Das magische Buch 3 - Voodoo. Anne-Marie Donslund

Das magische Buch 3 - Voodoo - Anne-Marie Donslund


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der Klasse glotzen erst blöd zu mir und dann zu ihnen, während sie unruhig auf ihren Plätzen herumrutschen und zu tuscheln anfangen.

      Helena richtet sich auf und guckt zu Herrn Hein.

      „Wie gut Sie aussehen, Herr Hein“, sagt sie und alle haben ihre Aufmerksamkeit wieder bei ihm. Alle außer Anna. Sie guckt mich an und nimmt die Kopfhörer raus.

      „Wie heißt du?“, fragt sie leise.

      „Cecilie“, antworte ich. Von jetzt an ist es vorbei mit Cille!

      „Ok, ich nenne dich dann Ce!“, sagt Anna.

      „Ze?“

      „C-E! Dann bist du ein Sechser.“

      Mir läuft ein kalter Schauer den Rücken runter. Ihre schwarzen Augen bohren sich einen kurzen Augenblick in meine. Dann schüttelt sie mit dem Kopf, steckt die Kopfhörer wieder in die Ohren und dreht die Musik so laut auf, dass es fast die ganze Klasse hören kann. Ce. Das ist wirklich sechs. Und sie versteht auch etwas von Numerologie. Das kann kein Zufall sein.

      Meine Hand zittert, als ich meine Federtasche aus dem Rucksack nehme. Wie konnte sie überhaupt wissen, dass ich Zahlenmagie kenne? Vielleicht hatte sie meinen Zettel mit der Übersicht gesehen? Ich würde sie wirklich gerne fragen, aber ich traue mich nicht. Irgendetwas an ihr macht mich nervös. Vielleicht das ganze Schwarz.

      Helenas und Julies Blicke treffen meinen flüchtig, dann brechen sie in Gelächter aus und stecken ihre Gesichter ganz dicht zusammen.

      Alles ist neu. Ich bin ein Sechser. Aber irgendwie fühlt es sich trotzdem nicht gut an.

      Scheißtag

      So ein Scheißtag! Ich wusste ja, dass es nicht gut werden wird, aber es ist wirklich noch schlimmer geworden, als ich befürchtete.

      Dieses Jahr fängt offensichtlich der Schul-Ernst an. Nachdem Herr Hein uns eine Million langweilige Bücher, Kopien und Übersichten ausgeteilt hatte, kam unsere neue Englischlehrerin. Ich wusste nicht einmal, dass wir wechseln sollten... Jetzt haben wir Frau Madsen. Karin Madsen. Sie ist streng und geht davon aus, wir alle wären perfekt in Englisch. Einige sind das vielleicht auch, aber ich gehöre nicht dazu.

      Gleich zu Beginn sollten wir in zehn Minuten so viel über uns selbst aufschreiben, wie wir nur konnten – natürlich auf Englisch. Danach sollten wir es dann vorlesen. Frau Madsen sagte, damit sie uns etwas besser kennenlernen könnte. Julie und Helena haben rumgealbert, während sie schrieben, und auch Kasper und Hannes haben von der Bank hinter ihnen mitgemacht.

      Es ist so, als würden die vier jetzt zusammengehören. Komisch, wenn man bedenkt, dass ich am Strand gesagt hatte, dass Julie die war, die Kaspers Shirt geklaut hatte. Das ist ihm dann wohl egal, oder aber Julie und Helena haben erzählt, dass es gar nicht stimmt. Vielleicht haben sie sogar gesagt, ich hätte es gemacht.

      Jedenfalls hat Helena die ganze Zeit beim Schreiben mit Kasper geflirtet und er hat nicht einmal zu mir rübergesehen. Als die Zeit um war, fragte Frau Madsen, wer vorlesen möchte. Natürlich hat sich Helena gemeldet und als erste vorgelesen. Es ist auch nicht so, als hätte einer von uns anderen wirklich Lust gehabt vorzulesen und sich vor der ganzen Klasse zu blamieren.

      Helena im Gegenteil war wie immer souverän. Sie ging mit wehendem Pferdeschwanz zur Tafel und las in ihrem fehlerfreien Englisch vor. Sie berichtete, wie hart die Modelbranche sei und wie schwer es ist, dünn zu bleiben, dass man dafür aber auch unvergessliche Erfahrungen machen könne. Wenn es gut liefe, könne man um die ganze Welt reisen und ein Vermögen machen, vorausgesetzt man hat den perfekten Körper und das hübscheste Gesicht.

      Die ganze Klasse hat geklatscht, als Helena fertig war. Auch ich, aber nur ein bisschen. Anna hat als einzige nicht geklatscht. Frau Madsen hatte sie dazu verdonnert, ihren iPod wegzupacken, und als Helena fertig gelesen hatte, zog sie nur die Augenbrauen hoch und sah mich so an, als fände sie Helena fürchterlich platt.

      Dann ist etwas passiert, mit dem ich wirklich nicht gerechnet hätte. Anna hat sich gemeldet! Ihr Englisch ist richtig gut, noch besser als Helenas eigentlich, und sie las ein ordentliches Stück vor. Es ging um ihre Einstellung zu sich selbst und gegenüber der ganzen Menschheit. Es hörte sich ziemlich intelligent an. Ich hatte mir vorher jedenfalls noch nicht solche Gedanken gemacht. Und ich hätte auch sicher nicht gedacht, jemand wie Anna würde das tun. Sie hat Sachen gesagt, die Helena irgendwie lächerlich machten. Es war fast so, als hätte Anna direkt an Helena geschrieben.

      Sie sagte nämlich, sie fände es peinlich, wie Mädchen alles dafür tun würden ein bestimmtes Gewicht zu halten und einem falschen Schönheitsideal zu entsprechen, nur um in den Augen anderer zu gefallen. Sie hat auch gesagt, dass es falsch sei, sich so an Modetrends zu orientieren, wenn es doch genug Menschen gibt, die gar nichts zum Anziehen haben.

      Als Anna fertig war, herrschte Totenstille in der Klasse und Helena glich einer riesigen Gewitterwolke.

      Auf dem Weg in die Pause haben Helena und Julie mir den bösesten Blick überhaupt zugeworfen und als es wieder zum Reingehen geklingelt hat, gingen sie untergehakt ganz dicht an Annas und meinem Tisch vorbei. Julie hat „bitch“ zu Anna geflüstert, ohne sie anzusehen. Dann ließ sie ihren Blick über mich schweifen, ohne mich wirklich zu sehen.

      „Na sowas, Cille... Da hast du ja jemanden gefunden, der zu dir passt! Sie ist genauso hinterhältig wie du!“

      Ich habe fast keine Luft mehr bekommen und meine Augen füllten sich mit Tränen. Zum Glück konnte ich sie zurückhalten. Anna war vollkommen kalt. Sie guckte einfach nur völlig gleichgültig zu Julie und stöpselte sich wieder ihren iPod in die Ohren.

      Der erste Schultag ist immer kurz, und als wir fertig waren, ließ ich mir einfach noch etwas Zeit im Klassenraum, damit ich bloß nicht gleichzeitig mit Helena und Julie rausmusste.

      „Willst du nicht nach Hause?“, fragte Anna. Ich nickte nur, blieb aber sitzen. Dann ging sie auch. Am Ende war ich die letzte im Raum, aber als ich rauskam, stand Sven noch da und kramte in seinem Rucksack nach seinem Schlüssel. Er fand ihn irgendwann ganz unten.

      „Ist dein Fahrrad kaputt?“, fragte er. Ich zuckte nur mit den Schultern und ging weiter. Ich war schon oben an der Kreuzung, bevor er mich einholte. Er fuhr den ganzen Weg langsam neben mir her und sagte, er würde sich schon um mein Fahrrad kümmern.

      „Es ist nicht kaputt. Bis dann“, war das einzige, das ich sagte, bevor ich zu unserm Haus abbog.

      Es geht einfach nicht. Ich kann einfach nicht neben diesem Nerd sitzen. Aber das muss ich, falls ich beabsichtige, mich jemals wieder mit Helena und Julie zu vertragen. Sie hassen Anna ganz offensichtlich und wenn sie glauben, dass wir jetzt Freundinnen sind, dann hassen sie mich auch. Nicht nur jetzt, sondern für immer.

      Die Liebespuppen

      Mama steckt den Kopf zu meiner Zimmertür rein.

      „Du hast Besuch.“

      „Besuch?“

      „Vor der Tür steht ein rothaariges Mädchen und fragt nach dir.“

      „Anna“, sage ich und schwinge mich aus dem Bett.

      „Keine Ahnung, du solltest besser mal hingehen, aber denk dran, in einer halben Stunde musst du los zum Tanzen!“

      Tanzen! Das klang ganz gut, als Mama es vorschlug. Vor allem, weil ich zurzeit niemanden habe, mit dem ich reden und zusammensein kann. Es wirkte beinahe irgendwie vernünftig, etwas Neues anzufangen. Aber schon jetzt ist mir klar, es war eine dämliche Idee. Besonders weil Mama zu den Leuten gehört, bei denen es kein Zurück gibt. Hat man sich einmal angemeldet, muss man auch das ganze Jahr dabeibleiben. Ganz gleich, ob man es mag oder nicht. Deshalb habe ich im letzten Schuljahr auch nichts gemacht. Man traut sich nämlich gar nicht, sich irgendwo anzumelden, wenn man keine Chance hat, es wieder zu lassen. Und wie soll man wissen, ob einem etwas Spaß macht, bevor man es ausprobiert hat?

      Ich nehme einen Kaugummi aus der Packung von der Kommode und sehe mich in meinem Zimmer um. Das Magische Buch ist


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