zur Tür. Ein Mann mit schwarzer Kleidung. Sarah beschließt ängstlich, den Mann erst einmal zu beobachten, ehe sie ihre Mutter ruft. Das Mädchen sieht weiterhin vorsichtig aus dem Fenster und erkennt, dass die Gestalt etwas in ihrer Tasche sucht.
„Vielleicht hat der Mann sein Werkzeug vergessen, um die Tür aufzumachen“, wispert Sarah leise ihrem Teddy zu. „Oh, Brummel, du siehst ja gar nichts.“ Behutsam hebt Sarah ihren Teddy auf das Fensterbrett.
Der Unbekannte vor der Tür beginnt, kleine Kreise zu drehen.
„Was ist das für ein komischer Einbrecher?“, denkt sich Sarah und sieht ihm weiter zu.
Jetzt tritt er aus ihrem Sichtfeld. Nur den Schatten kann sie noch sehen. Der Fremde kommt mit einem kleinen Aktenkoffer wieder, stellt ihn vor die Tür, öffnet ihn und kramt darin herum.
Sarah runzelt die Stirn. „Meinst du, dass das sein erster Einbruch ist?“
Der Mann holt etwas Spitzes aus dem schwarzen Koffer und versucht, den Gegenstand in das Türschloss zu stecken. Sarah hält den Atem an. Ein kratzendes Geräusch klingt durch das totenstille Haus.
Das Kratzen endet abrupt. Der Mann schleudert den spitzen Gegenstand in den Koffer, wirft die Hände in die Luft und tritt wütend gegen die Tür.
Sarah nimmt ihren Teddy vom Fensterbrett und drückt ihn fest an sich. „Los, Brummel, wir schauen jetzt von der Treppe aus, wer der Mann da draußen im Regen ist. Und wenn wir das wissen, wecken wir Mama und dann gibt es ein Eis.“
Sarah nickt bestimmt und schleicht aus ihrem Zimmer. Ganz leise tippelt sie über den Gang. Die Treppe, die die erste Etage mit dem Erdgeschoss verbindet, ist eine lange Holzstiege. Vorsichtig, um ihre Mutter nicht zu wecken, geht Sarah die Stufen hinunter. Kurz vor Ende der Treppe bleibt sie stehen und schaut zur gläsernen Tür hinaus. Der Mann hat ihr den Rücken zugewandt. Der Regen tropft auf seinen Anzug und läuft von seinen nassen Haaren hinunter. „Tragen Einbrecher Anzüge?“, fragt sich Sarah und geht lieber wieder zwei Stufen nach oben. „Sicher ist sicher“, sagt sie sich.
Der Mann beginnt, auf und ab zu springen. Er ruft und wirft immer und immer wieder die Hände in die Luft.
Sarah gefriert das Blut in den Adern vor lauter Angst. „Ein Verrückter.“ Als hätte der gruselige Mann das gehört, dreht er sich ganz langsam um. Seine Hände sind zur Faust geballt. Er hebt den Arm und trommelt mit den Fäusten gegen die Tür.
Sarah beginnt zu schreien. „Mama!“
Das eingeschüchterte Mädchen schreit und schreit und schreit. Tränen rollen der Kleinen über die Wangen, als ihre Mutter aus dem Schlafzimmer stürzt. Sie rennt die Treppen hinunter zu ihrer Tochter.
„Sarah, was ist denn passiert?“
Sarah weint nur laut und deutet auf die Tür. Ihre Mutter dreht sich langsam zum Hauseingang um. Dort steht noch immer der Mann und drückt die Nase an die Glastür.
Dumpf hören die beiden eine Stimme von draußen. „Beate, bitte lass mich rein. Ich habe die Schlüssel vergessen.“
Sarahs Mutter lacht laut auf und nimmt Sarah an die Hand. „Komm, da draußen steht dein Papa und will rein.“
Sarah bleibt verunsichert auf der Treppe, während ihre Mutter zur Tür läuft und sie öffnet. Tatsächlich kommt da Sarahs pitschepatschenasser Vater zur Tür hereingetropft.
„Papa!“
„Sarah.“
Sarahs Mutter blickt von ihrer Tochter zu ihrem Mann. „Ich glaube, du hast Sarah einen ziemlichen Schrecken eingejagt.“
Die Kleine beginnt zu weinen. Ihr Vater läuft schnell auf sie zu und nimmt sie in den Arm. „Ach, Liebes, ich habe meine Schlüssel zu Hause vergessen, bevor ich zur Arbeit gefahren bin. Ich wollte nur irgendwie hinein und war ganz verzweifelt. Ich wollte dir keinen Schreck einjagen.“
Sarah hört auf zu weinen und wischt sich die Tränen aus den Augen. „Ich habe gedacht, du wärst ein Einbrecher.“
Die Mutter tritt auf die beiden zu und umarmt sie. „So, ich würde sagen, du gehst dich jetzt warm duschen, jeder bekommt noch eine Tasse heiße Milch und wir übernachten heute alle bei uns im Zimmer. Was sagst du dazu, Sarah?“
Sarah hüpft fröhlich auf und ab. „Ja, aber nur wenn Brummel mitdarf.“
„Aber natürlich darf er das.“
Eine halbe Stunde später liegen alle drei im großen Ehebett der Eltern und strahlen sich an.
„Gute Nacht, Beate. Gute Nacht, Brummel, und gute Nacht, Sarah.“
„Gute Nacht. Aber, Papa, du bist kein guter Einbrecher. Das musst du noch üben. Das sah komisch von oben aus.“
Ihr Vater lacht laut auf und streicht Sarah liebevoll über den Kopf. Sie schmiegt sich glücklich an ihren Papa und schläft zufrieden lächelnd ein.
*
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