Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman - Toni Waidacher


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blickte den Tischlergesellen bedauernd an.

      »Tut mir leid, Thomas«, setzte er hinzu, »aber jetzt muß ich gegen deinen Vater ermitteln.«

      *

      Obwohl es wie immer ein Augen- und Gaumenschmaus war, was die Haushälterin auf den Tisch gebracht hatte, war Thomas Gruber der Appetit vergangen. Er stocherte eher geistesabwesend mit der Gabel auf seinem Teller herum und zerteilte das Fischfilet in kleine Stücke, ohne sie in den Mund zu stecken.

      »Ich vermute, du konntest den Vinzent net von der Anzeige abbringen«, sagte Sebastian.

      Max schüttelte den Kopf.

      »Ich hab’s versucht«, erwiderte er. »Aber Vinzent hat solch eine Wut im Bauch, daß er net einsehen wollte, wozu das gut sein soll.«

      Der Bergpfarrer schaute auf Thomas.

      »Vielleicht haben wir heut’ nacht Glück«, meinte er. »Wenn wir deinen Vater von weiteren Anschlägen abhalten können, und er sich bereit erklärt, den Schaden zu ersetzen, können wir den Bauern vielleicht noch umstimmen.«

      »Dann würd’ ich die Anzeige jedenfalls unter den Tisch fallen lassen«, fügte Max hinzu.

      Er wandte sich seinem Bruder zu.

      »Was hast’ denn vor?« erkundigte er sich.

      Sebastian erklärte es ihm, und der Polizist nickte.

      »Claudia wird freilich net begeistert sein«, meinte er, »aber ich bin dabei.«

      Sie besprachen die Einzelheiten, dann mußte Max seinen Dienst wieder aufnehmen.

      »Schau’ dich doch ein bissel im Dorf um«, schlug Sebastian Thomas vor. »Nachher solltest’ dich dann noch ein bissel schlafen legen. Es könnt’ unter Umständen eine lange Nacht werden.«

      Der junge Bursche nickte.

      »Da könnten Sie recht haben«, antwortete er.

      Thomas ging den Kiesweg hinunter. Dabei dachte er an das, was sein Vater angerichtet hatte. Er wagte gar nicht, sich auszumalen, zu was er noch fähig sein mochte. Es kam ihm in den Sinn, wie wenig er ihn eigentlich kannte. Schon oft hatte der Vater zu Hause davon erzählt, daß er sich eines Tages aufmachen würde, um den Mann zu finden, der Großvater ins Unglück gestürzt hatte, doch so richtig ernst genommen hatten ihn weder der Sohn, noch seine Ehefrau. Erst als Franz Gruber ganz plötzlich verkündete, daß er losfahren werde, erkannten Thomas und seine Mutter, daß der Ehemann und Vater in all den Jahren diesen Gedanken gehabt haben mußte.

      Der junge Norddeutsche spazierte durch den Ort und schaute sich ausgiebig um. St. Johann war ein schönes Dorf, es gefiel ihm ausgezeichnet, und wieder stellte er sich vor, wie es wohl gekommen wäre, hätte sein Großvater die Heimat nicht verlassen, und er, Thomas, wäre hier geboren worden und aufgewachsen.

      Nach seinem Spaziergang betrat er den Garten des Hotels, an dem er vorher schon vorbeigekommen war. Thomas staunte über die vielen Gäste, die hier bei Kaffee und Kuchen oder kalten Getränken saßen. Wie es aussah, schien es keinen freien Platz mehr zu geben. Er wollte sich schon wieder umdrehen und gehen, als sein Blick auf einen Tisch fiel, an dem zwei junge Frauen saßen.

      Großvater hatte immer erzählt, daß die Menschen in Bayern gastfreundlich seien und in der Regel nichts dagegen hatten, wenn man sich in einem Lokal zu ihnen an den Tisch setzte. Ganz im Gegensatz zu den sturen Niedersachen, hatte Josef Gruber immer behauptet, die eifersüchtig über ihr Revier wachten, als sei der Tisch ihr ureigenster Besitz.

      Warum nicht, dachte Thomas, fragen kostet ja nichts.

      Er ging zu dem Tisch hinüber und lächelte freundlich.

      »Hallo«, sagte er. »Ist hier noch was frei?«

      Die Madln sahen ihn an.

      »Klar«, nickte Franzi Hirschler.

      Und Carola setzte hinzu: »Such’ dir den schönsten Stuhl aus.«

      »Danke schön«, lachte er. »Ich bin übrigens Thomas.«

      Die beiden nannten ihre Namen.

      »Machst’ Urlaub hier?« erkundigte sich Carola.

      Thomas überlegte kurz. Am besten würde es wohl sein, wenn er ihre Annahme einfach bestätigte.

      »Kann man so sagen«, antwortete er schließlich und bestellte ein Alsterwasser, als die Bedienung an den Tisch trat.

      »Alster-Wasser? Was soll denn das sein?« fragte die Frau.

      Thomas blickte sie verwundert an.

      »Kennen Sie das nicht? Das ist eine Mischung aus Bier und Limonade«, antwortete er.

      Die beiden Madln lachten.

      »Bei uns heißt das Radler«, klärte Franzi ihn auf.

      »Ach so«, meinte er verwirrt. »Dann also ein Radler.«

      »Ein kleines oder eine Maß?« wollte die Bedienung wissen.

      Rechtzeitig fiel ihm ein, daß sein Großvater ihm einmal erklärt hatte, was eine Maß war – vom Radler hatte er indes nie gesprochen…

      »Nein, nein, ein kleines Glas nur, bitte«, sagte er und sah seine Tischnachbarinnen an. »Ich habe gar nicht gewußt, daß man hier nicht verstanden wird, wenn man Deutsch spricht.«

      Sie lachten, und Franzi bemerkte, daß ihr Herzklopfen noch immer nicht weniger geworden war.

      Er schaute aber auch fesch aus, dieser Bursche!

      Sie konnte gar nicht den Blick von ihm wenden, und Carola schien es zu bemerken, denn unter dem Tisch stieß sie die Freundin an und zwinkerte ihr dann zu, als Franzi sie ansah.

      »Ihr seid aber keine Urlauberinnen, oder?« erkundigte er sich.

      Sie schüttelten die Köpfe.

      »Waschechte Wachnertalerinnen«, antwortete Franzi. »Allerdings gönnen wir uns hier einen kleinen ›Urlaub‹, vom Pauken.«

      »Abiturstreß?«

      Wieder ein Kopfnicken. Und dann unterhielten sie sich über alles Mögliche. Franzi war dabei so von Thomas fasziniert, daß sie für eine Weile ihre Sorgen um den Großvater und Franz Gruber vergaß. Sie hätte noch Stunden hier sitzen und sich mit dem Burschen unterhalten können, aber dann mahnte die Freundin zum Aufbruch.

      »Wir müssen los, Franzi, wenn wir noch was schaffen wollen«, sagte Carola.

      »Schad’«, meinte die Bauerntochter, »immer wenn’s am schönsten ist!«

      Thomas lächelte.

      »Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder…«

      »Ja, vielleicht«, nickte sie und warf ihm einen Blick zu, der Bände sprach.

      Er blickte ihnen versonnen hinterher, wobei es aber eher Franzi war, auf der seine Augen ruhten.

      Wenn ich unter anderen Umständen hier wäre, dachte Thomas Gruber, dann wüßte ich schon, was ich machen würde.

      Aber leider war es kein Urlaub, der ihn nach St. Johann geführt hatte, und im Moment sah es nach allem anderen aus, als daß er Franzi wiedersehen würde. Trotz ihres verheißungsvollen Blickes.

      *

      Als die Bauerntochter am frühen Abend nach Hause kam, fiel ihr sofort die frisch gestrichene Hauswand auf. Trotz Carolas Einladung, hatte sie sich entschieden, heimzufahren, und als Franzi jetzt aus ihrem kleinen Auto stieg, ahnte sie, daß etwas geschehen war.

      »Was ist denn mit der Wand passiert?« fragte sie ihre Mutter.

      Klara Hirschler wich ihrem Blick aus.

      »Der Vater meinte, sie bräuchte einen neuen Anstrich«, erwiderte sie kurz.

      »Und was ist das hier?« ließ Franzi nicht locker und deutete auf den rötlichen Untergrund. »Das war doch vorher


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