Am Ende sterben wir sowieso. Adam Silvera

Am Ende sterben wir sowieso - Adam Silvera


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verdammter Clown und vielleicht noch auf Spaß aus. »Kapiert?«

      Peck nickt.

      Ich lasse seinen Hals los. Dann ziehe ich ihm das Handy aus der Tasche und werfe es gegen die Wand, sodass das Display zerspringt. Malcolm tritt darauf.

      »Los, verpiss dich.«

      Malcolm packt mich an der Schulter. »Lass ihn nicht gehen. Er hat doch die ganzen Connections.«

      Peck schiebt sich nervös an der Mauer entlang, als würde er im obersten Stock eines Wolkenkratzers von einem Fenster zum nächsten klettern.

      Ich schüttele Malcolm ab. »Ich hab gesagt, du sollst dich verpissen

      Peck rennt los und flüchtet in einem schwindelerregenden Zickzackkurs. Er dreht sich nicht einmal um, um zu sehen, ob wir ihm folgen. Auch seine Comics und den Rucksack lässt er zurück.

      »Du hast doch gesagt, er wär mit ein paar Typen aus so ’ner Gang befreundet«, sagt Malcolm. »Was, wenn er die auf dich hetzt?«

      »Es ist keine echte Gang und er gehört auch nicht richtig dazu. Vor einer Gang, die Peck aufnimmt, braucht man sowieso keine Angst zu haben. Außerdem kann er sie oder Aimee ja nicht mehr anrufen, dafür haben wir gesorgt.« Er darf Aimee nicht vor mir erreichen. Ich muss es ihr erklären, aber wenn sie rauskriegt, was ich getan habe, will sie mich vielleicht nicht mehr sehen, Abschiedstag hin oder her.

      »Der Todesbote kann ihn jetzt auch nicht mehr anrufen«, sagt Tagoe und sein Nacken zuckt zweimal.

      »Ich hatte nicht vor, ihn umzubringen.«

      Malcolm und Tagoe schweigen. Sie haben gesehen, wie ich auf Peck losgegangen bin, als wäre ich nicht mehr zu bremsen.

      Die ganze Zeit über zittere ich.

      Ich hätte ihn umbringen können, obwohl das nicht der Plan war. Ich weiß nicht, ob ich damit hätte leben können, wenn ich ihn kaltgemacht hätte. Nee, das stimmt nicht und das ist mir auch klar, ich versuch bloß, den harten Typen zu spielen. Aber ich bin nicht hart. Ich konnte ja kaum weiterleben, als meine Familie umgekommen ist – und daran war ich noch nicht mal schuld. Ich wäre auf keinen Fall cool geblieben, wenn ich jemand totgeschlagen hätte.

      Ich laufe zu unseren Fahrrädern. Mein Lenker hat sich in Tagoes Speichen verfangen, als wir nach der Verfolgungsjagd auf Peck unsere Räder hingeschmissen haben. »Ihr dürft nicht bei mir bleiben«, sage ich, während ich mein Rad aufhebe. »Das ist euch klar, oder?«

      »Nee, wir bleiben bei dir, auch …«

      »Auf keinen Fall, Alter! Ich bin eine tickende Zeitbombe, und selbst wenn ihr nicht mit hochgeht, sobald es bei mir so weit ist, verbrennt ihr euch vielleicht – im wahrsten Sinne des Wortes.«

      »Du wirst uns nicht los«, sagt Malcolm. »Wir gehen, wohin du gehst.«

      Tagoe nickt, wobei sein Kopf nach rechts zuckt, als würde sein Körper seinen Instinkt, mir zu folgen, Lügen strafen. Er nickt noch mal, diesmal ohne Zucken.

      »Ihr zwei seid voll die Schatten«, sage ich.

      »Weil wir schwarz sind?«, fragt Malcolm.

      »Weil ihr mir dauernd auf den Fersen bleibt. Treu bis in den Tod.«

      Den Tod.

      Das bringt uns zum Schweigen. Wir steigen auf die Räder und fahren mit rumpelnden Reifen den Bordstein runter. Ausgerechnet heute hab ich meinen Helm nicht dabei.

      Ich weiß, dass Tagoe und Malcolm nicht den ganzen Tag bei mir bleiben können. Aber wir sind Plutos, Brüder aus derselben Pflegefamilie, und lassen uns nicht im Stich.

      »Also dann, ab nach Hause«, sage ich.

      Und los gehts.

      MATEO

      01:06 Uhr

      Ich bin wieder in meinem Zimmer – so viel dazu, dass ich nie hierher zurückkehren würde – und augenblicklich geht es mir besser. Als hätte ich gerade ein weiteres Leben in einem Videospiel gewonnen, nachdem der Endgegner mich fertiggemacht hat. Ich bin nicht naiv, was das Sterben angeht. Ich weiß, dass es passieren wird. Aber ich muss mich ja nicht kopfüber hineinstürzen. Ich schinde gerade noch etwas mehr Zeit. Alles, was ich wollte, war ein längeres Leben, und ich habe die Macht, diesen Traum nicht zu zerstören, indem ich die Wohnung verlasse – vor allem nicht so spät nachts.

      Mit der Art Erleichterung, die man nur verspürt, wenn man morgens aufwacht und feststellt, dass Samstag und damit schulfrei ist, springe ich aufs Bett. Ich hänge mir die Decke über die Schultern, nehme wieder meinen Laptop, ignoriere die minutengenaue E-Mail-Bestätigung meines Telefonats mit Andrea vom Todesboten und lese den gestrigen Post auf Countdown weiter, den ich vor dem Anruf angefangen hatte.

      Der Todgeweihte hieß Keith und war zweiundzwanzig. Seine Statuszeilen enthalten nicht viel Information über sein Leben, nur dass er ein Einzelgänger war, der lieber mit seinem Golden Retriever namens Turbo spazieren ging, als mit seinen Klassenkameraden unterwegs zu sein. Er war auf der Suche nach einem neuen Zuhause für Turbo, weil er ziemlich sicher war, dass sein Vater ihn dem Nächstbesten überlassen würde, was jeder hätte sein können, weil Turbo so ein schöner Hund ist. Mann, sogar ich hätte ihn adoptiert, obwohl ich eine heftige Hundehaarallergie habe. Aber bevor Keith seinen Hund abgab, liefen Turbo und er noch ein letztes Mal ihre Lieblingsplätze ab, und sein Eintrag endete irgendwo im Central Park.

      Ich weiß nicht, wie Keith gestorben ist. Ich weiß nicht, ob Turbo überlebt hat oder mit Keith gestorben ist. Ich weiß nicht, was für Keith oder Turbo besser gewesen wäre. Ich weiß es nicht. Natürlich könnte ich nach irgendwelchen Überfällen oder Morden im Central Park gestern gegen 17:40 Uhr suchen, als der Post abbrach, aber meiner geistigen Gesundheit zuliebe bleibt das besser im Dunkeln. Stattdessen öffne ich meinen Musikordner und starte Space Sounds.

      Vor ein paar Jahren hat ein Team der NASA ein spezielles Gerät entwickelt, um die Geräusche verschiedener Planeten aufzunehmen. Ich fand auch erst, dass sich das seltsam anhört, vor allem nach den ganzen Filmen, die ich gesehen hatte, wo es hieß, im Weltraum gebe es keinen Klang. Aber den gibt es sehr wohl, er äußert sich nur in magnetischen Schwingungen. Die NASA hat die Geräusche umgewandelt, sodass das menschliche Ohr sie hören kann, und obwohl ich mich in meinem Zimmer versteckt habe, bin ich auf etwas Magisches aus dem Universum gestoßen – etwas, das diejenigen verpassen, die nicht verfolgen, was gerade im Internet angesagt ist. Einige der Planeten klingen unheilvoll wie in einem Science-Fiction-Film, der in irgendeiner Welt voller Aliens spielt. Neptun klingt wie eine schnelle Strömung, Saturn hat so ein gruseliges Heulen an sich, dass ich ihn lieber gar nicht mehr höre, dasselbe gilt für Uranus, nur dass dort starke Winde pfeifen, was klingt wie Raumschiffe, die sich mit Laserkanonen beschießen. Die Planetenklänge sind ein geniales Thema, um ein Gespräch anzufangen, wenn man Leute hat, mit denen man sich unterhalten kann. Wenn nicht, sind sie wie ein geniales weißes Rauschen zum Einschlafen.

      Ich lenke mich von meinem Abschiedstag ab, indem ich weitere Einträge auf Countdown lese und das Geräusch von der Erde höre. Es erinnert mich immer an entspannendes Vogelgezwitscher und diese leisen Töne, die Wale von sich geben, aber gleichzeitig klingt es auch ein bisschen schräg und hat etwas Beunruhigendes an sich, das ich nicht genau benennen kann. So ähnlich wie Pluto, der sich anhört wie eine Muschel, aber auch wie das Zischen einer Schlange.

      Ich wechsele zu Neptun.

      RUFUS

      01:18 Uhr

      Mitten in der Nacht fahren wir zu Pluto.

      »Pluto« ist der Name, den wir der Pflegefamilie gegeben haben, bei der wir alle leben, seit unsere richtigen Familien gestorben sind oder uns im Stich gelassen haben. Pluto wurde zwar von einem Planeten zum Zwergplaneten heruntergestuft, aber wir würden uns trotzdem nie als weniger wichtig betrachten.

      Meine Leute sind jetzt seit vier Monaten tot, aber Tagoe und Malcolm sind schon viel länger befreundet. Malcolms Eltern sind beim Brand ihres Hauses, den irgendein


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