Perry Rhodan 3097: Der Golem. Uwe Anton
Breite.
Auch eine der beiden anderen Ringwulstbuchten war belegt. Aber nicht von einem 240 Meter durchmessenden Raumer der OLYMP-Klasse, für die sie eigentlich vorgesehen war, sondern von Dutzenden fremdartiger Gebilde, die weitgehend gleichmäßig in der Bucht verteilt waren. Auf ihren Sinn und Zweck konnte Kommandant Harlund sich nicht den geringsten Reim machen.
Er schüttelte sich. Er verspürte eine seltsame Benommenheit, eine Müdigkeit, für die er keinen Grund sah. Sie führten die NEIFE VARIDIS in einem Drei-Schichten-Dienst. Er hatte seine vollen acht Stunden Schlaf bekommen und sich danach weitere acht Stunden diversen Zerstreuungen hingeben können, bevor er pünktlich den Dienst angetreten hatte.
»Sichtverbindung!«, murmelte er.
»Weiterhin nicht möglich«, gab der Funkchef zurück. »Die Störungen sind zu stark.«
Mühsam versuchte er, sich auf die Stimme des plophosischen Kommandanten zu konzentrieren, die noch immer in der Zentrale hallte, doch es wollte ihm nicht so recht gelingen. Wütend schüttelte er sich, doch sein Kopf wurde nicht klarer.
»... befinden uns auf einer Geheimmission ...«
Harlund versuchte, die Bedeutung der Worte einzuordnen. Ach ja, genau, er hatte sich nach den seltsamen Aufbauten erkundigt.
Das genügte ihm als Erklärung. Bei einer Geheimmission mussten manche Dinge geheim bleiben, sonst wäre es keine Geheimmission mehr, und sie wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Die Stimme des Sprechers klang sehr freundlich. Harlund fragte sich beiläufig, warum er sich noch immer nicht identifiziert hatte, maß dem aber keine große Bedeutung bei.
»Kommandant, sollten wir nicht die Schutzschirme aktivieren?«
Wer hatte da gesprochen? Er erkannte die Stimme nicht, es musste die eines Zentraleoffiziers sein. Kurz streifte ihn die Erinnerung an den gatasischen Kommandanten und seinen Hinweis auf die Alabasterfarbene Kreatur des Sicherheitsdenkens.
Aber warum sich die Mühe machen? Das unbekannte Schiff hatte keinen höherwertigen Schutzschirm aktiviert, und offenbar waren seine Waffensysteme nicht in Feuerbereitschaft. Warum also sollte Harlund auf so übertriebene Vorsicht Wert legen? Die NEIFE VARIDIS hatte zwar keine höherwertigen Schirme, aber einfache Prallfeldschirme aktiviert, und die genügten vollkommen.
Harlund sah wieder zu dem Holo und kniff die Augen zusammen. In der Bucht mit den seltsamen Gebilden tat sich etwas.
Aber was? Die Gegenstände schienen in Bewegung gekommen zu sein, ihre Position wie aus eigener Kraft zu verändern.
Was hatte das zu bedeuten?
Aber weshalb machte er sich überhaupt Gedanken darüber? Es konnte nicht besonders wichtig sein.
Harlunds merkwürdige Erschöpfung machte sich immer stärker bemerkbar. Die Ermattung schien bis in seine Zellkerne vorgedrungen zu sein und sich dort auszubreiten, den gesamten Körper zu beeinträchtigen. Der Kommandant fühlte sich schlapp und kraftlos. Er hätte gerne etwas unternommen, irgendetwas, jemandem Bescheid gesagt, jemanden alarmiert. Aber diese Müdigkeit ...
Er blickte sich um. Mühsam, weil sein Kopf so schwer war. Er konnte ihn kaum bewegen, kaum drehen.
Aber er war nicht der Einzige, der müde und erschöpft war.
Den anderen in der Zentrale erging es kaum besser als ihm. Er versuchte zu verstehen, was er sah, begriff es aber nicht.
Die meisten Mitglieder der Zentralebesatzung schliefen.
Oder war das gar kein Schlaf, sondern etwas völlig anderes ...?
2.
Pseudo-THORA
17. Juli 2046 NGZ
Freiheit.
Selbstverwirklichung.
Keine Marionette sein.
Das wollte ich für mich.
Das hatte ich eigentlich schon immer gewollt.
Mein Original hatte es sich erarbeitet, und ich war auf einem guten Weg, es ebenfalls zu bekommen. Obwohl ich noch den Drang verspürte, den man mir eingepflanzt hatte. Ich wollte mit der Pseudo-THORA durch die Bleisphäre in die Freiheit gehen, das Trajekt verwirklichen.
Ob ich in dieser Hinsicht ebenfalls auf einem guten Weg war, konnte ich nicht sagen.
Besorgt schaute ich auf Jasmyne da Ariga hinab, die bewusstlos auf dem Medotisch lag. Einer der Bordmediker, Dr. Hause Gregorius, war konzentriert an der Arbeit. Er hatte nicht nur ihr Haar, das sie gerne lang und kompliziert aufgesteckt trug, geöffnet und zur Seite geschoben, sondern auch ihre Schädeldecke. Es war eine Routineoperation, die auch ein Medoroboter hätte durchführen können, doch ich hatte darauf bestanden, dass ein Mensch aus Fleisch und Blut sie vornahm.
Wie so oft, wenn ich Jasmyne ansah, musste ich an die andere, die eigentliche Jasmyne da Ariga denken, ihre genetische Mutter. Abgesehen von der Marotte mit dem Haar ähnelte sie ihr im Aussehen frappierend.
Starke Gene setzen sich eben durch, dachte ich mit beißender Ironie.
Die Jasmyne vor mir auf dem Operationstisch war allerdings ein Kunstgeschöpf der Cairaner, das durch eine Kombination von Gendaten des ehemaligen Imperators Bostich mit denen der historischen Jasmyne erzeugt worden war. Ihr Gehirn war komplex, ein hochsensibles Konglomerat aus arkonidischen, aber auch aus genetisch anderen Komponenten.
Ich hatte mich schon öfter gefragt, welcher Art diese Komponenten waren, war mir aber noch immer nicht sicher und enthielt mich jeglicher weiterer Spekulation. Diese Jasmyne war kein Bioplikat wie die anderen, aber sie verfügte über ein Organoid und eine Somnus-Persönlichkeit.
Die Mediker und Medoroboter hatten die Bioplikaten-Besatzung aus Opt-Varianten mittlerweile fast vollständig von den Somnus-Organoiden befreit. Dabei waren weitere etwa zwei Dutzend Opts ums Leben gekommen oder psychisch irreparabel geschädigt worden. Insgesamt waren nur etwa 3500 Personen biopliziert worden, von denen etwa 100 bei der Revolte umgekommen oder dauerhaft außer Gefecht gesetzt worden waren.
Fremdwesen wie etwa der Swoon Timberlan hatten nicht biopliziert werden können. Auch bei Besatzungsmitgliedern, die Kolonialvölkern entstammten, deren Körpergröße oder -statur allzu stark von der durchschnittlicher Terraner abwich, waren die Erfolge eher bescheiden gewesen.
Ich hatte eigentlich beabsichtigt, den Eingriff von Lorai Cimen durchführen zu lassen, dem Chefmediziner, oder zumindest von Ivo Remsch, dem Leiter der Medoabteilung, aber der hatte mir versichert, dass Gregorius der richtige Mann für die Operation war.
»Sei gescheit«, hatte Remsch gesagt. »Gregorius hat die größte Erfahrung. Er hat mehr Implantate entfernt als Lorai und ich zusammen.«
Offensichtlich hatte er die Wahrheit gesagt.
»Die direkte Kontaktschicht zwischen der Hirnmasse und dem Implantat habe ich bereits durch Bestrahlung verödet«, sagte Gregorius gelassen, während er mit geschickten Bewegungen seiner Finger die OP-Sonde dirigierte. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er bei seinem konzentrierten Vorgehen ein fröhliches Liedchen gepfiffen oder gar vom Bordrechner Ludwig van Beethovens neunte Sinfonie in d-Moll hätte einspielen lassen. »Nun entferne ich das Implantat.«
Aufmerksam beugte ich mich vor.
Benutzte Hause ein Laserskalpell, um das Implantat zu zerstören? Nein, er hatte angekündigt, es zu entfernen, zog es langsam mit einer kleinen Hochfrequenz-Zange heraus, während das kleine Beatmungsgerät mit Sauerstoff angereicherte Luft in Jasmynes Lungen pumpte.
Gleichzeitig leitete die Zange hochfrequenten Wechselstrom in Jasmynes Körper, der das betroffene Gewebe durch die von ihm verursachte Erwärmung kauterisierte. Dadurch wurden das Gehirngewebe und die Gefäße wieder verschlossen, und es erfolgte gleichzeitig mit der Bewegung eine Blutungsstillung.
Ich – beziehungsweise Atlan – hatte bereits wesentlich schlimmere Reparaturen