Die neue Praxis Dr. Norden 1 – Arztserie. Carmen Lindenau

Die neue Praxis Dr. Norden 1 – Arztserie - Carmen Lindenau


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dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.

      »Du hast es gehört, das war die Aufforderung, mich anzuziehen«, sagte er und setzte Ortrud behutsam auf den Boden, bevor er von dem Ergometer abstieg. »Ist das dein Ernst?«, fragte er überrascht, als Ortrud ihm ins Badezimmer folgte.

      Sie stolzierte zuerst auf dem Badewannenrand entlang und schaute zu, wie er sich über dem Waschbecken vor dem Spiegel rasierte. Als er danach in die Dusche ging, hockte sie sich auf den Wäschekorb und sah zu, wie er das Wasser aufdrehte. Der Dampf des warmen Wassers schien ihr aber zu missfallen, und sie blickte sehnsuchtsvoll auf die geschlossene Badezimmertür.

      »Tut mir leid, du musst warten, bis ich fertig bin«, sagte Danny. Oder auch nicht, dachte er, als die Katze wie ein Pfeil nach vorn schoss und die Türklinke mit den Vorderpfoten herunterdrückte.

      Diese Katze passte zu Ophelia, sie war ebenso selbstbewusst und eigenständig wie das Mädchen. Vielleicht wäre es doch ganz interessant, auch ihre Mutter und ihre Großmutter kennenzulernen, dachte er. Nein, das hat keine Eile, verwarf er den Gedanken gleich wieder und wickelte das Badehandtuch um seine Hüften, das er von dem Handtuchwärmer neben der Dusche genommen hatte.

      Wie an jedem Werktag, wenn Valentina zu ihm kam, zog der Duft nach frischgebrühtem Kaffee durch das Haus, als er die Treppe zum Esszimmer hinunterging. Auch Ortrud war noch da. Sie hatte es sich wieder auf der Fensterbank gemütlich gemacht und ließ sich die Morgensonne auf den Rücken scheinen.

      »Frau Kern und Herr Bergwald glauben, dass sie den Fahrer des Sportwagens gesehen haben, der Frau Kern angefahren hat. Sie haben ihn als großen bulligen Mann mit Kapuzenshirt und Sonnenbrille beschrieben. Könnte das auch der Mann gewesen sein, der Sie beinahe umgefahren hat?«, fragte Danny, als sich Valentina mit einer Tasse Kaffee zu ihm an den Tisch setzte, weil das zu ihrem Morgenritual gehörte.

      »Ich habe den Fahrer nicht richtig sehen können, aber es könnt schon ein großer bulliger Kerl gewesen sein. Ob er ein Kapuzenshirt und eine Sonnenbrille getragen hat, das weiß ich nicht. Er muss dieses Shirt ja auch nicht jeden Tag anhaben.«

      »Was ist mit dem großen bulligen Kerl im Kapuzenshirt?«, wollte Ophelia wissen, die in der geöffneten Tür zum Garten stand und Danny erschrocken ansah.

      »Der Mann könnte derjenige sein, der Frau Kern angefahren hat«, antwortete ihr Valentina. »Und vielleicht ist es auch derselbe Mann, den Frau Weinfeld einen Tag vor dem Unfall im Schritttempo durch die Straße hat fahren sehen. So als würde er nach einem bestimmten Haus suchen«, erzählte sie, was sie von der Nachbarin gehört hatte.

      »Nein, bitte nicht«, flüsterte Ophelia.

      »Was ist mit dir, Madl?«, fragte Valentina, als sie auf die roten Turnschuhe sah, die das Mädchen zu seinen schwarzen Jeans und dem roten T-Shirt trug. Ophelia wippte auf einmal ganz nervös mit dem rechten Fuß und schien es nicht einmal zu bemerken. »Komm zu uns, Schatzl«, forderte Valentina sie mit sanfter Stimme auf. »Setz dich her«, sagte sie und streichelte ihr über das seidige rote Haar, als sie auf dem Stuhl neben ihr Platz nahm.

      »Kennst du diesen Mann?«, fragte Danny besorgt, als das Mädchen, das sonst nichts in Verlegenheit brachte, ihn plötzlich wie ein verängstigtes Kind ansah.

      »Ich denke, es ist Zeit, dass Sie meine Mutter kennenlernen, Doc«, sagte sie.

      »Ophelia, was ist denn los?«, versuchte Danny, sie zum Reden zu bringen.

      »Ich weiß nicht, es ist so …«

      »Ja?« Danny sah sie abwartend an.

      »Meine Mutter wird sich bei Ihnen melden. Ich muss in die Schule.« Ophelia sprang wieder auf, nahm Ortrud auf ihre Arme und stürmte in den Garten hinaus.

      »Was war jetzt das?«, fragte Valentina und sah Danny ratlos an.

      »Keine Ahnung. Wir werden wohl darauf warten müssen, dass ihre Mutter die Sache aufklärt.«

      »Was zur Folge hat, dass Sie sie endlich kennenlernen«, entgegnete Valentina lächelnd.

      »Vermutlich ist es so«, murmelte er missmutig.

      »Nicht alle Psychologen gehen gleich dazu über, ihre Mitmenschen zu analysieren.«

      »Meine bisherigen Erfahrungen sprechen aber dafür, dass sie genau das tun«, entgegnete Danny und nahm ein Brötchen mit Sonnenblumenkernen aus dem Brotkorb.

      *

      Als er eine halbe Stunde später in die Praxis ging, hatte er keine Zeit mehr, über dieses bevorstehende Treffen mit Ophelias Mutter nachzudenken. Die ersten Patienten saßen wie jeden Morgen bereits im Wartezimmer und hofften, dass die Sprechstunde bald anfing.

      Einen Moment mussten sich seine Patienten aber noch gedulden, da er erst in der Klinik seiner Eltern anrufen wollte, um sich nach dem Ergebnis der Untersuchung von Franziska Kern zu erkundigen. Er war froh zu hören, dass es nicht notwendig war, das Knie zu punktieren, da die Schwellung allmählich zurückging. Auch eine Punktierung, so harmlos dieser Vorgang sich anhörte, war mit einem gewissen Risiko verbunden. So sorgfältig ein Arzt auch vorging, es bestand immer die Gefahr, dass Keime ins Knie eindrangen und weitere Komplikationen verursachten. Die konservative Methode, schonen, kühlen und ab und zu das betroffene Bein hochlagern, war auf jeden Fall die bessere Lösung. Nachdem Danny sich bei dem Orthopäden, der Franziska untersucht hatte, für die Auskunft bedankt hatte, bat er Sophia, Frau Kohlmichel, seine erste Patientin an diesem Morgen, hereinzuschicken.

      »Was kann ich für Sie tun, Frau Kohlmichel?«, fragte Danny die zierliche grauhaarige Frau in dem schwarzweiß gepunkteten Kleid, die wenig später auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch saß.

      »Es ist mein Magen, vielleicht wieder eine Gastritis«, sagte Erna Kohlmichel und fasste mit der Hand an ihren Oberbauch.

      »Haben Sie denn in letzter Zeit viel Stress?«, wollte Danny wissen.

      »In der Schule herrscht gerade ein wenig Durcheinander. Sie wissen ja, ich unterrichte Biologie am Gymnasium, und zurzeit sind einige Lehrer krank und der Unterricht muss irgendwie aufgefangen werden. Neulich habe ich sogar Mathematik gegeben, weil die Vertretung unserer Frau Kern krank war. Und weil ich gerade von ihr spreche, dieses dumme Gerede von der Großmutter eines unserer Kinder, dass Frau Kern ungerechte Noten verteilt, das sorgt mittlerweile für große Unruhe.«

      »Mit dieser Großmutter meinen Sie wohl Frau Meier.«

      »Ich sehe, Sie wissen Bescheid«, antwortete Frau Kohlmichel schmunzelnd. »Diese Vorwürfe, die sie gegen Frau Kern erhebt, sind absolut lächerlich, und sie sollte wirklich mit dieser üblen Nachrede aufhören.«

      »Nicht aufregen«, redete Danny Erna Kohlmichel gut zu, als sie sich wieder an den Magen fasste. »Ich sehe mal nach, wie es Ihrem Magen geht, legen Sie sich auf die Liege«, bat er seine Patientin. »Nichts Schlimmes«, sagte er, nachdem er sie untersucht hatte. Bis auf eine leichte Gastritis, die mit Haferschleim und Tee zu heilen war, konnte er nichts feststellen.

      Auch die anderen Patienten, die an diesem Vormittag seine Sprechstunde besuchten, litten nur an mehr oder weniger harmlosen Beschwerden. Jeder Tag ohne dramatische Diagnosen war ein guter Tag für ihn, und er war dankbar, dass er auch während der Nachmittagssprechstunde keine Hiobsbotschaften verkünden musste. Er hatte gerade den letzten Patienten verabschiedet, da rief Olivia Mai an.

      »Wäre es Ihnen möglich, sich mit mir um sieben Uhr im Park von Schloss Nymphenburg zu treffen?«, fragte sie ihn.

      »Warum denn dort?«, wunderte sich Danny.

      »Ich weiß, das erscheint Ihnen jetzt ein bisschen merkwürdig.«

      »Allerdings, wir könnten uns doch auch einfach an der Hecke im Garten treffen.«

      »Das möchte ich Ihnen aber nicht zumuten, bevor Sie nicht gehört haben, was ich Ihnen zu sagen habe.«

      »Gut, dann um sieben im Park. Wo genau?«

      »Am Kanal, dort, wo die Gondeln starten.«

      »Wie erkenne ich Sie? Wir sind uns bisher


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