Hund-Nase-Mensch. Alexandra Horowitz
die Nase hinein begeben. Dieses unwahrscheinliche Video entstand unter Zuhilfenahme von Luftströmungsmodellen, die Dr. Brent Craven im Rahmen computergesteuerter Flüssigkeitsdynamik entwickelt hat. Craven hat sich bisher nicht mit dem Geruchssinn von Hunden als solchem befasst. Seine wissenschaftliche Arbeit dazu, wie Flüssigkeiten und Luft sich bewegen, ist eher Grundlagenforschung, die darauf zielt, zu verstehen, wie biologische Systeme funktionieren. Bei ihrer Anwendung (und bei der Vergabe von Forschungsgeldern) geht es häufig darum, besondere gute Nasen ingenieurtechnisch nachzuahmen und Luftstrommodelle zur Schaffung künstlicher Nasen zum Beispiel für Militärzwecke zu nutzen.
Den Nasengang, den Craven und sein Team nachgebildet haben, gehört eigentlich zu einem Grauhörnchen, das nach seinen Worten ein absolut guter, aber „viel leichter nachzubauender“ Schnüffler ist. Er wurde im Video mit MRT-Aufnahmen des komplexeren Naseninneren eines Hundes hinterlegt, sodass man beim Anschauen eine Ahnung davon bekommt, wie die holprige, tumultartige und komplexe Reise sich aus der Perspektive eines eingeatmeten Duftmoleküls wohl anfühlen mag.
Sie reiten also auf einem Geruchsmolekül. Auf einer Mini-Seifenblase, die mit Leichtigkeit selbst auf der sanftesten Brise noch klein, leicht und flüchtig schwebt und segelt. Sie befinden sich in der Nähe einer Hundenase und plötzlich, ganz abrupt, noch viel dichter. Die Nasenöffnungen weiten und nähern sich. Die Luftblase wird eingesaugt. Das Tempo, das sie nun draufhat, ist atemberaubend. Nach dem Modell des Eingangsbereichs der Nasenhöhle eines langschnäuzigen Tieres könnte man die spektakulärsten Achterbahnen überhaupt bauen: Nach einem schnellen Aufstieg, der sich mit dem Steilerwerden der Bahn etwas verlangsamt, eröffnet die Ankunft oben auf dem Gipfel dem Geruchsmolekül einen Ausblick, der das Herz stillstehen lässt: Nichts als Nichts voraus. Es folgt ein Sturzfahrt in die Tiefe, hier und da um enge Kurven, manchmal eine Sekunde lang etwas langsamer, dann wieder Tempo aufnehmend. Immer neue Vorsprünge treten aus den Seitenwänden hervor, auf die das Geruchsmolekül zurast und die Sie dazu zwingen, sich zur Seite zu ducken, sich den Kopf an der Decke zu stoßen und schließlich mit dem Gefühl eines hochgehobenen Magens wieder nach unten zu fallen. Es gibt gewundene Kurven und gefährliche Kanten, und die ganze Zeit werden Sie von einer der Schwerkraft trotzenden Kraft immer tiefer hinein getrieben. Eine Zehntelsekunde später (in der Simulation zweihundertfach verlangsamt) werden Sie letztlich auf einer feuchten Wiese abgesetzt, wo Gräser wie aufrechte Soldaten stehen und Ihre Ankunft erwarten.
Und das alles, noch bevor Sie das Gehirn erreichen.
Nasenlöchrig
Finn grunzt einmal dicht neben mir, um mich aufzuwecken. Zögerlich blinzle ich mit einem Auge. Dessen gesamtes Blickfeld wird von Finns rechter Nasenöffnung eingenommen, die von hier nach da zuckt, so wie wir es machen, wenn wir eine alberne Grimasse ziehen möchten. Das Ergebnis ist, dass ich mein Gesicht zu einem Lächeln verziehe und aufstehe, um ihn zu begrüßen.
Was ist passiert? Im Grunde beginnt die Riecherei mit der Entdeckung von nur ganz wenigen Molekülen eines Geruchsstoffs. Der Detektor ist die Nase – sie ist der Staubsauger, der diese winzige Spur von Stoff einsammelt. Lassen Sie uns also dort beginnen.
Wenn Sie einen Hund in Ihrer Nähe haben (und ich hoffe, dass dies immer der Fall ist), bücken Sie sich einmal herunter und sehen sich seine Nase gründlich an. Gehen Sie dicht heran, wirklich ganz dicht – ein freundlicher Hund wird ihre Untersuchung hoffentlich im schlechtesten Fall mit einem entschiedenen Schlecken über Ihre eigene Nase erwidern.
Normalerweise schauen wir nur auf den behaarten Fang des Hundes, auf seine Schnauze, die bis zu den Augen hinaufreicht und auf beiden Seiten in die Backen hinab übergeht. Hier spielt die Länge eine Rolle: Zwar ist dieser Teil der Nase nicht für die Geruchsentdeckung an sich oder das Schnüffeln zuständig, aber sie ist der genial konstruierte Korridor, durch den das Schnüffelgut gewirbelt werden wird.
Oder wir schauen auf den feuchten, haarlosen Nasenspiegel, das so genannte Planum nasale oder Rhinarium. Hier beginnt unsere Handlung. Hundenasenspiegel sind faszinierend: so unterschiedlich wie Fingerabdrücke und genauso voller individueller Details. Was die meisten nassen Hundenasenspitzen gemeinsam haben, ist die mosaikartig zerfurchte Oberfläche, auf der vieleckige Zellen in ihrer schimmernder Dunkelheit zu erkennen sind. Diese Oberfläche ist feucht, sodass mehr Gerüche aufgesammelt und in die Nase absorbiert werden können. Außerdem haben sie Temperaturfühler, die sie direkt zu einer kühlen und damit möglicherweise Gerüche tragenden Brise leiten können.
Und dann die Nasenlöcher! Die Nasenspitze trägt zwei klaffende Öffnungen, die zur zwei bis zwölf Zentimeter weiter nördlich gelegenen echten Nase führen. Denjenigen unter Ihnen, die es schwierig finden, Hundenasenöffnungen toll zu finden, sage ich: Sie haben die Ihres Hundes nur noch nicht lange genug angeschaut. Für Unkundige sind sie einfach nur „Löcher vorn in der Nase“, aber für diejenigen, die den Geruchssinn der Hunde studieren, sind sie „aerodynamische Einlassöffnungen“, deren zwiebelähnliche Form das Einströmen von Luft begünstigt. Umringt werden die Nasenlöcher von hoch entwickelten Muskeln in den Alarfalten. Es ist genau diese Anatomie, die es den Nasenöffnungen ermöglicht, sich aktiv am Schnüffelprozess zu beteiligen und die ihnen so große individuelle Formunterschiede von Hund zu Hund verschafft. Die einen sehen aus wie geradegezogene Kommata, die anderen sind fast zu Scheiben gerundet. Wieder andere sind kaum mehr als stumpfe Öffnungen, die aussehen wie hastig mit einem breiten Filzstift hingezeichnet. In manchen Ländern werden Nasenabdrücke zu Identifikationszwecken verwendet: als günstiger Mikrochip sozusagen. Malen Sie die äußere Schicht des Nasenspiegels mit Tinte an und drücken Sie sie auf Papier: Der Nasenabdruck eines Hundes ist das Äquivalent zum Fußabdruck eines neugeborenen Kindes, den die Eltern in der Hoffnung anstarren, daraus irgendetwas über die Zukunft ihres Nachkömmlings herauslesen zu können.
Hunde können ihre Nasenöffnungen einzeln und unabhängig voneinander benutzen: Wenn sie etwas Neues und „nicht Aversives“, also Neutrales oder Angenehmes, riechen, beginnen sie zuerst mit der rechten Nasenöffnung und wechseln dann zur linken. Forscher haben Wattestäbchen mit verschiedenen Gerüchen befeuchtet, Hunde daran schnüffeln lassen und das Ganze gefilmt. Dabei fanden sie heraus, dass die Gerüche von Zitrone, Futter und dem Sekret von Hündinnen dieses Erst-rechts-dann-links-Schnüffeln auslösten. Konfrontierte man sie hingegen mit dem Geruch von Adrenalin oder dem Schweiß des Haustierarztes (der sich zugunsten der Wissenschaft Wattestäbchen unter die Achseln steckte), schnüffelten die Hunde nur mit dem rechten Nasenloch. Man nimmt an, dass diese Nasenlochpräferenz mit der jeweils beteiligten Gehirnhälfte zusammenhängt. Die rechte Nasenöffnung ist mit der rechten Gehirnhälfte verbunden (also gleichseitig bzw. ipsilateral im Gegensatz zu den anderen Sinnen, die über Kreuz mit der anderen Gehirnhälfte korrespondieren), die wiederum stärker mit Angst- oder Aggressionsverhalten in Verbindung gebracht wird als die linke, die eher bekannte Reize analysiert. Wenn also ein Hund Sie nur mit der rechten Nasenöffnung beschnüffelt, kann es sein, dass er Ihnen gegenüber misstrauisch ist.
Aber zurück zu den Muskeln rund um die Nasenöffnung. Ich schaue zu, wie mein Hund Upton draußen in einer milden Brise seine Nase – nur die Nasenspitze – nach rechts und links bewegt, so, wie man es nicht für möglich hält, dass eine Hundenasenspitze sich bewegen könnte oder sollte. Seine Nasengymnastik führt dazu, dass seine Nasenöffnungen direkt im Wind sind, Luftwirbel einfangen und einen Geruch erhaschen. Dann öffnen die Nasenlöcher sich weit, um die Menge der eingesogenen Luft zu maximieren. Und schon blickt ein armer kleiner Geruch in das operative Ende des Zielfernrohrs namens Nase und schließt angesichts der bevorstehenden Höllenfahrt die Augen.
Das Schnuppern
Wenn ich nach einer Abwesenheit wieder nach Hause komme, beuge ich mich zu Finnegan herunter und lasse ihn an mir schnuppern. Sein dann folgendes Schnüff-schnüff ist beinahe kommunikativ – Nasenphoneme in fröhlichen Satzketten.
Unser Wissen darüber, was passiert, wenn der Geruch sich oben in der Hundenase mit seiner Zukunft konfrontiert sieht, haben wir hauptsächlich den Arbeiten des Maschinenbauingenieurs Dr. Gary Settles zu verdanken, einem von Cravens früheren Professoren. Settles, heute Emeritus an der Penn State University,