Ein Junge liebt ein Mädel: Annemarie Land. Robert Heymann

Ein Junge liebt ein Mädel: Annemarie Land - Robert Heymann


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      „Der Vogel? Wer ist das?“

      Gerhard erzählte ihr von seinem Ordinarius, Professor Ebers.

      „Er ist unvergleichlich! Er lebt eigentlich immer in einer anderen Welt, aber er gibt uns so viel von diesem seinem Leben, dass wir gar nicht wie die andern merken, wie schwer eigentlich diese letzte Zeit des Gymnasiums ist, wo man doch mit aller Kraft nach Freiheit sucht und so gebunden ist.“

      Sie standen vor dem Garten des Pastorhauses. Im Studierzimmer des Pastors schimmerte noch Licht.

      „Vater wird sich wundern, dass ich so spät heimkomme —“

      „Wir wollen ihm morgen sagen, dass wir uns lieben, Lissy —“; doch dann schüttelte er in einem plötzlichen, Entschluss den Kopf: „Nein, Lissy, ich habe es mir überlegt: wir wollen es deinem Vater nicht sagen. Noch nicht! Ich will erst deiner würdig sein, wenn ich vor ihn hintrete und mich zu meiner Liebe bekenne. Ich will erst etwas sein, etwas erreicht haben — —“

      „Du hast recht, Gerhard.“ Auch Lieselotte war ernst geworden. ,,Vater würde mich vielleicht nicht ganz begreifen — er ist alt, Gerhard, und er sorgt sich um meine Zukunft — —“

      „Deine Zukunft ist klar und hell, Liebste. Ich werde dich auf Händen tragen — ich werde dich verwöhnen und liebhaben — nichts Hässliches soll an dich herankommen, mein Mädel. Und du wirst auf mich warten, nicht wahr?“

      „Ja, Gerhard. Ich hab’ dich ja lieb — —“

      „Und nun — gute Nacht, Lissy:“ Er küsste sie zart, innig. ,,Träum’ von mir, Liebste — morgen sehen wir uns wieder — jeden Tag, vier Wochen lang!“

      „Nur vier Wochen —“ sagte Lieselotte beklommen. „Dann fährst du weg — lässt mich allein — —“

      „Wir werden uns schreiben, Lissy — oft, sehr oft. Ich weiss, du wirst tapfer sein, nicht wahr?“

      „Ich will es versuchen —“

      „Und jetzt haben wir noch vier Wochen des Beisammenseins vor uns — vier lange, wunderbare Wochen!“

      Sie nickte zärtlich. „Und nun geh, Liebster. Es ist schon sehr spät. Wirst du dich auch wirklich nicht verirren? Ich mache mir Sorgen —“

      „Das brauchst du nicht, Lissy. Gute Nacht, Liebes.“

      „Gute Nacht —“

      Sie öffnete das Gartentor, das leise in den Angeln knarrte, und eilte durch den Garten in das Haus. Gerhard lehnte am Zaun und sah ihr nach, bis die schmale, zierliche Gestalt hinter der schweren Eichentür des Hauses verschwunden war. Dann trat er den Heimweg an. — — —

      Die vier Wochen flossen den beiden Liebenden viel zu schnell dahin. Frau Brausewetter mahnte den Sohn zur Abreise. In vierzehn Tagen würden die Ferien zu Ende sein, und es galt, sich für den letzten Kampf um das Abitur zu rüsten.

      Auch Pastor Winkelmann liess Gerhard Brausewetter nur ungern ziehen. Er hatte ihn liebgewonnen in der Zeit, da er fast jeden Tag im Pfarrhause geweilt.

      Schliesslich war aber doch der letzte Tag angebrochen. Die Sonne glühte. In weichem Glanz lag ihr Licht über den Höhen und den grünen Wiesen. Es war drückend schwül, kaum Sass von den Höhen ein linder Luftzug wehte, der etwas Kühlung brachte. Die Felder strömten einen heissen Atem aus, der von grellem Sonnenlicht durchflutet war.

      Müde schlich der Fluss durch die Wiesen.

      Gerhard stieg mit Lieselotte noch einmal hinauf in die Berge.

      Die Wälder standen in jenem zarten, lächelnden Grün, das die Seele erheitert und dem Auge wohltut, nur stellenweise von melancholischen Bergschatten durchbrochen. Das Moos glich einem Teppich, der aus tausendfältigem Smaragd von geschäftigen Händen geschaffen schien, und tausend Stimmen, tausend Leben und tausend Liebe surrten, summten und brummten.

      Eng aneinandergeschmiegt stiegen sie aufwärts, durch brennende. Ginsterbüsche und kniehohe Blumenfelder, über zackige Felsen und biegsames Strauchwerk.

      „Liebster,“ brach Lieselotte das Schweigen, das beide umfing — „nun gehst du wirklich fort von mir — —“

      „Aber, Lissy — ich komme wieder!“

      „Und — wenn du nicht wiederkommst?“

      „Mädel — glaubst du vielleicht, dass ich die Liebe, das grenzenlose Glück, das du mir geschenkt hast, wegwerfe wie eine welke Blume? Deine junge, wunderbare Liebe“

      „Und wenn du es tätest — aus Schwäche?“

      „Aus Schwäche? Wo ich mein Leben hergeben würde für dich? Das verstehe ich nicht, Lissy.“

      „Du verstehst es nicht — jetzt nicht — aber vielleicht — nein, du sollst es nicht verstehen lernen. Du wirst mich also nie, niemals vergessen?“

      „Nie, niemals, so wahr ich dich liebe!“

      Sie waren auf dem Gipfel eines Hügels angelangt, von dem man Äcker und Wiesen, Wälder und Flüsse bis weit in die Ferne überblicken konnte. Schweigend setzten sie sich auf den schwellenden Moosboden, Gerhards Blick schweifte hinüber zu dem Dörfchen, an dessen Rand in Bäume eingebettet das Pfarrhaus lag.

      „Immer wird dieses Fleckchen Erde für mich das schönste auf der Welt bedeuten“, sagte er inbrünstig. „Weil ich dich hier gefunden habe — —“

      Lieselotte hatte die Hände um die hochgezogenen Knie gefaltet. „Wenn du nur nicht fortmüsstest,“ stammelte sie — „wenn ich dich nur hierbehalten könnte —“

      Gerhard sah sie an. In ihren Augen funkelten Tränen. Sofort war er bei ihr, nahm ihren Kopf zwischen seine Hände. „Lissy — Lieb — sei doch vernünftig — sieh, es geht ja nicht anders —“

      „Ich weiss —“ sie schluckte schwer, „und ich ärgere mich über mich selbst, Gerhard. Aber ich habe Angst — —“

      „Angst? Wovor, Lissy?“

      In einer Bewegung völliger Hilflosigkeit zuckte sie die Achseln. „Ich weiss es selbst nicht. Ich möchte ein fröhliches Gesicht machen, um dir den Abschied nicht zu erschweren — aber es ist eine merkwürdige Angst in mir, wie die Ahnung von etwas sehr Traurigem — ach, Gerhard — du wirst mir oft schreiben, nicht wahr? So oft es deine Zeit erlaubt? Und du wirst mich nicht vergessen?“

      Sie schlang die Arme um seinen Hals, sie presste die tränenfeuchte Wange an die seine. Das sonst so stille, zurückhaltende Mädchen war heute von einer fieberhaften Erregtheit, die Gerhard unklar beunruhigte.

      Er drückte sie zärtlich an sich, strich ihr immer wieder beruhigend über das heisse Gesicht. „Du kannst mir bedingungslos vertrauen, Liebste — ich habe dich lieb wie nichts sonst auf der Welt. Ich habe keinen andern Gedanken als dich — als unsere gemeinsame Zukunft. Komm, sei tapfer — fühlst du denn nicht, wie schwer es auch mir wird, von dir fortzugehen?“

      Sie versuchte, ruhiger zu werden. Aber der Ausdruck von Angst mich nicht aus ihren Augen. ,,Wenn du nun andere Frauen kennen lernst, Gerhard — Frauen, die schöner und Klüger sind als ich — —“

      Er verschloss ihr den Mund mit einem Kuss. „Sprich nicht weiter, Lissy — du darfst nicht so Sprechen! Hast du so wenig Vertrauen zu mir? Ach, Lissy, ich glaube, du weisst gar nicht, was du mir bist! Muss ich es immer wieder sagen? Du bist das Schönste, Kostbarste, das Heiligste in meinem Leben. Ich werde dich liebhaben, nur dich, solange ich atme. Genügt dir das?“

      ,,Schwöre mir, Gerhard, dass du nie eine andere Frau lieben wirst als mich — —“

      „Ich schwöre es dir —“

      Sie legte seine Hand an ihre Wange.

      „Ich möchte lieber sterben, als deine Liebe missen“, sagte sie leise. „Ich möchte lieber Schande, Qual und Tod erdulden, als dich verraten — —“

      Wortlos,


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