Jan zieht in die Welt. Carlo Andersen

Jan zieht in die Welt - Carlo Andersen


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gingen früh schlafen. – Jan und Jack redeten in ihrem Zimmer natürlich ausschließlich über Paul Harris.

      «Wenn ich nur sicher wäre», meinte Jan, «daß er der Verbrecher ist!»

      «Aber im Grunde glaubst du das, nicht wahr?» fragte Jack.

      «Ja, aber ich möchte ganz sicher sein, bevor ich die Polizei verständige.»

      Das Gespräch ebbte langsam ab, und schließlich schliefen beide ein. Bis Jan plötzlich aus dem Bett hochfuhr, denn jemand schrie ganz laut: «Jan, Jan, wach auf, wach auf!»

      «Bin ja schon wach», murmelte Jan verschlafen. «Erling, du?»

      «Ein Gespenst, Jan, ich hab’s gesehen. Einen Mann, der etwas unter dem Arm trug. Vielleicht seinen Kopf, denn es soll hier einen kopflosen Ritter geben, hat die Haushälterin mir gesagt.»

      Drittes kapitel

      Auch Jack war inzwischen aufgewacht und schaute verwundert den nach Luft schnappenden Erling an.

      «Wo hast du den Mann denn gesehen?» fragte Jan lachend.

      «Auf dem Gang. Ich bin aufgewacht. Da ich draußen Schritte hörte, stand ich auf, um nachzusehen. Der Kerl schlich über den Korridor und hatte dabei etwas unter dem Arm.»

      «Seinen Kopf also?»

      «Ach, Kopf oder nicht, so genau habe ich natürlich nicht hingesehen.»

      «Du hast zuviel Apfelkuchen gegessen», sagte Jack und drehte sich im Bett um.

      «Nein, Jack», warf Jan ein. «Steh auf, beeil dich. Zieh dein Skizeug an und nimm die Stiefel in die Hand.»

      «Nanu? Bist du total übergeschnappt?» fragte Jack.

      «Er entkommt uns sonst, beeil dich!»

      Nun erst verstand Jack, was Jan meinte.

      Aber für Erling ging alles zu schnell, denn bevor er weitere Fragen stellen konnte, hatten die beiden anderen sich angezogen und waren ohne ein Wort der Erklärung über den Gang gehuscht, die Stiefel in der Hand.

      «Dort, siehst du den Lichtstreifen», flüsterte Jan.

      «Ja, richtig. In Onkel Ernsts Arbeitszimmer brennt Licht.»

      «Pflegt er nachts zu arbeiten?»

      «Nein, er schläft wie ein Stock.»

      Hastig öffneten sie die Tür und sahen einen Mann über den Arbeitstisch gebeugt. Er schaute auf: es war Paul Harris. Aber er war schneller als die Jungen. Mit einem Satz war er an der Tür und stieß Jan und Jack beiseite. Die Tür flog zu, der Schlüssel drehte sich im Schloß.

      «Eingesperrt», rief Jack.

      Jan schrie aus vollem Hals und stampfte gegen die Tür. Er war sich bewußt, daß er die schwere Eichentür nicht eintreten konnte, aber er hoffte, jemanden damit zu wecken.

      «Hat keinen Sinn», meinte Jack. «Hier hört uns niemand.»

      «Dann laß uns zum Fenster hinausspringen.»

      «Wir werden im Schnee ersticken», meinte Jack zweifelnd.

      «Versuchen sollten wir es wenigstens, er entkommt uns sonst. Sieh, dort hinten läuft er. Die Stiefel hat er wohl schon vorher bereitgestellt, denn er muß sie bei der Hand gehabt haben.»

      Schnell zogen die beiden ihre Skistiefel an, holten ihre Skier und sprangen zum Fenster hinaus. Während sie sich noch durch den tiefen Schnee zur Brücke durcharbeiteten, öffnete sich in einem der oberen Stockwerke ein Fenster und Onkel Ernst rief hinaus: «Was ist denn da los?»

      «Wir sind es, Onkel. Jan und ich. Komm schnell zum Treppenturm, es ist wichtig.»

      Als die beiden den Turm erreichten, stand der Onkel schon wartend an der Tür, sah sie erstaunt an und fragte: «Was habt ihr denn vor?»

      In kurzen Worten erklärte Jan, was geschehen war, und fügte hinzu: «Es ist wohl unmöglich, jetzt die Polizei zu holen. Aber vielleicht könnten Sie alle unsere Kameraden wecken. Sie sollen unserer Skispur folgen.»

      «Was heißt, eurer Skispur?»

      «Nun, Jack und ich nehmen die Verfolgung des Verbrechers natürlich gleich auf.»

      Es schien, als wollte der Gutsbesitzer protestieren, aber dann überlegte er es sich. Was konnte den Jungen bei der Verfolgung schon passieren? Und innerhalb der nächsten Viertelstunde würden alle ihre Kameraden hinter ihnen her sein.

      «In Ordnung», sagte er. «Ich wecke alle und fahre dann mit ihnen hinter euch her.»

      *

      In dem hellen Mondlicht war es ein Kinderspiel, der Skispur des Flüchtlings zu folgen. Es war die gleiche Richtung wie beim Langlauf am Morgen zuvor. Der Neuschnee hatte die Spuren des Wettlaufs längst zugedeckt. So zeichnete sich die frische Spur des Flüchtlings im Schnee klar ab.

      «Der Spur nach zu urteilen, kann er sehr gut skifahren», meinte Jack.

      «Ja, so sieht es aus. Wir müssen schneller werden, sein Vorsprung ist groß.»

      Zwischen den Baumstämmen wurde jetzt der kleine See sichtbar. Unwillkürlich mußte Jan daran denken, daß sie in diesem Winter wohl kaum zum Schlittschuhlaufen kommen würden. Der See war von einer dicken Schneeschicht bedeckt.

      Als sie den Hügel erreichten, rief Jan: «Dort ist er wieder! Siehst du ihn? Den kleinen dunklen Punkt dort drüben. Er ist sehr schnell.»

      «Ja, Aber wir kriegen ihn schon noch.»

      Erst jetzt begann Jan sich Gedanken zu machen, was sie tun sollten, wenn sie ihn eingeholt hatten.

      Ein Kampf mit Skiern an den Füßen war nicht jedermanns Sache. Aber sie hatten vier Skistöcke und der Flüchtling nur zwei.

      Der Abstand zwischen den Verfolgern und dem Flüchtenden wurde zusehends kleiner. Als die Jungen in einer tiefen Bodensenkung angelangt waren, sahen sie, daß der Mann auf dem nächsten Hügel stehengeblieben war.

      «Was nun, Jack?» fragte Jan. «Er scheint da oben stehenbleiben zu wollen.»

      «Dann gehen wir zum Angriff vor.»

      «Das können wir kaum. Der Hügel ist so steil, daß wir im Scherenschritt hinaufklettern müßten. Da oben hat er eine weitaus bessere Position als wir.»

      Ein Weilchen standen die beiden Freunde unentschlossen da, dann schrie Jan plötzlich: «Großer Gott, jetzt ist er übergeschnappt! Er kommt in fliegender Fahrt auf uns zu!»

      *

      Jan hatte immer schnell reagieren können, jetzt aber mußte er wirklich blitzschnell einen Entschluß fassen.

      «Jack», rief er, «steig aus der Spur, sobald er näher kommt.»

      «In Ordnung. Sollten wir ihm nicht die Skistöcke vor die Füße werfen?»

      «Nein. Auf gar keinen Fall.»

      Mehr konnten sie nicht miteinander sprechen, da kam der Mann schon auf sie zu. Im letzten Augenblick traten die Jungen zur Seite und ließen ihn vorbei. Der Schnee flog ihnen um die Ohren. Es waren kaum zwei Meter zwischen ihnen, und der Mann war knapp an ihnen vorbeigerast.

      Jan seufzte vor Erleichterung auf. «Der wollte uns doch tatsächlich rammen.»

      «Warum wolltest du, daß wir so kurz vorher aus der Spur treten sollten?» fragte Jack.

      «Damit er nicht im letzten Moment seine Fahrtrichtung ändern würde, dann hätte er einen von uns umgefahren.»

      «Wir hätten ihn aber leicht bremsen können, wenn wir ihm die Stöcke vor die Füße geworfen hätten.»

      «Sicher, aber dann hätte er sich Arme und Beine gebrochen.»

      «Hm. Er wollte uns ja auch verletzen.»

      «Ja,


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