Seewölfe - Piraten der Weltmeere 670. Davis J.Harbord
Impressum
© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-96688-084-8
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Davis J. Harbord
Ein Schiff voller Narren
Ihr Schiff heißt „Respectable“ – aber „Affenkasten“ wäre treffender …
„Respectable“, so hieß die viermastige englische Galeone mit den drei Decks, und sie war wahrhaftig respektabel mit ihren schweren Brummern im untersten Deck sowie den mittleren und leichteren Stücken in den beiden Decks darüber.
Wer ihr auf See begegnete, tat gut daran, die Hacken, das beißt, das Heck zu zeigen. Allerdings – das Brachialgewalt verkündende Äußere dieses Kriegsschiffes täuschte.
Aber wer wußte das schon!
Denn an Bord herrschte kein guter Geist. Das hing mit der mehr als zweihundertköpfigen Besatzung zusammen, die zum größten Teil von Preßgangs an Bord verschleppt worden war, und mit jenen Lordschaften, denen vom Achterdeck aus die Schiffsführung oblag. Da waren widersprüchliche oder unsinnige Befehle leider die Regel, und das Schiffsvolk hatte das auszubaden.
Neu an Bord waren fünf Männer, denen vor staunendem Entsetzen die Sprache wegblieb, dabei waren sie keineswegs auf den Mund gefallen …
Die Hauptpersonen des Romans:
Sir Thomas Carnavon – umgeben von einer Adelsblase hat er es als Kommandant der „Respectable“ schwer, sich durchzusetzen.
Lord Hyram Scaleby – sein Erster Offizier gibt zwar Befehle, aber in der Regel die verkehrten.
Sir Godfrey Ballantine – der Zweite Offizier ist immer gleich eingeschnappt, wenn jemand über ihn etwas zu sagen wagt.
Bennet Whistler – der Profos der „Respectable“ ist ein Monster, aber dann nur noch ein Wrack.
Clinton Wingfield – ein cleverer „Pulveraffe“, den es zu den Arwenacks zieht.
Edwin Carberry – hat eine gute Idee, durch welche sich die „Respectable“ in ein Tollhaus verwandelt.
Inhalt
1.
Auf See, Küste nördlich von Goa, Ende Juli 1599.
Die fünf „Neuen“ auf der „Respectable“ hießen Dan O’Flynn, Edwin Carberry, Ferris Tucker, Roger Brighton und Smoky. Freiwillig waren sie nicht an Bord dieses Schiffsmonsters mit den drei Decks. Mitnichten!
Sie waren unter dem lauen und dehnbaren Begriff „Kriegsrecht“ sozusagen requiriert worden, wobei nun wirklich völlig schleierhaft war, gegen wen die Schiffsführung eigentlich Krieg zu führen gedachte oder mit wem sie sich im Kriegszustand befand.
Denn es konnte ja wohl kaum sein, daß sich das Tausende von Meilen entfernte kleine England unter Elisabeth I. erdreistete, gegen das riesige indische Reich zu Felde zu ziehen. Ganz davon abgesehen, daß auf der britischen Insel in der Nordsee kaum jemand wußte, wo dieses Indien genau lag, was dort für Menschen lebten und wer sie beherrschte.
Darum ja hatte die englische Königin Sir Philip Hasard Killigrew beauftragt, für die Krone dort zu sondieren und den Versuch zu unternehmen, Handelsbeziehungen mit diesem sagenhaften reichen Land jenseits von Afrika anzuknüpfen.
Den ersten Augenzeugenbericht – allerdings von Ostindien – hatte Francis Drake nach England gebracht, als er 1580 von seiner Weltumsegelung zurückkehrte. Aber das war fast schon wieder Legende geworden.
Als der Seewolf den Sondierungsauftrag übernommen hatte, war ihm von der Königin nicht gesagt worden, daß sie auch die Absicht hätte, ein oder mehrere Kriegsschiffe an die Westküste Indiens zu schicken. Wie auch immer – wenn auch die Lordschaften auf der „Respectable“ im königlichen Auftrag nach Indien gesegelt waren, dann hatte sich die Königin schlecht beraten lassen.
Denn diese Lordschaften waren samt und sonders ungeeignet für ein solches Unternehmen, das nämlich neben hervorragenden seemännischen und nautischen Fähigkeiten auch diplomatischen Takt und Fingerspitzengefühl verlangte.
An allem mangelte es jedoch dieser sogenannten Schiffsführung – vom Kommandanten, Sir Thomas Carnavon, herunter bis zum Dritten Offizier, einem Leuteschinder namens John Macleod of Dunvegan-Castle.
Genau diesem Leuteschinder standen die fünf Arwenacks gegenüber, kaum daß sie an Bord des Viermasters geentert waren. Zähneknirschend, versteht sich, wobei schon jetzt völlig klar war, daß sie bei der erstbesten Gelegenheit desertieren würden.
Der Dritte, ein krummnasiger, hagerer Mensch mit weißgepudertem Gesicht und einem schwarzen Biberhut auf dem Kopf, musterte sie der Reihe nach von oben bis unten, stelzte sogar um sie herum, um sie auch von hinten zu begutachten, und es fehlte nicht viel, daß er sich auch ihre Zähne zeigen ließ, wie das die Roßhändler auf dem Markt tun, wenn sie einen Gaul kaufen wollen.
Die fünf Arwenacks standen in Reihe, Edwin Carberry am rechten Flügel, neben ihm der riesige Ferris Tucker, dann Dan O’Flynn, Roger Brighton und Smoky.
O ja, sie waren fünf prächtige Mannsbilder, ohne Furcht und Tadel, geradegewachsen, tiefbraungebrannt und ohne ein Gramm Fett zuviel an den muskulösen Körpern.
„Name?“ fuhr der Dritte den Profos der Arwenacks an.
„Edwin Carberry, Sir!“ brüllte der Profos zurück, so daß der Dritte prompt zurückprallte – etwas zu hastig, denn der lächerliche Biberhut rutschte ihm vom Kopf und segelte auf die Planken.
Der Dritte wurde rot unter seiner Pudertünche.
„Aufheben!“ kreischte er.
Carberry rührte sich nicht. Er stand wie ein Fels, der Blick seiner grauen Augen war an dem Dritten vorbei auf die See gerichtet, dorthin, wo die Schebecke segelte. Sie steuerte südwärts.
Der Dritte wagte sich einen kleinen Schritt vor und brüllte ihn an: „Du sollst meinen Hut aufheben, du Dreckskerl!“
„Ich heiße Carberry, Sir“, sagte der Profos, „nicht Dreckskerl. Und Sie dürfen mich freundlich darum bitten, Ihren Deckel aufzuheben. Oder haben Sie’s im Kreuz? Da empfiehlt unser Kutscher, der auch ein exzellenter