Das Evangelium nach Lukas. Ambrosius von Mailand

Das Evangelium nach Lukas - Ambrosius von Mailand


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auch Christus erkennt. Denn nicht allein den Vater wahrhaft als Gott erkennen, ist ewiges Leben, sondern auch Christus als wahren Gott erkennen, als den Wahren vom Wahren, als Gott von Gott, ist unsterbliches Leben. Mottenfraß ist’s, Christus erkennen zu wollen ohne den Glauben an seine Gottheit oder ohne das Geheimnis seiner Menschheit. Eine Motte ist Arius, eine Motte ist Sabellius. Diese Motten duldet nur der Geist der Glaubensschwachen. Diese Motten duldet nur der Geist, der nicht glaubt, daß der Vater und der Sohn eins sind in der Gottheit. Das Schriftwort: „Ich und der Vater sind eins"95 zernagt, wer das „eins" durch die Annahme verschiedener Wesenheiten teilt. Diese Motte duldet nur der Geist, der nicht glaubt,„daß Christus im Fleische gekommen ist"96: und er selbst ist eine Motte; denn er ist ein Antichrist97. Die aber aus Gott sind, halten am Glauben fest und können darum die Motte nicht dulden, die das Kleid zerteilt. Denn alles, was unter sich geteilt ist, wie des Satans Reich, kann nicht ewig sein98.

       14.

      Es gibt auch einen Rost der Seele, wenn der scharfe Stahl des religiösen Eifers von der Kruste weltlicher Begierden belegt oder des Glaubens Reinheit von der Dunstschicht des Unglaubens getrübt wird. Ein Rost des Geistes ist die Begierde nach Hab und Gut; ein Rost des Geistes ist die Lauheit; ein Rost des Geistes ist ein Streben nach Würden, wenn man hierin das höchste Hoffnungsideal des gegenwärtigen Lebens setzt. Darum laßt uns, dem Göttlichen zugewendet, den Geist schärfen, die Begeisterung entflammen, daß wir jenes Schwert, das der Herr um den Erlös des Rockes zu kaufen heißt99, stets bereit und blank gleichsam in der Scheide des Geistes verwahrt zu halten vermögen! Denn die geistigen, tapfer „für Gott (kämpfenden) Waffen zur Zerstörung von Bollwerken“ 100 müssen den Streitern Christi stets zur Hand sein, damit nicht der Führer der himmlischen Heerschar101 bei seiner Ankunft über den Zustand unserer Waffen aufgebracht wird und uns vom Verband seiner Legionen ausschließt.

      2. Zacharias und Elisabeth; des Zacharias Opfer und Engelserscheinung, Luk. 1, 5―12

      

       Eltern und Ahnen der Stolz der Kinder. Die Ruhmestitel und der religiöse Erbadel des Täufers (15 f.). Die Möglichkeit eines sündelosen Lebenswandels nach Taufe und Bekehrung (17). Das „Gerechtsein vor Gott“: Gott urteilt nach der inneren Absicht, nicht nach dem äußeren Erfolg (18—20). Des Täufers Lob bei Lukas ein ,volles Lob' (21). Zacharias anscheinend ein Hoherpriester. Der durch das Los erkorene, wechselnde Hohepriester im Alten Bunde Typus des ewigen Hohenpriesters Christus im Neuen Bunde (22—23). Der biblische Begriff ‚erscheinen'. Theophanien, Engelserscheinungen. Vorbedingungen des Schauens Gottes und der Engel (24―27). Die ,Rechte' Metapher für Huld und Hilfe Gottes (28).

       15.

      [Forts. ] * „Es war in den Tagen des Herodes, des Königs von Judäa, ein Priester mit Namen Zacharias aus der Reihe Abias; und sein Weib war von den Töchtern Aarons und hieß Elisabeth. Beide waren gerecht und wandelten in allen Geboten und Urteilen des Herrn untadelig"102.*

      Es lehrt uns die Göttliche Schrift, daß bei Männern, die des Ruhmes würdig sind, nicht bloß dem sittlichen Wandel, sondern auch den Eltern Lob gebührt: wie ein überkommenes Erbe leuchtet an denen, welchen unser Lob gilt, der Vorzug makelloser Lauterkeit hervor. Was anders auch bezweckt der heilige Evangelist an unserer Stelle als den Ruhm aufzuzeigen, in welchem Eltern, Wunder, Wandel, Beruf und Leidenstod den heiligen Johannes erstrahlen lassen? So erfährt auch des heiligen Samuel Mutter Anna Lob103; so erbte Isaak von den Eltern den Adel der Frömmigkeit, den er auf die Nachkommen fortpflanzte. So war denn Zacharias „Priester", nicht bloß Priester, sondern auch „aus der Reihe Abias", d. i. eines Edlen von Geburt unter den Altvordern104.

       16.

      [Forts. ] „Und sein Weib war von den Töchtern Aarons." Also nicht bloß von den Eltern, sondern auch von den Altvordern leitet sich der Adel des heiligen Johannes her: nicht von weltlicher Machthoheit strahlend, sondern ehrwürdig als religiöser Erbadel. Solche Vorfahren nämlich waren dem Vorboten Christi vonnöten, damit es offenbar würde, daß er den Glauben an die Ankunft des Herrn, den er verkündete, nicht von ungefähr angenommen, sondern von den Vorfahren überkommen und gleichsam von Natur eingepflanzt erhielt.

       17.

      „Es waren beide gerecht und wandelten in allen Geboten und Urteilen des Herrn untadelig." Was sagen hierzu jene, die als Schild über ihre Sünden den Trostgedanken halten105, es könne der Mensch nicht ohne häufiges Sündigen leben, und hierfür auf den Schriftvers im Buche Job sich beziehen: „Niemand ist rein von Makel, und selbst wenn sein Leben nur einen Tag dauerte; eine große Zahl von Monden auf Erden hängt von ihm (Gott) ab"106. Diesen nun ist zunächst entgegenzuhalten, sie mögen genau den Sinn der Worte angeben: „der Mensch sei ohne Sünde"; heißt das: er habe überhaupt niemals gesündigt, oder: er habe zu sündigen aufgehört? Halten sie nämlich das „ohne Sünde sein" gleichbedeutend mit ‚aufgehört haben zu sündigen', bin auch ich einverstanden ― „denn alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes"107 ― leugnen sie aber, daß derjenige von Verfehlungen sich freihalten könne, welcher die frühere Verirrung gut gemacht und zu einer Lebensweise sich durchgerungen hat, die ihm die Meidung der Sünde ermöglicht, kann ich ihrer Ansicht nicht beipflichten, weil wir lesen: „So hat der Herr die Kirche geliebt, daß er selbst sich dieselbe herrlich darstellte, ohne Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen, daß sie vielmehr heilig und fleckenlos sei"108. Da nämlich die Kirche aus Heiden, d. i. aus Sündern gesammelt ward, wie könnte sie aus Sündebefleckten fleckenlos sein, wenn nicht in erster Linie auf Grund der Gnade Gottes, weil von Schuld rein gewaschen; sodann auf Grund der Enthaltsamkeit von weiterer Schuld kraft der Fähigkeit zum Nichtsündigen? Also nicht von Anfang war sie makellos ― das ist der menschlichen Natur unmöglich ― ihre Makellosigkeit erklärt sich vielmehr aus der Gnade Gottes und der eigenen Fähigkeit, nicht mehr zu sündigen.

       18.

      Nicht umsonst nannte sie (der Evangelist) „gerecht vor Gott109, wandelnd in den Geboten und Urteilen des Herrn". Er redet also hier vom allmächtigen Vater und dem Sohne. Daß der Sohn es ist, der das Gesetz gegeben, die Gebote vorgeschrieben, erklärt hiermit auch der heilige Evangelist. Und zutreffend heißt es: „gerecht vor Gott". Denn nicht jeder, der vor dem Menschen gerecht ist, ist auch vor Gott gerecht. Anders sehen die Menschen, anders Gott: die Menschen ins Gesicht, Gott ins Herz. Und so kann es geschehen, daß mir einer, der sich vor den Leuten als gut ausgibt, als gerecht erscheint, aber nicht gerecht vor Gott ist, wenn seine Gerechtigkeit nicht der Ausdruck der unverfälschten Gesinnung wäre, sondern auf heuchlerischer Verstellung beruhte; denn das Verborgene in ihr vermag der Mensch nicht zu schauen. Das vollkommene Lob liegt darum im „Gerechtsein vor Gott". Daher auch des Apostels Beteuerung: „(Das ist ein Jude,) dessen Lob nicht aus Menschen, sondern aus Gottes Mund kommt"110. Selig fürwahr, wer in den Augen Gottes gerecht ist! Selig, wen der Herr des Wortes würdigt: „Sieh, ein wahrer Israelite, in welchem kein Falsch ist!"111 Ein wahrer Israelite nämlich ist, wer Gott schaut und weiß, daß er von Gott geschaut wird, und ihm das Verborgene des Herzens aufdeckt112. Denn nur der ist ein vollkommener Mensch, der von jenem erprobt erscheint, der nicht getäuscht werden kann. Denn „die Urteile des Herrn sind wahr"113, die Urteile der Menschen aber beruhen oft auf Täuschung, so daß sie häufig ebenso Ungerechten den Vorzug der Gerechtigkeit zuschreiben, wie sie den Gerechten mit Haß verfolgen oder mit Lüge anschwärzen. „Der Herr aber kennt die Wege der Makellosen"114 und hält den, der Lob verdient, nicht für einen Sünder und den Sünder nicht für des Lobes würdig, sondern (beurteilt) jeden nach Maßgabe der in Frage kommenden Verdienste; denn er ist Zeuge des Denkens und Handelns zugleich. Gottes Urteile bemessen das Verdienst des Gerechten nach der Beschaffenheit seiner Absicht, keinesfalls nach dem Ausgang seines Handelns. Vielfach wird ja eine gute Absicht durch den Ausgang einer anfechtbaren Handlung verkannt oder aber ein ruchloser Gedankenanschlag durch eine glänzende


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