Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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      »Frauen sind unberechenbar, wenn sie wütend sind«, raunte er ihm zu.

      Oskar Roeckl nickte vehement.

      »Da hast du allerdings recht.« Er seufzte tief. »Vielleicht ist es ganz gut, dass sie meine Einladung nicht angenommen hat. Obwohl … Schade ist es schon.« Oskar hob die Hand zum Gruß. »Entschuldige die Störung. Schönen Tag noch.«

      »Dir auch, Oskar. Und lass dir nur nichts von Lenni gefallen«, rief Daniel ihm nach.

      Leise fiel die Tür hinter Oskar ins Schloss. Ein Lächeln spielte um Dr. Nordens Lippen, als er sich wieder über seine Akten beugte. Oskars Besuch hatte ihn wenigstens kurz auf andere Gedanken gebracht, und voll neuer Energie machte er sich wieder an die Arbeit.

      *

      Dr. Felicitas Norden ließ die Spitze einer Nadel über Severins Unterschenkel gleiten.

      »Und?« Ihr erwartungsvoller Blick ruhte auf dem Jungen. Die Eltern standen daneben und hielten die Luft an. »Spürst du etwas?«

      Sevi schüttelte den Kopf.

      »Nein.«

      Fee unterdrückte ein Seufzen.

      »Versuch bitte, die Zehen zu bewegen.«

      In diesem Moment verlor Frauke die Fassung.

      »Warum wollen Sie nicht einsehen, dass da nichts ist?«, rief sie aufgebracht. »Mein Sohn hat kein Gefühl in den Beinen. Das hat die Schwester vorhin doch auch schon festgestellt. Was hat dieser Dr. Lammers mit Sevi gemacht?«

      Beschwörend legte Thorsten den Arm um seine Frau.

      »Ganz ruhig. Davon wird es auch nicht besser«, redete er auf sie ein. Und zu Fee gewandt, fragte er: »Warum spürt Severin seine Beine nicht?«

      »Postoperativ können neurologische Ausfälle vorkommen. Das muss noch gar nichts heißen«, versicherte sie und wollte selbst so gern daran glauben. »Ich muss Sie bitten, jetzt Ruhe zu bewahren. Schon wegen Severin.« Sie lächelte den Jungen an. »Mach dir nicht zu viele Sorgen, ja?«

      »Ich versuche es«, murmelte der Kleine. Sein besorgter Blick wanderte hinüber zu seinen Eltern.

      Fee wandte sich an Schwester Elena, die das Geschehen stumm verfolgt hatte.

      »Wir brauchen ein Kontroll-CT. Kannst du dich darum kümmern?«

      Elena nickte und verließ das Zimmer.

      »Bald wissen wir mehr.« Fee lächelte Eltern und Sohn tapfer zu. Mehr gab es im Augenblick nicht zu sagen. Ihr Herz war tonnenschwer, als sie das Zimmer verließ. Was, wenn Lammers tatsächlich einen folgenschweren Fehler gemacht hatte?

      *

      Lisa Haimerl hatte ihre kleine Tochter bis in den Vorraum des OPs begleitet. Dr. Lammers empfing sie dort.

      »Ich muss Sie jetzt bitten, den Raum zu verlassen.«

      Lisa zögerte.

      »Hier hat nur Klinikpersonal Zutritt. Sie können von Glück sagen, dass ich heute meinen großzügigen Tag habe. Sonst wäre vor der Tür Endstation gewesen.« Das Misstrauen, das ihm entgegenschlug, stimmte ihn nicht gerade freundlich. Und auch Lisa Haimerl fuhr die Krallen aus.

      »Ich warne Sie! Wenn meinem Kind etwas passiert …« Sie beendete den Satz nicht.

      Eine Schwester fasste sie sanft am Arm und brachte sie nach draußen.

      Das war das Signal für den Kinderchirurgen, mit seiner Arbeit zu beginnen. Er folgte der Liege in den Operationssaal und wartete auf das Signal der Anästhesistin Ramona Räther. Sie setzte dem Baby eine Maske auf.

      »Toll machst du das«, murmelte sie beschwichtigend.

      Lammers lachte abfällig.

      »Warum versuchst du es nicht mal mit chinesisch? Vielleicht spricht es schon ein paar Fremdsprachen«, spottete er. Zum Glück kannten ihn die Kollegen und wunderten sich nicht. Sie tauschten amüsierte Blicke.

      Dr. Räther spritzte inzwischen ein zuvor genau dosiertes Medikament. Die Augen aller Anwesenden ruhten auf den Geräten, die die Vitalfunktionen des Säuglings überwachten. Die Anspannung war mit Händen greifbar. Endlich gab Dr. Räther grünes Licht.

      »Sie schläft.« Sie nickte ihrem Kollegen zu.

      »Dann lassen wir die Party mal beginnen«, verkündete Lammers und streckte die Hand aus. »Skalpell.«

      Er wollte eben zum Schnitt ansetzen, als ein heller Ton erklang.

      »Blutdruck 65 zu 40, fallend. Steigende Herzfrequenz«, verkündete Ramona mit ruhiger Stimme. Nur in ihren Augen stand die Sorge geschrieben. »Ich habe keinen Puls. Die Kleine ist kaltschweißig.«

      Lammers hielt das Skalpell in der Hand. Er zögerte.

      »Volker!«, mahnte Ramona. »Die Kleine verträgt das Narkosemittel nicht. Wir müssen abbrechen. Ich gebe ihr jetzt Adrenalin.«

      Noch immer stand Volker Lammers reglos am Operationstisch. Endlich wandte er sich ab.

      »Das macht das Gör doch mit Absicht!«, schimpfte er, als er den OP unverrichteter Dinge verließ. »Wetten, dass die Mutter mir die Schuld dafür in die Schuhe schieben wird?«

      »Sie kann froh sein, dass wir rechtzeitig abgebrochen haben.« Ramona Räther war eine der wenigen Kollegen, die Volker seine Art nicht übelnahmen. Anders als Felicitas, an deren Stuhl er beharrlich sägte, neidete er ihr den Erfolg nicht. So arbeiteten sie friedlich zusammen und akzeptierten einander mit all ihren Stärken und Schwächen.

      Als Lisa Haimerl die Ärzte aus dem Operationsbereich kommen sah, sprang sie von der Bank auf und lief zu ihnen. »Ist der Eingriff schon vorbei?«, fragte sie atemlos.

      »Er hat gar nicht angefangen, allergische Reaktion auf das Narkosemittel. Wir versuchen es später noch einmal. Inzwischen testen die Kollegen aus, auf welchen Stoff sie reagiert hat«, erklärte Volker, während er mit weit ausgreifenden Schritten über den Flur ging.

      Lisa versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Wieder erinnerte sie sich an die Worte ihrer Mitarbeiterin Frauke Lohns.

      »Das ist allein Ihre Schuld!«, beschuldigte sie ihn atemlos. »Bei Frau Dr. Norden wäre das sicher nicht passiert.«

      Volker blieb so abrupt stehen, dass sie um ein Haar mit ihm zusammengestoßen wäre.

      »Seltsam nur, dass ich nicht für die Narkose verantwortlich bin. Finden Sie nicht?«, fragte er herablassend. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen.« Er wandte sich ab und setzte seinen Weg fort.

      Gefangen in einem wahren Gefühlschaos blieb Lisa Haimerl stehen und sah ihm nach.

      »Wo wollen Sie hin?«, rief sie ihm nach.

      »Ins ›Allerlei‹. Dort soll es heute ganz fantastischen Flammkuchen geben. Den sollten Sie versuchen«, erwiderte er, ohne sich noch einmal umzudrehen.

      Nie zuvor in ihrem Leben hatte sich Lisa so hilflos gefühlt. Sie schleuderte ihre Handtasche auf den Boden und stampfte auf wie ein kleines Kind. Doch Volker Lammers war längst um die Ecke verschwunden.

      *

      Andrea Sander saß an ihrem Platz und beantwortete die Anfrage eines Pharmaunternehmens, als Dr. Norden aus seinem Büro zu ihr kam und die Unterschriftenmappe auf den Tisch legte.

      »Was für ein Tag!«, seufzte er. »Ich wünschte, ich hätte Fees Rat angenommen und wäre heute früh nicht ans Telefon gegangen.«

      Andrea hob den Kopf.

      »Sind Sie sicher?« Ihre Stimme klang vielsagend.

      Sichtlich irritiert legte Daniel den Kopf schief.

      »Was wollen Sie damit sagen?«

      »Na jaaaaa«, erwiderte sie gedehnt. »Nicht, dass ich gelauscht hätte. Ihre Stimmen waren ja laut genug. Und außerdem stand


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