Perry Rhodan 150: Stalker (Silberband). Arndt Ellmer

Perry Rhodan 150: Stalker (Silberband) - Arndt Ellmer


Скачать книгу
saß mit ausdrucksloser Miene da.

      Nachdem Homer G. Adams seine Selbstanklage beendet hatte, galt die Aufmerksamkeit aller Anwesenden dem silbernen Schemen. Keiner, der ihn nicht schon als Warner gesehen hatte. Nun lichtete sich die flimmernde Aura: Ein Humanoider wurde erkennbar, den man zumindest auf den ersten Blick für einen Menschen halten konnte. Jedenfalls war sein Gesicht absolut menschlich, wenn auch etwas breit und mit unnatürlich dicken Brauenwülsten. Den Kopf hatte er scheinbar herausfordernd vorgereckt. Trotzdem war seine Miene voller Sanftmut und Friedfertigkeit; der breite Mund zeigte ein gewinnendes Lächeln.

      Nur der Körper und die Extremitäten wiesen Anomalien auf. Die Oberarme waren halb so lang wie die Unterarme, Gleiches galt für die Beine. Der schmale, vorgewölbte Oberkörper betonte eine kräftige Beckenregion.

      Stalker trug eine hellblaue Uniform mit silbernen Mustern und dem längst bekannten Dreieckssymbol auf der Brust. Am meisten überraschten seine Füße: Sie waren nackt.

      »Ich bin Sotho Tal Ker, Handelsvertreter der Superintelligenz ESTARTU«, sagte er und tänzelte dazu mit eigentümlichen Verrenkungen. »An der terranischen Abwandlung meines Namens in ›Stalker‹ habe ich nichts auszusetzen. Ich danke Homer Gershwin Adams für alles, was er für mich getan hat. Besonders dafür, dass er ein so positives Bild von mir zeichnet und alle Schuld auf sich nimmt. Soviel Großmut verdiene ich nicht, denn ich habe mehrmals gehandelt, ohne ihn vorab zu informieren. Ich will diese Richtigstellung, denn ich stehe zu meinen Handlungen. Dass ich etwas andere Begriffe von Moral und Ethik habe, ist wohl verständlich. Auch dass ich in meinen Mitteln nicht immer wählerisch bin, wenn sie den angestrebten Zweck erfüllen. Ich glaube trotzdem, in Homer Adams' Sinn zu sprechen, wenn ich sage, dass die Aktion alle Erwartungen erfüllt hat. Wir können darangehen, die Verhandlungen über Handelsbeziehungen zu führen. Jedoch möchte ich der Abstimmung aller Hanse-Sprecher in keiner Weise vorgreifen.«

      Tekener wandte sich seiner neben ihm wartenden Frau zu; Jennifer hatte sich eben leise, aber bedeutungsvoll geräuspert. »Mir kommt er wie ein Schmierenkomödiant vor, gar nicht wie ein hochgestellter Diplomat«, raunte sie. »Davon abgesehen muss ich zugeben, dass mich etwas an ihm fasziniert.«

      »Fraglich, ob Stalker tatsächlich ein ›Er‹ ist«, gab Tekener zurück. »Ich halte ihn für ein geschlechtsloses Neutrum.«

      »Die faszinierende Ausstrahlung bleibt trotzdem.« Jennifer Thyron grinste breit. »Stalker hat etwas Besonderes an sich. Ich kann Homer keine Vorwürfe machen. Vermutlich hätte jeder so gehandelt wie er – ich werde für ihn stimmen.«

      »Keiner wird Homer das Vertrauen entziehen«, sagte Tekener. »Stalker wird sich allerdings gehörig auf den Zahn fühlen lassen müssen, bevor man ihn akzeptiert. – Was will er denn von Taurec?«

      Stalker war zu dem Platz getänzelt, an dem die beiden Kosmokraten saßen. Als er vor ihnen stand, nahm er, wie es Tekener erschien, eine sehr provozierende Haltung ein.

      »Kosmokraten ...« Stalkers bislang wohlklingende Stimme troff plötzlich vor Spott.

      Stille breitete sich aus. Stalker reckte den Kopf herausfordernd und drückte den Unterleib stärker durch.

      Taurec erhob sich langsam. Das Wispern seines Flüsterhemds schien bis in den letzten Winkel des Saales zu dringen. Der Kosmokrat war kleiner als Stalker und musste zu ihm aufsehen, aber er machte diesen Nachteil mit einem durchdringenden Blick seiner gelben Raubtieraugen wett. Taurec hatte den Daumen der linken Hand an seinem Gürtel eingehakt, die Finger berührten eines der Futterale, die seine Ausrüstung enthielten.

      Eine Weile standen die beiden einander gegenüber wie zwei lauernde Raubtiere. Sie waren Feinde, das wurde jedem in ihrer Nähe deutlich. Zwischen diesen beiden Wesen gab es eine unversöhnliche Rivalität.

      »Glaubst du nicht, dass es Zeit für die Demaskierung ist, Stalker?«, sagte Taurec unvermittelt. In seiner Stimme lag nichts von der sonst so ansteckenden Fröhlichkeit. Sie klang kalt, drohend, tödlich.

      Stalker wich kaum merklich zurück.

      Taurec fuhr unerbittlich fort: »Für die Terraner mag deine Maskerade ausreichen, aber ich durchschaue sie. Ich weiß auch, dass du einen Zwilling bei dir hast. Warum beendest du das Versteckspiel nicht einfach?«

      Taurec schnellte vor. Für Stalker kam der Angriff so überraschend, dass er nicht einmal im Ansatz reagieren konnte. Während Taurecs rechte Hand sich in Stalkers Gesicht verkrallte, griff er mit der Linken zum Rücken des Humanoiden. Mit einem heftigen Ruck zerrte er an der hellblauen Uniform und zerfetzte sie.

      Sekundenlang waren beide Gestalten ineinander verschlungen. Es schien, als würden sie miteinander ringen. Stalker versuchte zwar, sich der Attacke zu erwehren, doch schon nach wenigen Augenblicken gab er den Widerstand auf, und Taurec ließ unvermittelt von ihm ab.

      Stalkers Uniform hing in Fetzen herab ... aber nicht nur die Uniform. Auch die Haut im Gesicht und am Körper schälte sich geradezu ab. Darunter war ein bräunlich schimmerndes Skelett zu sehen. Die vielen »Wunden«, die Taurec geschlagen hatte, ließen verknöcherte Arme und Beine erkennen.

      Stalker zog sich langsam die Menschenmaske vom Gesicht, und was darunter zum Vorschein kam, wirkte ebenfalls knöchern, von Muskelsträngen zusammengehalten. An Sotho Tal Kers Rücken war die Biomasse ebenfalls zerfetzt und ließ die Umrisse eines Tornisters erkennen, der das Hohlkreuz ausfüllte.

      In Stalkers wahrem Gesicht zuckte es; die chitinartigen Muskelstränge der Wangen spannten sich, zudem nahm die gesamte Gestalt eine rasch drohender werdende Haltung an.

      Urplötzlich geschah etwas, mit dem offenbar nicht einmal Taurec rechnete, obwohl er es in seiner Anklage gegen den Fremden schon angedeutet hatte. Die Gewebeschicht auf Stalkers Brust platzte auf, und ein kleines, geschwänztes, knöchernes Wesen sprang heraus. Kaum einen Meter groß, landete es federnd auf dem Boden, zog sich jedoch sofort an einem von Stalkers dünnen Beinen in die Höhe und schwang sich auf seine Schulter. Von dort rief es mit schriller, durchdringender Stimme in gut verständlichem Interkosmo:

      »Ruhig bleiben, ganz ruhig bleiben! Du wirst dich von einem miesen Kosmokraten nicht provozieren lassen. Du nicht!«

      Auf gewisse Weise sorgte dieser überraschende Auftritt von Stalkers »Zwilling«, wie Taurec ihn genannt hatte, für eine Beruhigung der Situation. Das Erscheinen dieses gnomenhaften Geschöpfs verzerrte alles ins Groteske. Die Anspannung, die über der Szene lag, ließ merklich nach.

      Taurec glich nicht länger einer gereizten und sprungbereiten Raubkatze. Stalker entledigte sich der Reste seiner Biomaske und erinnerte vorübergehend an einen Schauspieler nach Beendigung der Vorstellung.

      Ronald Tekener fragte sich, was ohne diesen gerade noch zur rechten Zeit eingetretenen Zwischenfall geschehen wäre.

      Perry Rhodan befasste sich in Gedanken mit vielen anderen Dingen. Die Endlose Armada war unterwegs ins Sternbild Haar der Berenike. Die Reste des Virenimperiums hatten sich verteilt und suchten Kontakt – ein eigentümliches Fernweh hatte alle im Solsystem gepackt ...

      So vieles bedurfte der Klärung und Überwachung, deshalb war Rhodan Adams' Aufforderung, an der Sondersitzung der Hanse-Sprecher teilzunehmen, nur widerwillig gefolgt und hielt sich im Hintergrund.

      Dann war aus dem von Adams präsentierten Fremden, dem Gesandten der Mächtigkeitsballung ESTARTU, ein chitingepanzertes Wesen geworden: Sotho Tal Ker, der Knöcherne. Stalker stand nun beinahe nackt da. Seine dünnen Arme und Beine schienen aus unzähligen Wirbeln zu bestehen, die von Sehnensträngen und Muskeln zusammengehalten wurden. Armgelenke und Knie zeigten zapfenartige Vorsprünge. Der Brustkorb bestand aus gerippten Knochenplatten.

      Stalkers Gesicht hatte nichts Menschliches mehr. Anstelle der Nase wies es einen schnabelartigen Auswuchs mit einem breiten Mund auf, dessen wulstige Lippen durchaus etwas Sinnliches hatten.

      Trotz der stark hervortretenden Brauenwülste und des von der »Schnabelwurzel« aufsteigenden fingerhohen Knochenkamms wirkte die Stirn fliehend. Zwischen dem ausgeprägten Jochbein und den stark hervortretenden Wangenknochen lagen große gelbe Augen mit schwarzen Schlitzpupillen. Diese Augen waren


Скачать книгу