Der Fluch des Pharao. Rudolf Stratz

Der Fluch des Pharao - Rudolf Stratz


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Tage Abend, und du findest doch auch wieder mal nach Deutschland zurück, und vorläufig ist es hier draussen doch so wunderschön!

      Herrlich: die Hitze — die Fliegen — der Staub — die Welt brennt in Farben. So was gibt’s nicht wie das Rote Meer — es ist nämlich himmelblau, und die Fische fliegen über das Verdeck, und über dem Sinai steht die Fata Morgana, und man kommt aus Indien. Aus dem tiefsten und dunkelsten Indien. Ich erzähle Ihnen nichts davon, wo wir waren — die gute alte Adams und ich — allein unter Tausenden von Eingeborenen, die vor Mrs. Adams einen abergläubischen Respekt haben, und mitten in den Geheimnissen Indiens. So was versteht man in Schöllnitz nicht. Ich will Ihnen nur Nachricht geben, dass ich noch lebe und gesund bin, weil Sie soviel Anteil an mir nehmen. Sagen Sie’s bitte auch meinen Eltern und grüssen Sie alles, was in Schöllnitz kreucht und fleucht.

      Nachschrift: Sie ahnen nicht, wo ich Ihnen diese Zeilen schreibe. In den „Thronen der Welt“. Dem Tempel von Karnak, grösser als ganz Schöllnitz und auch interessanter. Ich sie in der riesigen Säulenhalle, durch die die letzte Abendsonne fällt. Zwölf Männer können solche Säule nicht umspannen, und auf den riesigen Säulen und an den riesigen Wänden lebt eine ganze bunte, lebensgrosse gemalte Götterwelt. Das heisst: Götter sind es eigentlich nicht. Es sind mehr Tiere. Oder vielmehr Menschen mit Tierköpfen. Ein krauses Volk: da sind gerade vor mir Frauen mit Löwen- und Raken- und Kuhköpfen und ein Kerl mit einem Krokodilskopf und ein anderer mit einem Falkenkopf, und sie marschieren alle ganz verquer und verwerfen die Schultern im rechten Winkel, und das zwischen sind die Hieroglyphen, die kein Mensch versteht. Immer wieder ein Käfer. Das scheint die Hauptsache. Mrs. Adams sagt: Der Skarabäus ist nämlich die Sonne, und die besseren Mumien tragen diesen Mistkäfer aus Edelsteinen geschnitten als Herz. Das begreife, wer mag!

      Ich bin ganz allein in dieser merkwürdigen Gesellschaft. Es geht schon sehr gegen Abend und dämmert schon ganz merklich über dem sonderbaren Land am Nil, und es sind keine Europäer da. Die dressen jetzt alle schon zum Dinner. Und die Eingeborenen werden überhaupt nicht in die Tempel gelassen. Die machen da doch nur Unordnung. Es ist ganz still. Ganz märchenhaft. Mir ist nicht unheimlich zumut unter den vielen Pharaonen und Göttern und Tieren, die zum Glück auch von meiner Anwesenheit nicht die geringste Notiz nehmen. Denn sie schauen ja alle an mir vorbei nach rechts oder links. Eher feierlich. Es ist beklemmend schön. Und immer noch furchtbar heiss. Sobald ich jetzt mit der Epistel an Sie zu Ende bin, will ich auch schauen, dass ich heimstiefele. Ich bin rechtschassen müde. Ich bin, in meiner Wissbegierde, den ganzen Nachmittag, viele Stunden lang, im Sonnenbrand in den Ruinen herumgeklettert. Ich schreibe Ihnen hier wirklich nur noch schnell aus Pflichtgefühl — und so müssen Sie — Gott — die Fliegen machen einen beim Schreiben rein wahnsinnig — das auffassen — nicht wahr? Nicht mehr — verstehen Sie? — und nicht etwa denken, dass ich . . . . . .

      7

      Eine Seite aus dem Reisetagebuch Sabine Ritters

      Ich muss ganz plötzlich über meinem Brief an den guten Hilgenstock eingeschlafen sein. Ein Wunder war es schliesslich nicht — bei der Hitze und so müde, wie ich war. Erst die Nachtfahrt aus Alexandrien und dann tagsüber das Herumgelaufe in dem Tempel.

      Der Brief muss mir, als ich einduselte, aus der Hand gefallen sein. Als ich wieder erwachte, lag er, samt dem Umschlag, neben mir am Boden im Mondschein. Denn nun war schon volle Nacht, und der Mond schien beinahe taghell durch den Wald von Säulen, die riesige schwarze Schatten warfen. Und dazwischen war ganz helle bläuliche Luft. Es hatte direkt etwas Geisterhaftes. Es war so klar, dass man weithin die Figuren an den Säulen und Wänden sehen konnte.

      Nun kommt das merkwürdigste Ereignis meines Lebens.

      Ich habe plötzlich in meiner Einsamkeit beinahe das Weinen gekriegt und die Zähne zusammengebissen und mich am Ohr gezupft und mich gefragt: Sabine — träumst du eigentlich noch? Oder bist du übergeschnappt? Oder was ist eigentlich mir dir los?

      Die Göttergestalten in dem Tempel waren, während ich schlief, alle lebendig geworden. Es waren noch genug Bilder von ihnen an den Wänden und Säulen geblieben. Aber viele waren schon heruntergestiegen und wandelten in der Halle des Tempels und begrüssten sich und unterhielten sich miteinander. Das Stimmengewirr hatte mich geweckt.

      Ich schluckte vor Angst. Ich bin sonst wirklich nicht so ein Hasenfuss. Aber das war mir doch zu toll, dass mich so die Nerven im Stich liessen und ich Visionen oder so was bekam. Ich suchte mich zu beruhigen. Ich sprach mir gut zu: Da klingt bloss so ein Traum nach. Das ist so ein Zustand zwischen Schlaf und Wachen — das ist ja alles Unsinn. Du musst jetzt ein paar Minuten die Augen zumachen, und wenn du sie wieder aufmachst, ist der ganze Spuk einfach weg!

      Also das habe ich getan und dagesessen und dabei immer die Götter schwurbeln gehört, und wie ich die Augen wieder aufgemacht habe, stiess ich einen schwachen Schrei des Schreckens aus. Es waren bloss noch mehr Gottheiten geworden und so Volks inzwischen. Immer wieder kamen neue zwischen den Säulen hervor und mischten sich unter die andern. Sie vertrugen sich miteinander ausgezeichnet. Sie plauderten lebhaft miteinander. Mich sahen sie zum Glück nicht. Ich sass im Schatten der Säule und duckte mich ganz betäubt und verwirrt in mich zusammen. So was war mir doch noch nie passiert.

      Ich dachte mir dumpf: Na — schön, Sabine — kurz und gut — du bist verrückt geworden! Aber wird man denn aus heiler Haut verrückt? Abenteuerlich — behaupten sie wenigstens in Schöllnitz — veranlagt bin ich vielleicht — aber doch nicht verdreht im Kopf! Das hat mir auch dort noch niemand nachgesagt! Überhaupt: wenn man weiss, dass man verrückt ist, dann ist man’s gerade nicht! Also das konnte nicht stimmen.

      Wenn man nicht in solcher Aufregung gewesen wäre, so wäre es ja ein phantastisches Bild gewesen. Die vielen Götter und Göttinnen mit den verschiedenen Tierköpfen und goldenen Kronen und Sonnenscheiben drauf und Pharaonen mit mächtigen blauen und roten Federn und Krieger mit weissen Schürzen und goldenen Schilden und darauf die Sphinx und Priester und derlei — die trugen Pantherfelle — und braune Tempelmädchen mit Harfen und Flöten.

      Das schien denen ganz selbstverständlich, dass sie da nachts geisterten. Nur mir, dem einzigen Menschen, nicht. Ich fühlte mir in meinem Versteck den Puls. Na — der schlug nicht schlecht. Nun wurde mir klar: das war einfach ein ausgewachsener Fieberanfall! Seit wir aus Indien weg waren, hatten Mrs. Adams und ich unsere tägliche gewohnte Prise Chinin nicht mehr genommen. Nun kam das vielleicht nach. Das hatte ich mir nun glücklich aus den Tropen mitgebracht.

      Ohne solch eine blödsinnige Fieberphantasie hätte ich es mir gar nicht erklären können, dass dies Volk von vor vieltausend Jahren unter sich englisch und französisch sprach. Ich hörte es ganz deutlich. Es machte mich ganz krank, weil es doch so gar nicht stimmte.

      Ich will nicht sagen, dass mir die Zähne klapperten. Das ist wohl nur so eine Redensart. Aber zumut war mir danach. Es war eigentlich schade. Denn so etwas — das fühlte ich dabei — würde ich doch nie wieder in meinem Leben sehen: die ungeheure Halle mit den vielen bunten Zaubergestalten und dem bläulichen Mondschein und den schwarzen Säulenschatten. Es schien, als ob alle auf etwas Besonderes warteten. Es lag so eine Stimmung über ihnen. Sie schauten alle nach der fernen Rückwand des Tempels, als ob dort, von dort, von den Obelisken draussen her, durch das grosse Tor etwas Besonderes kommen müsste.

      Das Stimmengewirr und Durcheinander wurde immer lauter und heiterer. Ein Widder mit Menschenleib ordnete seitwärts die musizierenden Tempelmädchen. Braune Sängerinnen hockten da mit gekreuzten Beinen und flirteten ganz heftig mit ein paar jungen Göttern, die Krummstäbe und eine Art Schlüssel in den Händen hielten und hohe, spitze, goldene Blechmützen trugen. Jeden Augenblick konnte hier offenbar ein grosses Geisterfest beginnen.

      Mir war ganz weh. Ich hatte nur die Idee, dass das so nicht weiterging. Es musste etwas geschehen — ich sagte mir: Das ist ein ausgewachsener Fiebertraum. Wenn du dem davonläufst, kann die ganze Gesellschaft doch nicht mitlaufen, und du bist sie los . . . . . .

      Also nichts wie ’raus! Und daheim in die Klappe! Und Chinin und den Doktor . . . .

      Jetzt stimmten sie schon ihre Harfen, und es war allgemeines Gelächter und Getriebe unter den Schatten, und fern am Tor sah man viele Fackeln und


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