Berufsbezug in südeuropäischen DaF-Hochschulcurricula vor und nach der Krise von 2008. Matthias Prikoszovits
und/oder Insolvenz eines Finanzvermittlers.
Während in Garzantis Enzyklopädie eine Wirtschaftskrise in einem gewissen zeitlichen Kontext – konkreter einem wirtschaftlichen Zyklus – verortet wird, dient der Terminus Finanzkrise dazu, die Auswirkungen einer Rezession auf den Staatshaushalt, die Währung und die Banken zu beschreiben. Für die 2008 begonnene Krise trifft mit Blick auf den südeuropäischen Raum Sämtliches zu. Vor allem in Spanien folgte die Rezession auf eine sehr prosperierende Phase, in ganz Südeuropa wiederum hatte und hat diese Rezession Auswirkungen auf den Staatshaushalt, die Währung (also den Euro) und die Banken3.
Für die mit diesem Band verfolgten Zwecke ist eine genaue Unterscheidung also nicht wesentlich und die Begriffe Wirtschaftskrise, Finanzkrise und Rezession werden ohne Bedeutungsunterschied nebeneinander gebraucht. Die Termini Schuldenkrise, Währungs- bzw. Eurokrise und Bankenkrise, die mit Blick auf die wirtschaftliche Lage im südeuropäischen Raum sehr relevant sind, werden hier jedoch nicht einzeln verwendet, sondern sind eingeschlossen, wenn von Rezession, Wirtschaftskrise, Finanzkrise und generell Krise die Rede ist.
(2) Fokus Südeuropa
In der vorliegenden Arbeit wird die 20084 ausgebrochene Wirtschaftskrise in Verbindung mit einem geografischen Raum gebracht, den sie mit besonderer Härte getroffen hat. An dieser Stelle folgen also geografisch-ökonomische Ausführungen, die verdeutlichen, welche Folgen die Wirtschaftskrise für den südeuropäischen Raum und insbesondere für Italien und Spanien (gehabt) haben.
Im gesamten Sammelband PASADO Y PRESENTE. De la Gran Depresión del siglo XX a la Gran Recesión del siglo XXI (Martín-Aceña, 2011)5 wird die Wirtschaftskrise der späten 2000er Jahre („Große Rezession“) hinsichtlich ihrer Tragweite und ihrer Folgen der Krise der späten 1920er Jahre („Große Depression“) Seite an Seite gestellt. In den achtzig Jahren zwischen diesen beiden globalen Ereignissen gab es keine weitere globale Wirtschaftskrise vergleichbaren Ausmaßes.
Die weltweit einzigartige Geschichte der südeuropäischen Länder und der daraus resultierende beachtliche kulturelle Reichtum stehen gegenwärtig bekanntlich großen sozialen und ökonomischen Schwierigkeiten gegenüber. Die für Industrienationen charakteristischen Entwicklungsphasen etwa in den Bereichen Politik und Wirtschaft verliefen in Staaten wie Portugal, Spanien, Italien und Griechenland bis ins 20. Jahrhundert hinein nur schleppend. Obgleich heute industrialisiert (s. Abb. 9), sind dort soziale und wirtschaftliche Instabilitäten und Ungleichgewichte trotz EU-Beihilfen bis in die Gegenwart nicht überwunden worden, was durch die Wirtschaftskrise, welche die südeuropäischen Staaten in eine sehr heikle Lage gebracht hat, erneut offenkundig wurde (s. Azcárate Luxán & Sánchez Sánchez, 2013, S. 318). Bei den Folgen dieser als heikel beschriebenen Lage setzt die vorliegende Arbeit an und fokussiert dabei die Auswirkungen auf den Bildungsbereich.
Wie in vielen Staaten Europas folgte den schwierigen 1940er und 1950er Jahren auch in den südeuropäischen Ländern ab den 1960er Jahren eine in vielerlei Hinsicht schwungvolle Phase, die jedoch vor allem in Südeuropa ab dem Jahr 2007 abrupt endete (s. ebd., S. 323), was verdeutlicht, dass die Krise der späten 2000er Jahre der erste große und drastische Einbruch im Aufwärtstrend der Länder Südeuropas war. Bis 2007 ist das Pro-Kopf-Einkommen in den südeuropäischen Staaten deutlich schneller gewachsen als in anderen Teilen Europas. Pérez García (2011, S. 274) zufolge ist Spaniens Wirtschaft seit den 1950er Jahren in einem Kontext starker Expansion der Weltwirtschaft kräftig gewachsen. Spanien sei schneller als die Mehrheit der großen, entwickelten Wirtschaften gewachsen, aber langsamer als die Schwellenländer (z. B. Brasilien, China, Indien; Abb. 1, Schaubild a), also die großen Protagonisten der internationalen Marktexpansion der 1990er Jahre. In Spanien hätten sich ab Mitte der 1990er Jahre bis 2007 parallel zu einer Expansion jedoch Ungleichgewichte und Instabilitäten angehäuft (ebd., S. 273–274). Der Kombination aus Expansion und Instabilität in der zyklischen Laufbahn der zeitgenössischen Wirtschaften attestiert Pérez García (ebd., S. 274) eine gewisse Häufigkeit. In Spanien sei das strukturelle Defizit jedoch zunächst verborgen geblieben (ebd., S. 293).
Während sich von 1995 bis 2007 das Bruttoinlandsprodukt in Italien und vor allem in Spanien positiv entwickelte, schrumpfte es nach 2007 in beiden Ländern deutlich. Die Schwellenländer China und Indien konnten ihre Raten nach 2007 im sehr hohen Bereich halten, während etwa das brasilianische Bruttoinlandsprodukt nach 2007 sogar deutlich wuchs (Abb. 1, Schaubild b).
Jährliche kumulierte Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts. Internationaler Vergleich (in Prozent)6
Ab den 1970er Jahren gelangen den Staaten Südeuropas im Zuge eines gesamteuropäischen Aufwärtstrends bedeutende Schritte in Richtung Demokratisierung, Industrialisierung sowie landwirtschaftlicher und politischer Modernisierung. Vor allem konnte auch der Tourismussektor gestärkt und ausgebaut werden. Zu diesen positiven Entwicklungen, die durch die Rezession der späten 2000er Jahre gebremst wurden, führten unter anderem die EU-Beitritte der einzelnen Länder. An den Folgen der Rezession, dazu gehören Verarmung, hohe und wachsende Arbeitslosigkeit oder Deindustrialisierung, zeigen sich die bis heute nicht überwundene wirtschaftliche Verletzlichkeit sowie die unvollständig realisierte Modernisierung der südeuropäischen Staaten (s. Azcárate Luxán & Sánchez Sánchez, 2013, S. 320).
Mit Blick auf die Veränderungen am Arbeitsmarkt führen Azcárate Luxán und Sánchez Sánchez (ebd., S. 324) weiter aus, dass die 2008 begonnene Krise die hohe Zerbrechlichkeit der Wirtschaften des Südens gezeigt hat. Die Zahlungsfähigkeit der Länder beschreiben sie als durch finanzielle Schwierigkeiten und das Abwandern zahlreicher Firmen bedroht. Als Folge nennen sie drastische Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben. So wurden etwa auch die Ausgaben im Bildungssektor stark gekürzt (s. Prikoszovits & Springer, 2018, S. 753).
Die Abbildungen 2 und 3 zeigen die angespannte Situation am Arbeitsmarkt, die sich durch den Krisenausbruch 2008 ergeben hat, in den in dieser Arbeit relevanten Staaten Italien und Spanien. Ebenso wird in den Schaubildern ersichtlich, dass in anderen Ländern die Folgen weniger drastisch ausfielen.
Beschäftigungsvariationsraten. Internationaler Vergleich (in Prozent)7
Laut Pérez García (2011, S. 276) hat sich Spanien bis 2007 durch die Intensität, mit der es neue Arbeitsplätze geschaffen hat, von anderen Staaten unterschieden, ab 2008 sodann jedoch durch die Schnelligkeit, mit der es diese Arbeitsplätze wieder zerstört hat. Dies geht sehr deutlich aus Abb. 2 hervor, in der Spanien von 1995 bis 2007 in Schaubild a ganz rechts – also im Bereich der höchsten Schaffung von Arbeitsplätzen – bei nahezu 4 % rangiert, in Schaubild b der Abb. 2 von 2007 bis 2010, einem sehr kurzen Zeitraum also, jedoch ganz links im Bereich des größten Verlusts von Arbeitsplätzen (nahezu -4%). In Italien stellt sich die Situation in denselben Zeiträumen sehr ähnlich dar, wenn auch weniger deutlich ausgeprägt (1995 bis 2007: knapp über 1 %; 2007 bis 2010: nahezu -1%).
Schaubild a in Abb. 3 zeigt, dass in Spanien die Zahl erwerbsfähiger Personen („población activa“, dünne obere Linie) nach 2008 tendenziell leicht gestiegen ist, die Zahl tatsächlich erwerbstätiger Personen („población ocupada“, dicke untere Linie) jedoch stark gesunken. Die Arbeitslosenrate ist in Spanien nach 2008 von knapp über 8 % bis auf 20 % in den ersten Quartalen von 2010 drastisch gestiegen, wie aus Schaubild b in Abb. 3 hervorgeht. Aus den soeben beschriebenen Missständen im Südeuropa der Folgejahre der Rezession ergibt sich das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit.
Auswirkung der Krise auf die Beschäftigung. Spanien, 4. Quartal 2007–2. Quartal 2010 (in Prozent)8
1.2 Allgemeines Erkenntnisinteresse1
Die junge Bevölkerung Südeuropas sah sich von den Folgen der Rezession mehrfach betroffen: Auf der einen Seite schlitterte die Alterskohorte der unter 25-Jährigen mit außerordentlich hoher Wucht in die Arbeitslosigkeit2,