Der Douglas. Max Geißler

Der Douglas - Max Geißler


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Eueren Lippen empfangen, edle Jungfrau. Aber –“

      „Nun – aber?“

      „Es ist eine wilde Zeit, und die Edlen von Malcolm haben Feinde; denn sie sind mächtig und reich!“ sagte er bedächtig. Er sprach nicht offen.

      „Was wollt Ihr damit sagen, Herr Marschalk?“ drang Harriet in den Kriegsmann.

      „Der Vogel Kuckuck schmuggelt sein Ei in ein fremdes Nest. Und der Jungvogel vergilt dann die Pflegschaft, indem er die Brut verdirbt.“

      „Ihr sprecht in Rätseln. Wollt Ihr nicht deutlicher sein?“

      Der Marschalk antwortete ganz langsam: „Wenn der unbekannte Ritter nun ein Feind wäre ...“

      „Haha, fürchtet Ihr einen Sterbenden, tapferer Marschalk?“

      Glenalvon hatte etwas Lauriges in seinen Augen. Er sah aus den Winkeln dieser Augen auf die Tochter seines Herrn. Fast schien es, als wäre sein Antlitz in diesem Augenblicke noch hässlicher als sonst. Seine Worte klangen verärgert:

      „Ihr höhnt mich, edle Jungfrau! Glaubt Euer Herz wirklich, was Euer Mund redet? Man sagt nicht umsonst, dass Marschalk Glenalvon der klügste Mann in Lord Malcolms Reiche sei ...“ sprach er selbstbewusst.

      „Und der eigensüchtigste!“ fiel ihm Harriet in die Rede.

      Glenalvon zuckte zusammen. Aber die Jungfrau gewahrte das nicht; denn ihre Blicke weilten bei dem Wagen.

      Die Knechte hoben den verwundeten Mann unter der grauen Blache hervor und trugen ihn in die Burg. Harriet aber sagte:

      „Oh, wenn er einst wieder stark und kühn gegen den fremden Feind anreiten könnte! Ja, gegen den fremden, gegen jenen, bessen Art und Sprache und Sitten uns fremd sind. Der überfällt uns, der trachtet uns zu vernichten, der möchte in unserem Lande und in unseren Schlössern sich’s wohl sein lassen! Solchen Krieg veracht’ ich nicht, wenn ich ihn gleich fürchte. Aber die ewige Fehde ist hassenswert, die Geschlecht gegen Geschlecht zu führen hat. Auch wir mit unseren Nachbarn! Seht, Herr Marschalk – nur die Breite eines Flusses trennt die schwesterlichen Königreiche. Auf jeder Seite wohnt ein Volk – eins ist dem andern ähnlich, wie Zwillinge sich ähnlich sind. Beide sind Krieger. Aber sie wollen ihre verwandten Waffen nicht zu ewigem Frieden vereinigen. Wenn kein fremdes Heerhorn schallt und sie in das gemeinsame Lager ruft und vor den gemeinsamen Feind, so ist ihnen die Fehde in den friedlichen Gründen unserer Wälder Bedürfnis. Sie ziehen in den Morgen des Kampftages wie zu einem Sommerspiele ...“ Jungfrau Harriet sprach langsam und mit zitternder Stimme ... „und wenn der Abend kommt, der für eins der Heere den Sieg bedeutet, dann liegt die Blüte der Männer kalt wie Wintererde.“

      Mit einem Seufzer wandte sich das schöne Kind des Ritters und liess den kriegerisch gesinnten Marschalk stehen. Der vernahm mit lebhaftem Unwillen aus ihren Worten, dass sie auch ihn selber fürchte wie die blutige Fehde der wilden Zeit. Hatte die Jungfrau vielleicht gar eine Ahnung davon, dass der Marschalk den Wandel der Gesinnung hasste, den er an dem heranwachsenden Geschlechte wahrnahm?

      Freilich: seine Hand ruhte am liebsten am Schwertknaufe. Nur im Kampfe konnte sein ehrgeiziges Herz sich genug tun. Den Frieden schalt er eine „träge Zeit“. Und am liebsten hätte er das glimmende Feuer des Hasses zwischen den Malcolm und den Douglas zum lodernden Brande geschürt.

      Wenn die Feindschaft der Väter in den Nachfahren heimlich zur Versöhnung sich wandelte, so wäre die Zeit nicht fern gewesen, in der die Jugend der beiden Rittergeschlechter vor den Toren ihrer Burgen in fröhlichem Spiele die Speere gebrochen hätten. Und wenn die ritterlichen schwarzen Douglas erst in klingender Sommerfahrt über das Waldwasser herüberschritten und auf Malcolm als Freunde Einkehr hielten, dann –

      Der Marschalk stampfte bei diesem Gedanken mit dem Fusse und biss sich die Lippe.

      Er hoffte in der Tat heimlich: die Güte und Dankbarkeit des alten Malcolm werde die zarte Hand seiner Tochter noch einmal in die seine legen. Wenn es aber geschah, dass die Blüte der Ritterschaft um Schön-Harriet warb, dann waren die Aussichten für den ehrgeizigen Dienstmann sehr schlecht. Was vermochte dann seine weitgerühmte Klugheit, was vermochte seine Tapferkeit gegen Jugend und edles Blut und ritterliche Schönheit des Leibes?

      Mit tückischen Gedanken sah Glenalvon der Jungfrau nach. Ihr goldenes Haar war wie der Sonnenschein, der im Frühling an dem alten Burggemäuer lehnte.

      Harriet hatte an diesem Morgen ein Band von Perlen durch dies goldene Haar gezogen. Da war sie noch viel schöner geworden. Sie trug ein seegrünes Überkleid über dem dunkelroten Untergewande. Das war in der Mitte von einem köstlichen Gürtel gehalten. Den hatte einer ihrer Väter von der Fahrt zum heiligen Grabe heimgebracht. Die gestickten Sandalen ihrer Füsse schwebten leicht über die Fliesen des Burghofs. Ihr geschmeidiger Gang war von edler Anmut.

      Vielleicht wäre der Marschalk hinter ihr dreingeschritten, um noch mit ihr reden zu können. Aber viel gaffendes Volk war Zeuge ihres Zwiegesprächs gewesen. Drum wandte er sich und gab den Knechten mit rauhen Worten seine Befehle.

      Die Erbfeinde

      Es wohnte auch ein alter Priester namens Melvil auf Burg Malcolm. Der war beflissen, Edlen und Dienenden das Evangelium zu predigen.

      Aber so ernst er es mit seiner Aufgabe nahm – die Leute der Burg und die der umliegenden Höfe drängte es nur selten zu ihm. Der alte Mann war allen ein guter Freund. Aber in den Gärten der Seelen liessen die Tage des Kampfes und der Wildheit vielerlei Unkraut wuchern – wie im schottischen Bergwald. Deshalb war die Sehnsucht nach himmlischen Gütern nicht allzu lebendig.

      So geschah es, dass den Männern der alte Priester lieber war, wenn er sich das Rüstzeug auf die gebeugten Schultern legte und zu Pferde sass wie sie.

      Er ritt mit ihnen in der Nachhut auch zum Kampfe gegen die Dänen. In jungen Jahren hatte er nämlich des Studiums der Heilkunde sich beflissen. Die übte er nun mit besserem Erfolge als die Seelsorge. Die Tonsur unter der Lederkappe oder dem eisernen Helme war ihm schon längst überwachsen.

      Seit dem Einritte der heimkehrenden Krieger in den Burghof waren neun Tage verflossen. Der greise Arzt hatte in dieser Zeit die Glieder des siechen Mannes reichlich mit Wein und köstlichen Ölen gerieben und mit dem klaren Quell des Bergwalds gewaschen. Der Kranke hatte fast ununterbrochen in tiefem Schlafe gelegen. Das deutete der Greis als ein gutes Zeichen fortschreitender Genesung.

      Als das erste Morgenlicht des zehnten Tages durch die Scheiben fiel, trat der Arzt wie gewöhnlich an das Lager seines Kranken. Da blickte er in ein paar wache, klare Augen; und der junge Ritter fragte ihn mit leiser Stimme: „Wer seid Ihr? Und wie bin ich hierhergekommen? Ich sehe, ich bin im Hause eines Edlen und bin doch gestern vor den Kliffen im Kampfe gegen die Dänen gewesen?“

      Der Priester erfasste seine Hand: „Ihr seid auf Burg Malcolm, Sir. Und es ist schon lange her, dass Ihr im Schwertkampf standet.“

      Als der Name ‚Malcolm‘ genannt wurde, schloss der Kranke die Augen wie in tiefem Schmerze und wandte sich ab. „Ein Douglas auf Malcolm!“ stöhnte er.

      Der alte Arzt aber erschrak. Er verliess lautlos das Krankenzimmer. Dann liess er John Malcolm zu sich in den Waffensaal rufen und berichtete ihm, was er soeben aus dem Munde des Fremden vernommen hatte.

      Der junge Malcolm stützte den Arm auf den Rand des Kamins und starrte den Arzt an. „Ein Douglas auf Malcolm!“ wiederholte er, und seine Augen verrieten seine Ratlosigkeit. Er sprach zu sich selbst: „Ja, das Gerücht hat sich wohl vordem einmal durch die Wälder gefunden, dass einer jener Douglas aus der Art geschlagen sei. Sie alle sind schwarz und finsteren Blicks. Aber in den Augen dieses einen soll die Bläue des Himmels sein, und seine Haare sollen leuchten wie Gold. – Meint Ihr nicht,“ wandte sich der junge Ritter an den Arzt, „dass Euer Kranker vielleicht irre geredet habe? Oder kann es nicht sein, Ihr habt Euch verhört und seine leisen Worte falsch gedeutet?“

      Der Arzt antwortete: „Sir, er liegt nicht mehr im Fieber. Sein Geist ist klar, und er ist ein Genesender, der ohne Schaden noch in dieser Stunde von hinnen gebracht werden kann.


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