Einmal kommt das große Glück. Barbara Cartland
Vorzüge. Da sie aus einem armen Pfarrhaus stammt, dürfte sie sich geehrt fühlen, Herrin von Schloß Colwall zu werden.“
„Mit anderen Worten: Sie sind sicher, daß sie sich Ihnen als Gegengabe für Ihren Titel und Ihre Stellung verkauft, während Sie in ihr lediglich die Mutter Ihrer Kinder sehen.“
„Eine Vernunftehe verspricht mehr Aussicht auf Erfolg als eine, die auf klopfende Herzen und heiße Liebesschwüre gebaut ist.“
„So etwas Widernatürliches habe ich noch nie gehört“, rief Sir James aufgebracht. „Hören Sie mir einmal einen Augenblick zu, Ralph.“
„Ich höre.“
„Sie sind ein sehr attraktiver junger Mann. Es dürfte weit und breit kaum eine junge Frau geben, die Ihnen nicht bei der leisesten Ermutigung in die Arme fallen würde. Aber ich habe mir erzählen lassen, daß Sie jeden Annäherungsversuch im Keim ersticken. Dabei hat es doch mit Sicherheit in London Frauen gegeben, deren Gesellschaft Sie sich erfreut haben.“
Mit einem zynischen Lächeln erwiderte der junge Mann: „Viele, aber sie waren weder der Herkunft noch der Erziehung nach geeignet, am Kopfende meiner Tafel zu residieren. Obwohl sie meine Sinne erfreuten, ist es mir niemals schwer gefallen, mich wieder von ihnen zu trennen.“
„Du lieber Himmel, Ralph, auch in Ihnen muß doch ein Herz schlagen.“
„Ein Herz?“ fragte Lord Colwall spöttisch. „Ich kann Ihnen versichern, daß ich mich dieses überflüssigen Organs entledigt und es durch einen Stein ersetzt habe. Natürlich habe ich wie jeder Mann gewisse Bedürfnisse. Gegen weibliche Schmeicheleien und Liebesschwüre bin ich jedoch immun.“
„Und in diesem Zustand wollen Sie den Rest Ihres Lebens verbringen?“ fragte Sir James.
„Warum nicht?“ erwiderte sein Gegenüber. „Die Leute bezeichnen mich als einen harten Mann, und das stimmt. Ich bin hart und rücksichtslos. Und ich gedenke es zu bleiben. Ich will nicht noch einmal von einer berechnenden Frau eingefangen werden, die sich meinen Rang und Namen in den Kopf gesetzt hat.“
„Es dürfte einer Frau nicht schwer fallen, Sie um Ihrer selbst willen zu lieben“, stellte Sir James ruhig fest.
„In dieser Beziehung irren Sie sich. Keine Frau wird mich lieben, weil ich es nicht zulassen werde. Ich genieße ihren Körper, wenn er mir gefällt, aber ich bin weder an ihrem Geist noch ihren Gefühlen, geschweige denn an ihrer Zuneigung interessiert.“
Sir James seufzte tief.
„Sie waren eines der nettesten Kinder, das ich je gekannt habe, und sind zu einem vielversprechenden jungen Mann herangewachsen. Ich würde meine rechte Hand dafür geben, wenn ich die Tragödie ungeschehen machen könnte, die Ihren Charakter verändert hat.“
„Aber sie ist nun einmal geschehen“, sagte Lord Colwall, „und sie hat, wie Sie ganz richtig sagen, meinen Charakter und meine Weltanschauung verändert. Jetzt muß ich mein Leben so leben, wie ich es für richtig halte.“
„Und wie steht es um dieses Mädchen, das Sie zu heiraten gedenken?“
„Ohne Zweifel haben ihre Eltern ihr die Augen für die Vorteile einer solchen Verbindung geöffnet. Ich habe nämlich während der letzten Jahre eine beträchtliche Summe für ihre Erziehung beigesteuert.“
„Sie wollten also eine gebildete Frau?“
„Nicht meinetwegen“, erklärte der junge Mann. „Aber die zukünftige Mutter meiner Kinder muß kultiviert und belesen sein, da sie schließlich ihre erste Lehrerin sein wird.“
Die Männer schwiegen eine Weile.
Dann sagte Sir James: „Es ist sehr schade, daß Sie Ihre eigene Mutter nicht gekannt haben. Sie war sehr schön, sehr gut und sehr einfühlsam. Wenn sie noch am Leben gewesen wäre, hätte Claris Sie vermutlich nicht täuschen können.“
„Sie starb, als ich knapp ein Jahr alt war“, entgegnete Lord Colwall. „Ich kann mich daher nicht an sie erinnern. Um so deutlicher steht mir mein Vater vor Augen. Achtzehn Jahre habe ich unter seiner Strenge und Gleichgültigkeit gelitten.“
„Nach dem Tod Ihrer Mutter ist er nie mehr der gleiche Mensch gewesen“, erklärte Sir James. „Er machte Sie dafür verantwortlich, daß seine Frau sich von ihrem schweren Kindbett nie mehr erholte, was natürlich ungerecht war.“
„Das bestärkt mich nur in meinem Vorsatz, einer besitzergreifenden oder fordernden Liebe um jeden Preis aus dem Weg zu gehen.“
„Vielleicht wird Ihnen das eines Tages nicht gelingen“, sagte Sir James. „Irgendwann im Leben packt es beinahe jeden von uns.“
„Sie leben im Wolkenkuckucksheim“, rief Lord Colwall verächtlich. „Nachdem Sie jetzt die Wahrheit über meine bevorstehende Eheschließung wissen, möchte ich Sie noch einmal fragen, ob Sie als mein Trauzeuge fungieren wollen.“
„Ich tue Ihnen jeden Gefallen, mein Junge“, antwortete sein Gönner. „Deshalb bin ich aber nicht weniger besorgt um Ihre Zukunft.“
„Überlassen Sie das mir“, sagte der junge Mann. „Die Trauung wird am frühen Nachmittag stattfinden. Um fünf Uhr werden wir uns zu einem Hochzeitsfest nach mittelalterlichem Brauch versammeln.“
Sir James gab seiner Verwunderung Ausdruck.
„Ich hatte einige Schwierigkeiten, in unseren Archiven das Vorbild für die Hochzeit zu finden, die im Schloß gefeiert wurde. Üblicherweise findet der Empfang im Haus der Braut statt. Aber im Jahre 1496 heiratete Randolph, der älteste Sohn von Sir Hereward Colwall, im Schloß eine Frau, die aus Northumberland stammte. Das scheint mir ein gutes Vorzeichen, da meine Braut aus Cumberland kommt.“
„Waren sie glücklich?“ fragte Sir James.
„Da sie elf Kinder hatten, ist ihnen wohl nichts anderes übrig geblieben“, erwiderte Lord Colwall spöttisch.
„Dann kann ich nur Ihretwegen hoffen, daß sich die Geschichte wiederholt“, meinte Sir James ohne Überzeugung.
Die Kutsche fuhr auf der Landstraße schneller dahin, als es während der letzten Tage möglich gewesen war. Reverend Adolphus Graystoke hatte die lange Reise ermüdend gefunden, während seine Tochter noch heiterer und hochgestimmter war als zu Beginn der Fahrt. Es gab unterwegs nichts, was Natalias Interesse nicht erregte. Selbst die anfangs schlechten, regennassen Straßen hatten sie nicht entmutigt.
Das war nicht zuletzt Lord Colwalls gut gefederter Kutsche zu verdanken. Als sie vor dem Pfarrhaus hielt, hatten die vier stolzen Rosse die Bewunderung des ganzen Dorfes erregt. Selbst der Vikar war von dem Luxus überwältigt, in dem sie reisten. An jeder Poststation wurden sie von frischen Pferden seiner Lordschaft erwartet. Es wurde immer wieder ein Halt eingelegt, um die Reise zu erleichtern. Ein zweiter Wagen mit Dienerschaft und Gepäck fuhr voraus, so daß bei ihrem Eintreffen alles vorbereitet war.
Bei ihrem ersten Aufenthalt führte sie ein katzbuckelnder Wirt zunächst in einen privaten Salon. Oben im Schlafzimmer stellte Natalia fest, daß eine Zofe bereits einen ihrer Koffer ausgepackt hatte und ein Kammerdiener sich um das Wohl ihres Vaters kümmerte.
Das Mädchen bewunderte eine Vase mit frischen Blumen. Davor auf dem Tisch lehnte eine Visitenkarte Lord Colwalls. Diese Aufmerksamkeit erwartete sie, wo immer sie übernachteten. Sie konnte sich beim Anblick der Blumen des Gefühls nicht erwehren, daß sie ihr etwas Besonderes zu sagen hatten. Die Visitenkarten sammelte sie sorgfältig in ihrer Tasche.
Lord Colwall hatte nicht nur seine Kutsche, Pferde und Diener nach Pooley Bridge gesandt. Eine Woche vor Natalias Abreise traf eine Truhe ein, die neue Kleider und einen mit Hermelin gefütterten Mantel enthielt. Natalia war von diesem herrlichen Geschenk so überwältigt, daß sie den merkwürdigen Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Mutter nicht bemerkte.
Natalias Garderobe, die von einer Schneiderin in der Bond Street angefertigt worden war, sollte das Mädchen im Schloß vorfinden. Lord Colwall hatte an Lady Margaret folgendes geschrieben: