Seewölfe - Piraten der Weltmeere 694. Sean Beaufort

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 694 - Sean Beaufort


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konnten. Dan verlangte zwei Becher Kokosmilch mit Arrak. Das Mädchen mischte noch ein paar Schluck von einem rötlichen, dicken Saft hinein, rührte um und gab ihnen die großen Becher.

      „Danke. Wir suchen eine gute Gaststube“, sagte Dan und verzog anerkennend das Gesicht. „Herrlich schmeckt’s.“

      „Ihr habt Hunger? Viel Hunger?“ fragte das Mädchen lachend.

      Sie nickten beide.

      „Geht zu Rajpal Nath“, sagte das Mädchen. „Dort ist es sauber und gut. Er versteht die Sprache der Portugiesen.“

      „Wo finden wir sein Haus?“ fragte Hasard.

      Das Mädchen beschrieb ihnen den Weg, aus dem Basar hinaus, nach links und über die breite Straße nach rechts, die dritte Quergasse.

      „Ich bin Sambluja“, sagte sie. „Ich helfe in der Küche von Rajpal. Wir kochen gute Dinge. Einverstanden?“

      Sie nahmen lange Züge aus den Bechern. Das milchige Getränk schmeckte hervorragend und ließ sie den Hunger vorübergehend vergessen.

      „Ihr seid von dem Schiff mit den drei Masten, nicht wahr?“ fragte Sambluja und grüßte mit der linken Hand jemanden, der hinter den Engländern vorbeiging. Das Innere des Basars war von einem lauten Stimmengewirr erfüllt. Am übernächsten Stand hackte ein Händler mit einem Beil einigen Hühnern die Köpfe ab und schilderte laut die Vorzüge seiner Waren, während die Federn flogen.

      „Ja. Wir wollen morgen ablegen. Unser letzter Abend in der Stadt“, antwortete Hasard und gab das Lächeln zurück. Sambluja war kaum älter als er, offensichtlich gefiel er ihr. „Schade. Aber wir müssen erst morgen an Bord sein. Die Nacht ist frei.“

      Zwei Inder blieben am Stand stehen, sprachen mit Sambluja und stellten leere Krüge auf den Tisch.

      Die Engländer leerten die Becher, und Hasard rief: „Wir sehen uns im Basar um! Dann gehen wir zu Rajpal.“

      Sambluja nickte und winkte ihnen nach.

      Ohne Eile schlenderten die Seewölfe von einem Stand zum anderen, musterten die Fische, die Enten und Hühner und blickten in große Säcke voller Pfeffer und anderer Gewürze. Sie bewunderten einen Märchenerzähler, der am anderen Ende der Halle saß und mit leiernder Stimme etwas vortrug, das Hasard überhaupt nicht mehr verstand, weil es offensichtlich ein Dialekt der Gegend war.

      Lebende Schafe und Ziegen standen da, an anderen Stellen zerlegten die Schlachter mit Beilen und Messern ihre geschlachteten Tiere, und große Blutlachen breiteten sich auf dem Boden aus.

      Halbnackte Träger rannten schwitzend hin und her und bewegten riesige Ballen. Dunst und Hitze wirbelten mit dem Staub in die Höhe und zogen durch die Öffnungen im geteilten Dach ab. An den Wänden klebten Geckos und fingen Fliegen in großer Menge.

      „Die Leute von Madras scheinen ziemlich spät ihr Essen zu kochen“, sagte Dan schließlich. „Sie kaufen jetzt das Zeug, das sie heute abend essen werden. Oder was meinst du?“

      „Abgesehen davon, daß ich mir über das Essen der Leute wenig Gedanken mache“, entgegnete Hasard, „scheint das vernünftig zu sein. Sie essen immer frisches Zeug. Und das kriegen sie hier.“

      Ein Teil der Händler verkaufte Schmuck, Leder in vielen Mustern, Gürtel und Sandalen, es gab schön gearbeitete Dolche, Körbe und Kessel. Aber nichts von alledem interessierte die Seewölfe. Sie verließen den Basar und gingen nach links. Die Menge der Inder auf der Straße hatte eher noch zugenommen.

      Jetzt entdeckten Dan und Hasard sogar drei Portugiesen auf der gegenüberliegenden Seite der Straße. Sie wollten jeden Ärger vermeiden und blieben in der halben Dunkelheit, bis sie die Quergasse erreicht hatten.

      „Dort drüben ist die gastliche Stätte“, sagte Dan.

      Sie überquerten die Straße, und als endlich über ihnen die Blätter der Bäume zu rascheln und zu rauschen anfingen und der Wind eine Staubwolke hochwirbelte, spürten sie die kühle Brise aus dem nördlichen Sektor.

      „Hoffentlich hält der Wind die nächsten Tage an“, brummte Dan O’Flynn. „Mir liegt die verdammte Pullerei auf der Galeere wie ein Stein auf der Erinnerung.“

      „Damit bist du keineswegs allein, Dan.“ Hasard junior lachte und blieb vor Rajpals Eßtempel stehen.

      „Sieht recht gemütlich aus, sein Laden“, meinte Dan.

      Sie blickten in einen großen Raum im Erdgeschoß eines Hauses mit weißer Decke und ebensolchen Mauern, einigen Gewölbebögen und einem Vorbau aus Stein und Holz, mit einem Dach aus Palmwedeln und Grasmatten. Auf den Tischen lagen helle Tücher.

      „Wenn ich mich recht erinnere“, sagte Jung Hasard, „dann ist das eins der Eßgewölbe in Indien, die auf den ersten Blick wie in England aussehen. Sehr gepflegt, sehr sauber. Wenn uns jetzt auch noch dieses hübsche junge Mädchen bedienen würde, dann könnte ich bis morgen früh hier sitzen.“

      Dan setzte sich in Bewegung und steuerte auf die rankenden, blütenübersäten Pfosten des Eingangs zu.

      „Sie wird schon kommen, wenn wir lange genug hier sitzen bleiben, Hasard“, sagte er beschwichtigend.

      „Bis zum Morgengrauen werden wir wohl nicht hier essen.“

      Etwa zwei Dutzend Stadtbewohner, meist Männer, befanden sich in der Gaststube. Sie saßen auf gemauerten Bänken und geflochtenen Stühlen und Hockern. In der Mitte des Raumes breitete sich ein offener Herd aus, über dem ein Rauchfang aus verrußten Brettern in der Decke hing. Über der roten Holzkohlenglut standen eiserne Roste mit fingerbreiten Zwischenräumen. Einige Mägde gingen ohne Eile hin und her, ein junger Koch briet Fisch und Fleisch über der Glut.

      „Wenn ich dem zusehe“, sagte Dan O’Flynn grinsend und steuerte einen großen Tisch an, dessen Bank leer war, „dann weiß ich, daß ich wirklich Hunger habe.“

      „Jetzt geht es mir ebenso“, murmelte Jung Hasard und setzte sich, nachdem er sich mit einer Dienerin durch Handzeichen verständigt hatte, neben Dan.

      Sie streckten die Beine lang aus. Die Pistolen hatten sie in die Schäfte der Stiefel geschoben, damit sich niemand an der Bewaffnung störte. Schließlich waren sie in der friedlichsten aller Absichten hier. Der Wirt trat an ihren Tisch und trug Tücher und Becher.

      „Bist du Rajpal Nath? Sambluja aus dem Basar hat gesagt, daß du Portugiesisch sprichst und gut kochst“, begann Dan O’Flynn. „Wenn das stimmt, dann sind wir hier richtig.“

      Rajpal antwortete in leidlichem Portugiesisch. Er stellte Raitas vor sie hin, kleine Stücke gewürztes Gemüse, die in säuerliche Milch getunkt wurden.

      „Ihr könnt alles erhalten, was die Leute hier essen. Was es an Fisch und Fleisch gibt – Lamm, Hammel, Ochse, Ziege –, seht ihr auf den Tellern neben der Glut. Sucht es euch aus. Reiswein?“

      Dan entschied sich für ein Hühner-Pakora und Samosas vom Lamm, Byriani aus Reis und Rindfleisch mit vielen Soßen. Sie bestellten Reiswein und Kokosnußmilch.

      Am Schluß der langen Aufzählung bemerkte Hasard junior: „Wenn es stimmt, was die Eingeborenen überall dort, wo es Kokosnüsse gibt, von ihrer wundersamen Kraft erzählen …“

      „… dann leben wir gesund und werden steinalt“, beendete Dan den alten Aberglauben.

      Aber vielleicht war doch etwas dran. Ein kleiner Krug kalter Reiswein, der nach Zitronen roch, und zwei Schalen wurden an den Tisch gebracht. Die Mädchen waren scheu und jung und sagten kein Wort. Sie lächelten die Fremden nur an, und über ihren Nasenwurzeln leuchtete der dunkelrote, kreisrunde Gebetsfleck.

      „Wenn Rajpal so gut die Portu-Sprache spricht“, meinte Dan nach einer Weile und zwei Schlucken des dünnen Weines, „dann wundert es mich, daß hier nicht viele Portugiesen essen. Heute abend, meine ich.“

      Die „Cabo Mondego“, zum Wrack geschossen und zerstört, war keines der Schiffe, die etwas mit der kleinen Handelsniederlassung


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