Tarzan – Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten. Edgar Rice Burroughs
sträubten, nur weil sich Taug nahe zu Teeka hockte?
Allerdings war Taug nicht mehr der lustige Affe von gestern. Wenn seine Backenmuskeln die riesigen Fangzähne bloßlegten, konnte man nicht länger annehmen, Taug sei in der spielfrohen Stimmung wie damals, als er sich mit Tarzan im Scheinkampf über den Rasen kollerte. Der Taug von heute war ein ungeheurer, mürrischer Affenbulle, ein finsterer Geselle. Doch hatte er sich mit Tarzan noch nie gezankt.
Einige Minuten sah der junge Affenmensch zu, wie sich Taug enger an Teeka presste. Aber als seine große Pfote mit rauer Zärtlichkeit die schlanke Schulter des Weibchens streichelte, schlüpfte Affentarzan wie eine Katze auf den Boden und näherte sich den beiden.
Er fletschte die Fangzähne unter der zum Knurren hochgezogenen Oberlippe und rollte ein tiefes Brummen aus seiner breiten Brust. Taug sah auf und blinzelte mit seinen blutunterlaufenen Augen. Teeka erhob sich halb und schielte nach Tarzan. Ahnte sie den Grund der Störung? Wer kann das sagen. Aber sie war ein Weibchen, deshalb langte sie hinauf und kratzte Taug hinter einem seiner kleinen, platten Ohren.
Als Tarzan das sah, war Teeka für ihn nicht länger die kleine Spielgefährtin von vor einer Stunde. Jetzt war sie ein Wundergeschöpf – das wunderbarste der Welt – um dessen Besitz Tarzan mit Taug und jedem anderen, der sein Eigentumsrecht zu bestreiten wagte, bis auf den Tod kämpfen würde. Affentarzan schob sich gebückt, eine Schulter voran, dem jungen Bullen näher und näher. Das Gesicht hielt er etwas abgewendet, aber seine scharfen grauen Augen blickten starr in die Taugs. Je näher er kam, desto lauter und tiefer wurde sein Knurren. Taug richtete sich auf seinen kurzen Beinen auf und sträubte die Haare. Er fletschte die Reißzähne, schob sich steifbeinig auch mit der Seite voran und knurrte.
Teeka gehört Tarzan, sagte der Affenmensch in den tiefen Kehltönen der großen Menschenaffen.
Teeka gehört Taug, erwiderte der Affenbulle.
Teeka, Numgo, Gunto, die das Knurren der zwei jungen Bullen störte, sahen halb gleichgültig, halb gespannt zu. In Taugs kleinem Gehirn saß ein mächtiger Respekt vor dem blanken Stückchen scharfen Metalls, das der Affenknabe so gut zu gebrauchen verstand. Tublat, seinen trotzigen Pflegevater, und den Gorilla Volgani hatte er damit getötet. Taug wusste um diese Tatsachen, deshalb ging er in einer Spirale auf Tarzan los, um einen günstigen Anfang abzuwarten. Der andere, vorsichtig im Hinblick auf sein geringeres Gewicht und die Schwäche seiner natürlichen Waffen, verfolgte eine ähnliche Taktik.
Eine Zeit lang sah es aus, als ob diese Auseinandersetzung wie die Mehrzahl solcher Streitigkeiten zwischen den Angehörigen der Horde verlaufen würde, nämlich so, dass einer der Beteiligten zum Schlusse das Interesse verlor und anscheinend mit einer anderen Angelegenheit beschäftigt abzog. Bei einem anderen »casus belli«1 wäre das sicher der Fall gewesen. Aber Teeka fühlte sich durch die Aufmerksamkeit, die sie erregt hatte, und durch den Umstand, dass zwei Bullen um sie kämpfen wollten, geschmeichelt. So etwas war bisher in Teekas kurzem Leben noch nicht vorgekommen. Sie hatte mitangesehen, wie andere Bullen um andere und ältere Weibchen kämpften und tief in ihrem kleinen Tierherz hatte sie den Tag ersehnt, an dem sich um ihretwillen die Dschungelgräser im Kampf auf Leben und Tod röten würden.
Darum hockte sie sich jetzt breit auf ihre Schenkel und beschimpfte unparteiisch ihre beiden Anbeter gleichmäßig. Sie spottete über deren Feigheit, nannte sie mit verächtlichen Namen wie Histah, die Schlange, und Dango, die Hyäne. Sie drohte, sie werde Mumga rufen, sie solle die beiden mit dem Stock züchtigen – Mumga, die so alt war, dass sie nicht einmal mehr klettern konnte und so zahnlos, dass sie sich mit ihrem Futter bereits auf Bananen und Raupen beschränken musste! Die Affen ringsum hörten es und lachten. Taug war wütend. Er machte einen plötzlichen Sprung auf Tarzan zu, aber der junge Affenmensch hüpfte flink zur Seite, ließ ihn vorbei, drehte sich so schnell wie eine Katze und kam ihm in den Rücken. Im Anspringen hob er das Jagdmesser über den Kopf und hieb gefährlich nach Taugs Genick. Der Affe drehte sich, um der Waffe zu entgehen, sodass ihn die scharfe Klinge nur an der Schulter streifte.
Das fließende rote Blut rief einen schrillen Schrei des Entzückens auf Teekas Lippen. Ha! das war doch einmal etwas wert! Sie sah sich um, ob die anderen auch diesen Beweis ihrer Beliebtheit bemerkt hatten. Helena von Troja war kein bisschen stolzer als Teeka in diesem Augenblick.
Wäre Teeka nicht so sehr mit der Befriedigung ihrer Eitelkeit befasst gewesen, dann hätte sie wohl das Rascheln der Blätter im Baume über sich bemerken müssen – der Wind konnte dieses Rascheln nicht verursacht haben, denn es wehte kein Wind. Und hätte sie aufgeblickt, dann hätte sie gesehen, dass ein geschmeidiger Körper gerade über ihr kauerte und dass ein Paar boshafte, gelbe Augen hungrig auf sie herunterblickten. Aber Teeka sah nicht auf.
Der verwundete Taug ging mit fürchterlichem Knurren etwas zurück. Tarzan folgte ihm, beschimpfte ihn und schwang drohend sein Messer. Teeka kam unter dem Baume hervor, um den zwei Duellanten möglichst nahe zu bleiben.
Der Zweig über Teeka schwankte und bog sich etwas, als sich der lauernde Körper darauf streckte. Taug hatte jetzt halt gemacht und bereitete sich für eine neue Runde vor, während ihm der Schaum auf den Lippen stand. Zu einem neuen Angriff bereit, senkte er den Kopf. Dann streckte er die Arme aus. Wenn er erst seine mächtigen Hände auf die weiche, braune Haut legen konnte, dann war der Sieg sein. Taug betrachtete Tarzans Kampfweise als unschön. Jener wollte sich nicht auf ein Handgemenge einlassen und schlüpfte immer gewandt gerade unter Taugs muskulösen Fingern weg.
Da der junge Affenmensch seine Kräfte bisher noch nicht ernstlich, anders als im Spiele, mit einem Affenbullen gemessen hatte, war er nicht recht sicher, ob es geraten sei, seine Muskeln in einem Ringen um Leben und Tod auf die Probe zu stellen. Nicht als ob er Furcht gehabt hätte; Tarzan kannte keine Furcht. Aber der Selbsterhaltungstrieb warnte ihn. Er setzte nur etwas aufs Spiel, wenn es nötig war; dann schreckte er aber auch vor nichts zurück.
Seine eigene Kampfesweise entsprach am besten seiner Gestalt und Bewaffnung. So stark und scharf seine Zähne waren, als Angriffswaffen waren sie im Vergleich mit den mächtigen Fängen der Menschenaffen armselig. Aber so im Herumtanzen, gerade außer dem Bereich des Gegners konnte Tarzan mit seinem langen, scharfen Jagdmesser unbegrenztes Unheil zufügen und gleichzeitig den vielen, gefährlichen und schmerzhaften Wunden entgehen, die ihm sicher gewesen wären, wenn ihn der Affenbulle in die Finger bekommen hätte.
Wieder