Der Bildschnitzer von Würzburg (Historischer Roman). August Sperl

Der Bildschnitzer von Würzburg (Historischer Roman) - August Sperl


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vom zarten Rosenkränzlein, unter dem die Fülle der Locken kunstvoll aus die feinen Schultern herabwallte, über das unsäglich süße Antlitz, das mit schmerzlichem Kinderlächeln wie bittend zu ihm herüberblickte, über den wundersamen Faltenwurf, aus dessen weiten Ärmeln die zarten Handgelenke, die überschlanken Hände herauswuchsen und mit unbeschreiblicher Anmut den rosengefüllten Schoß rafften – ? bis auf den Saum des Gewandes, unter dem eine Sandale mit nacktem, feingeädertem Fuß zur Hälfte hervorlugte. Alle Anmut des eben erst aus dem Kinde emporgeblühten Weibes, der Schimmer unberührter Unschuld leuchtete gleichsam aus der Nische hervor, und es schien, als zuckten unter dem flackernden Kerzenlichte dann und wann die zartgetönten, lebenswarmen Augen, als ginge es, halb wie Lächeln, halb wie verhaltenes Weinen über das rührend schöne Antlitz, als bewegten sich die Hände und wollten die Rosen fester drücken in die schützenden Falten.

      Der Bischof regte sich nicht. Zur Seite hinter ihm stand Lorenz Fries. Der hatte die knochigen Hände gefaltet und blickte unverwandt auf das Bildnis.

      Endlich sagte der Bischof in lateinischer Sprache, halb für sich, halb zu seinem Vertrauten: »Beim Zeus, ein wundersames Kunstwerk, weit über meine Erwartung schön. Freilich, irdische Weiber kann er nicht schaffen, dieser Meister. Immer sind's Heilige, denen der irdische Leib fehlt. Wäre man aber versucht, auf die Knie zu sinken und die Göttin anzubeten, dann lacht uns dennoch – ei sieh nur – aus dem Grübchen am Kinn das erdgeborene Weib in die Augen.«

      »Es ist gut, Meister,« wandte er sich an den Künstler, »ich wünsche dieselbe Statua in meine Kirche zu stellen und gebe Euch – es wird genügen – drei Monate Zeit für die Arbeit.«

      Tilmann ging mit schweren Schritten an den Tisch und stellte den Leuchter nieder. Er stützte sich mit geballten Händen auf die Tischkante: »Eure bischöfliche Gnaden wollen huldvoll verzeihen, ich kann diese Statua nicht zum zweiten Male schnitzen.«

      Da stampfte der Bischof, und es kam grollend aus seiner mächtigen Brust: »Mir scheint nun allerdings, daß Ihr Euch meinem Wunsche versagt. Daher halte ich mich an das, was vorhanden ist, und kaufe diese Statua für meine Kirche. Den Preis möget Ihr nach Eurem Belieben bestimmen. Sekretarius Fries wird das Weitere besorgen.«

      Ohne Gruß wandte er sich zur Türe. Eine herrische Handbewegung wies die Begleitung des Meisters zurück.

      Bischof und Sekretär gingen die ächzenden Treppen hinab. Tilmann Riemenschneider aber sank auf den Stuhl, legte die Stirne aus den Tisch und barg sein Haupt zwischen den Armen. –

      Mit leisen Schritten, als wandle er auf Katzenpfoten, kam der Lautenschläger aus der Nebenkammer. Der Meister hörte ihn nicht oder wollte nicht hören. Schleichend ging der dunkle Geselle an die offene Nische und stand nun regungslos vor dem Bilde – wie vorhin der Bischof.

      Nach einer Weile begann er halblaut: »Warum hat sich Seine fürstliche Gnaden wohl der lateinischen Sprache bedient und warum hat sein Sekretarius so seltsam gelächelt?«

      Der Meister hob das Haupt und sagte müde: »Bermeter, habt Ihr die Rede des Bischofs verstanden?«

      In diesem Augenblick trat Bille ein, blieb in holder Erstarrung und sah wie verzückt auf das Bild ihrer seligen Patin, das sie noch niemals geschaut hatte.

      Bermeter hüstelte, als stäke ihm etwas im Halse. Dann sagte er zögernd: »Man hat nicht umsonst schon im zwölften Lebensjahre seinen Terenz vom Blatte gelesen.«

      Der Meister stand auf und schob den Gesellen zur Seite. Mit beiden Armen griff er in die Wände rechts und links. Lautlos rollten die Türflügel zusammen, und mit dem leisen, hellen Klingen einer verborgenen Feder schloß sich die Nische.

      »Lösche die Wandlichter, Bille! Und jetzt, Bermeter, was hat der Bischof gesagt?«

      Ein hämisches Lächeln ging über das hübsche Gesicht; er strich, als wäre er in Verlegenheit, über das schwarze Schnurrbärtchen: »Meister, es war gewiß nicht für Eure Ohren bestimmt. Er hat es ja nur so nebenhin zu Herrn Lorenz Fries geäußert. Erlaßt mir's!«

      Meister Tilmann trat vor den Gesellen, umklammerte seine Arme und keuchte: »Ich will es wissen!«

      Der Geselle wand sich wie eine gefangene Katze: »Je nun, wenn Ihr mich so hart angreift! Aber ich rat' Euch gut, sagt's dem Lorenz Fries nicht. Der hält doch nur zum Bischof!« Seine flackernden Augen wichen dem todernsten Blicke des Meisters aus. »Je nun, er hat die Statua hoch gelobt; sie sei wie geschaffen für seine Kirche und den Altar.«

      »Und –?«

      »Wie geschaffen –. Ich dächte, das könnte Euch genügen.«

      »Und –?« Der Meister schüttelte ihn.

      Mit einem Ruck entwand sich ihm der dunkle Geselle, und ein böses Lächeln verzerrte sein Gesicht. »Eine Heilige mit hübscher Larve, gleichsam ölduftenden Ringelhaaren, entsetzlich langen Spinnenfingern und einem Kropf. Denn jede Riemenschneidersche hat einen Kropf. Und stell' dir vor, wie qualvoll der Atem pfeifen müßte aus einer Lunge, die eingepreßt wäre unter diese zusammengedrückte Flachbrust. Eine in tausend Falten und Fältchen gehüllte Heilige, aber, beim Jeus – kein Weib.«

      »Es ist gut – ich danke Euch,« sagte Tilmann und wandte sich ab.

      »Ihr habt's gewollt,« murmelte der Geselle und schlich aus der Stube.

      Das Mädchen aber warf einen erschrockenen Blick aus den alten Mann und huschte dem Gesellen nach aus der Türe.

      »Bermeter!« rief sie halblaut in die Tiefe.

      Der Kopf des Gesellen erschien von unten her über dem Geländer der Biegung, und sein Gesicht war im vollen Lichte einer Wandkerze.

      »Bermeter!« Das Mädchen war ein paar Stufen herabgekommen und beugte sich über das Geländer. »Das hast du gelogen! Ich bin doch in der Nische dort gestanden und habe gehört, was der Bischof im Herabgehen zum Sekretarius gesagt hat.«

      Bermeter lachte lautlos: »Lateinisch oder deutsch?«

      Erregt flüsterte sie dicht über seinen flackernden Augen: »Gut deutsch hat er's gesagt: Fries, mir war's doch, als müßte die wundervolle Statua sogleich von ihrem Sockel herabsteigen. Keine Heilige, sondern ein entzückendes Weib.«

      Bermeter war mit Katzenschritten emporgekommen. Jetzt stand er nur noch eine Stufe tiefer als das Mädchen und flüsterte mit heißem Atem dicht vor ihr: »Keine Heilige, sondern ein entzückendes Weib – ganz richtig, Schatz!«

      Sie rührte sich nicht von der Stelle. Sie beugte nur den Kopf in den Nacken, als wollte sie sich wehren. Aber ihre dunklen Augen flackerten unter den halbgeschlossenen Lidern, flackerten ihm lockend entgegen. Nur die roten Lippen zuckten mitleidig: »Der arme Meister, nun sitzt er wieder halbe Tage lang in Schwermut – ich muß es ihm sagen, daß du gelogen hast!«

      Da trat er auf ihre Stufe und umschlang sie. Willenlos hing sie in seinen Armen und duldete seine Küsse: »Laß mich – du! Der Meister kommt!«

      »Auch recht,« sagte Bermeter, drückte sie noch einmal wild an sich und begann langsam rückwärts abzusteigen.

      »Ich hab' dir doch schon gesagt, du sollst mich nicht küssen, wenn ich nicht will,« zürnte sie mit lachenden Augen und ordnete ihre Haare.

      »Sehr gut, Schatz!«

      »Meinst wohl, du kannst mit mir machen, was du willst?« ereiferte sie sich.

      Leise lachte der dunkle Geselle und trällerte im Hinabgehen vor sich hin:

      Mütter, sagt es euern Kindern:

       wer sich einmal küssen ließ,

       kann's das zweitemal nicht hindern

       – arme Kinder, merkt euch dies.

      Kindlein, nur den kleinen Finger

       gebt uns – nichts bedarf es mehr –

       und schon zieht euch der Bezwinger

       willenlos so kreuz als quer.

      Spinnlein lauert


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