Der Glückspilz und andere Märchen. Wilhelm Ernst Asbeck
abliefern!“
„Dummbart, das hat doch ein volles Jahr Zeit!“
Das leuchtete Fritz ein. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht.
Nun kam der Pilzkönig angehüpft und sprach: „Mein lieber Junge, weil du gut und hilfreich zu mir gewesen bist, möchte ich auch dir eine Freude bereiten. Wie denkst du darüber, wenn künftig jeder nach deiner Fiedel tanzen muß, so oft du es wünschest?“
„Das wäre freilich die lustigste Sache der Welt,“ entgegnete Fiedelfritz, aber es klang ein wenig ungläubig.
Das Pilzlein hörte wohl den Unterton heraus und meinte: „Versuch’s nur einmal!“
Das ließ Fritz sich nicht zweimal sagen, er setzte die Fiedel an, spielte eine lustige Weise und rief: „Ich wünsche, daß alle Bewohner des Waldes einen Reigen nach meiner Melodie tanzen!“
Da entstand plötzlich auf der Lichtung ein buntes Gewimmel; aus den Blumen schlüpften zierliche Elfen, alle Käfer und Insekten eilten herbei, Rehe, Hirsche, Füchse, Wildschweine, Dachse, Hasen kamen gelaufen, und in der Luft schwirrten die Vögel. Mucki-Pucki hatte das Pilzköniglein umgefaßt und eröffnete mit ihm den Reigen.
Ei, war das ein fröhliches Drehen und Wiegen, und alle summten, surrten oder brummten, so gut sie es vermochten, zum Takt der Geige die lieben alten Kinderliederweisen, die der Fritz unermüdlich aufspielte.
Endlich wurde ihm der Arm lahm, und er setzte den Bogen ab. Alle dankten ihm und behaupteten, so schön hätten sie nie zuvor getanzt und baten, er möge doch bei ihnen bleiben. Da auch der Pilzkönig und Mucki-Pucki ihn einluden, ihr Gast zu sein, so willigte er gern ein. An jedem Morgen lachte die Sonne und freute sich zu dem lustigen Treiben in der Waldlichtung.
Wie lange Fiedelfritz dort geweilt hatte, vermochte er nicht zu sagen, denn die Tage vergingen ihm wie ein schöner Traum. Als er endlich aufbrach, begleiteten ihn alle Bewohner des Waldes und wünschten ihm Glück.
„Daran wird es ihm nicht fehlen,“ sagte Mucki-Pucki, „denn wen das Glückspilzlein begleitet, dem kann kein Unglück zustoßen!“
Und wirklich, der kleine Pilzkönig wich künftig nicht mehr von Fritzens Seite, er begleitete ihn, wohin er immer den Fuß setzen mochte.
Kehren wir zurück zum Peter. Am zweiten Tag seiner Wanderung war er abends hungrig und durstig auf dem Lindenhof eingekehrt und von dem gutherzigen Bauer aufs beste bewirtet worden. Als Peter sah, daß er sich hier an einem Ort befand, an dem Wohlstand herrschte, und obendrein hörte, Trina, die Bäuerin sei krank, da lachte ihm das Herz im Leibe, denn er hoffte, den guten Leuten manches Goldstück aus der Truhe locken zu können.
Ein voller Monat war ins Land gegangen, da saß eines Morgens der Bauer mit seiner Frau auf der Rundbank unter der großen Linde. Die Pfeife war längst ausgegangen und hing ihm schief im Mundwinkel, ein untrügliches Zeichen, daß er schlechter Laune war.
„Trina,“ begann er, „ich war so froh, als der Doktor zu uns kam, und glaubte seinen hochtönenden Versprechungen. Geholfen hat er nicht, stattdessen läßt er sich das Beste aus Küche und Keller geben, trinkt uns unseren Wein aus und prahlt, er sei es gewohnt, an Fürsten- und Königshöfen zu verkehren. Ich glaube, er ist nichts als ein Windbeutel!“
„Das habe ich längst festgestellt, aber weil du so große Hoffnung auf seine Heilkunst setztest, wollte ich sie dir nicht rauben,“ sagte die Bäuerin.
Peter, der unbemerkt herbeigekommen war, wurde unfreiwillig Zeuge dieser Unterredung. Er setzte eine hochmütige Miene auf, trat hervor und sprach:
„Undank ist der Welten Lohn, ich will aber nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Wenn du auch kein gebildeter Mann bist, Lindenbauer, so viel mußt du doch verstehen, daß man nicht in einem Monat heilen kann, was in hundert Monaten versäumt wurde. Ihr braucht jedoch deswegen nicht den Kopf hängen zu lassen, denn ich habe meine Nachtruhe geopfert und aus den kostbarsten und heilkräftigsten Kräutern des Orients einen Wundertrank gebraut, der unfehlbar hilft. Ich will ihn Euch für ein Spottgeld überlassen, nur ein lumpiges Goldstück sollt Ihr dafür bezahlen.“
Ganz langsam erhob sich der Lindenbauer von seinem Sitz: „So, so, Herr Doktor, nur ein ‚lumpiges‘ Goldstück? Nun, da will ich Euch lieber in frischgeschlagener Münze zahlen!“ Sprachs, holte einen dicken Eichenknüppel hervor und gerbte dem Peter nicht übel das Fell, indem er rief: „Da, Herr Beutelschneider, frischgeschlagene Münze!“
Diesmal war es dem Peter noch schlimmer ergangen, als im Walde. Er war froh, als er zum Tor des Lindenhofes hinaus war, und der erzürnte Bauer ihm seine sieben Sachen auf die Landstraße warf. Wie zum Hohn tönte ihm der Klang einer Fiedel ins Ohr.
Peter humpelte schnell davon. Kaum war er um die Wegbiegung verschwunden, da tauchten von der entgegengesetzten Richtung Fiedelfritz und das Glückspilzlein auf.
Der Lindenbauer steckte den Kopf zum Tor hinaus, und als er den Müllersohn daherkommen sah, lief er ihm entgegen und rief ein über das andere Mal: „Das ist aber lieb von dir, daß du Wort gehalten hast! Nun mußt du auch unser Gast bleiben!“ Auch Trina freute sich, den lustigen Gesellen kennenzulernen.
Eine fröhliche Zeit begann. Am Tage machte Fritz sich nützlich, packte überall an, wo es etwas zu tun gab, und nach Feierabend saß er mit den beiden Alten auf der Bank unter der Linde und spielte ihnen auf seiner kleinen Geige liebe, bekannte Lieder vor und sang dazu.
Eines Tages sagte Fritz zum Pilzkönig: „Mich dauert die arme Trina so sehr, gibt es denn kein Mittel, sie von ihrer Lähmung zu heilen?“
Da setzte der Kleine ein verschmitztes Lächeln auf und antwortete: „Du selbst hältst es in der Hand“, und der Esel, der sich bei ihnen befand, schrie ein über das andere Mal: „I-ah! I-ah! I-ah!“
„Ich?“ fragte Fritz verwundert.
„Ja, du! Wenn du heute abend fiedelst, so wünsche dir heimlich, daß Trina dazu tanzen soll, du mußt jedoch langsam und sinnig mit deinem Spiel beginnen.“
Als nach vollendetem Tagewerk die drei Menschen und das Glückspilzlein wieder unter der Linde saßen, begann Fiedelfritz ganz zart die Saiten zu streichen und tat dabei, wie ihm gesagt worden war. Es währte nicht lange, da machte Trina einige Bewegungen, die an einen Vogel erinnerten, der fliegen wollte. Die Augen des Lindenbauern wurden immer größer, als er nun sah, wie seine Frau sich langsam erhob. Anfangs waren ihre Bewegungen noch unsicher und schwankend, aber allmählich wurden sie immer sicherer, und schließlich begann sie die Füße im Takt zu bewegen.
Langsam, fast unmerklich, steigerte Fritz das Tempo, und Trina drehte sich dazu im Takt.
Dem Lindenbauer blieb vor Staunen der Mund weit offenstehen, dann erhob er sich, faßte seine Trina unter, und jetzt spielte Fiedelfritz: „Ringel-Rangel-Rosenkranz, ich tanz mit meiner Frau“, die Melodie allmählich schneller und schneller werden lassend, bis beide wie verjüngt über die Wiese wirbelten.
Die Musik verstummte.
Arm in Arm gingen Bauer und Bäuerin zu dem lustigen Spielmann zurück. Sie konnten das große Wunder gar nicht fassen. So viele hatten all ihre Kunst vergeblich aufgeboten, und nun kam ein einfacher Müllergeselle mit einem unverdorbenen Herzen und fröhlichem Gemüt daher, setzte seine kleine Geige an und fiedelte die Lahme im Handumdrehen gesund!
Die beiden Alten wollten den lieben Gast nun gar nicht wieder fortlassen, aber endlich war doch die Abschiedsstunde gekommen, und da es für das Glückspilzlein gar zu beschwerlich war, so weite Wege auf einem Bein zu hüpfen, hatte es sich auf Fritzens Hut gesetzt, die breite Krempe als Fußschemel benutzend.
Die Bauersleute hatten Fritz Geld geben wollen, doch davon wollte er nichts wissen, heimlich hatten sie ihm aber doch einen mit Goldstücken straffgefüllten Beutel in den Ränzel gesteckt.
Die Mär von Trinas wunderbarer Heilung verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und mancher Kranke wurde noch durch Fritzens lustige Fiedel geheilt.
Peter hatte sich inzwischen an König Gundermanns Hof begeben. Durch sein großspuriges