Wissensvernetzung und Metropolregion. Stefan Krätke

Wissensvernetzung und Metropolregion - Stefan Krätke


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Zumal der Status „Europäische Metropolregion“ in vielen Fällen das Ergebnis eines politischen Ringens um Anerkennung ist („to be on the map“).

      Seit Mitte der 1990er Jahre wird auch in der deutschen Raumordnungspolitik der Bedeutung von Metropolen und Metropolregionen für die Raumentwicklung eine stärkere Beachtung beigemessen. Im 19. Jahrhundert war eine Metropole der Ort, an dem sich die politischen, kulturellen und ökonomischen Funktionen höchster Zentralität und Dichte überlagerten und der ein hohes Maß an Urbanität aufwies. Paris oder London galten lange Zeit als der Idealtyp einer Metropole (vgl. Siebel 2015, Häußermann 2000). Der Begriff Metropole entspricht damit eher den Raumvorstellungen im Zeitalter der Nationalstaaten und reicht heute nicht mehr aus, um die Verflechtungsbereiche der heutigen Metropolen, die mittlerweile weit über die politisch-administrativen Grenzen der Kernstädte hinausreichen, angemessen zu erfassen. Im Zeitalter der Globalisierung ist es angemessener von der Metropolregion, die international bedeutsame Funktionen im Raum wahrnimmt (vgl. NIW, NORD/LB 2005), als der zentralen Raumeinheit auszugehen. Diese funktionale Betrachtung markiert den Unterschied in der Definition einer heutigen Metropolregion zum herkömmlichen Metropolenverständnis.

      In der Raumordnung wird der Begriff Metropolregion für jene Räume verwendet, die eine Konzentration politischer und wirtschaftlicher Steuerungsfunktionen, eine hohe Dichte spezialisierter Dienstleistungen, eine international wahrnehmbare kulturelle Ausstrahlung und eine hoch entwickelte Infrastrukturausstattung aufweisen (vgl. Blotevogel 2005). Es sind Regionen, die für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes von besonderer Bedeutung sind. Sie tragen maßgeblich zur Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bei, gewährleisten die weltwirtschaftliche Integration und sind Zentren des internationalen kulturellen Transfers (vgl. Priebs 2013; Krätke, Taylor 2004; Schäfer, Stackelberg, Stellmacher 2004). Metropolregionen nehmen dabei vier Hauptfunktionen wahr (vgl. Danielzyk, Blotevogel 2009; Blotevogel 2005; Schäfer, Stackelberg, Stellmacher 2004):

      • die Entscheidungs- und Kontrollfunktion seitens wichtiger Entscheidungsträger der Privatwirtschaft, des Staates und sonstiger Organisationen, die am Standort ansässig sind,

      • die Gateway-Funktion, die den Zugang zu Menschen (Fernverkehrsknotenpunkte), zu Wissen (Medien) und Märkten (Messen, Ausstellungen) durch eine überdurchschnittliche kommunikative und infrastrukturelle Anbindung und Ausstattung ermöglicht,

      • die Innovations- und Wettbewerbsfunktion durch die Generierung und Verbreitung von Wissen, Einstellungen, Werten und Produkten sowie die Existenz einer leistungsfähigen materiellen sowie institutionellen Infrastruktur, die Innovationen, Wissenstransfer und Kooperationen befördert,

      • die Symbolfunktion durch Erzeugung und Verbreitung von Zeichen, Vorbildern, Moden, Normen und Deutungsangeboten in vielfältigsten Formen.

      Diese vier Funktionen werden nur noch teilweise innerhalb der politischen Grenzen der Kernstädte erfüllt – so befinden sich z.B. die meisten Flughäfen außerhalb der Stadtgrenzen –, sondern in einem Netzwerk unterschiedlicher Standorte innerhalb einer Region (vgl. Priebs 2004). Anders als in Frankreich mit Paris oder Großbritannien mit London gibt es in Deutschland aber aufgrund seiner föderalen und polyzentrischen Struktur keine einzelne dominierende Metropolregion. Da die Metropolenfunktionen auf mehrere Standorte im gesamten Bundesgebiet verteilt sind, zählt Deutschland aktuell elf Metropolregionen, darunter die Verdichtungsräume Hamburg, Berlin oder München, aber auch funktional und politisch mehrkernige Regionen wie Rhein-Main, das Sachsendreieck und die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg. Die deutschen Metropolregionen weisen damit keine homogene Struktur auf, sondern unterscheiden sich in ihrer Größe und Ausprägung der Metropolenfunktionen erheblich voneinander.

      Mit dem Konzept der europäischen Metropolregion wurde ein Instrument geschaffen, mit dem urbane Regionen im internationalen Wettbewerb positioniert werden sollten. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass dort ideale Rahmenbedingungen für Wachstum und Wettbewerb geschaffen werden sollen, wo die meisten Innovationspotenziale vorhanden sind und am aussichtsreichsten gestaltet werden können (Federwisch 2014: 142). Die Innovations- und Wettbewerbsfunktion ist in diesem Zusammenhang eine der strategischen Leitfunktionen, aufgrund derer Metropolregionen ihre regionalen, nationalen und internationalen Organisations- und Entwicklungsleistungen erbringen (Danielzyk, Blotevogel 2009; Blotevogel 2005).

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      Abb. 1: Die Metropolregionen in Deutschland (gemeindescharfe Abgrenzung)

      Quelle: CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH

      Regionale Innovationsfähigkeit lässt sich definieren als das Potenzial zur Entwicklung neuer oder deutlich verbesserter Produkte, Dienstleistungen und Prozessabläufe. Die damit verbundenen Innovationsaktivitäten können sowohl im wissenschaftlichen als auch im organisatorischen oder finanziellen Bereich liegen. Insofern geht es dabei nicht nur um ökonomische und technische Innovationen. Vielmehr gewinnen im Zusammenhang mit dem Ausbau der Wissensökonomie verstärkt soziale und kulturelle Innovationen an Bedeutung (Blind, Wachsen 2013: 11). Bei der Analyse regionalökonomischer Zusammenhänge liefern die Investitionen der Wirtschaft in Forschung und Entwicklung einen wichtigen Hinweis auf die regionale Innovationsfähigkeit. Aber auch die Ausstattung mit entsprechend ausgebildeten Arbeitskräften und das Vorhandensein einer gut ausgebauten wissenschaftlichen Infrastruktur vermag Aufschluss über vorhandene Potenziale zu geben. Zur Beurteilung der Innovationsfähigkeit einer Region können folglich sowohl qualitative als auch quantitative Merkmale herangezogen werden (Danielzyk, Blotevogel 2009: 26).

      Für die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg lässt sich die metropolitane Wettbewerbs- und Innovationsfunktion vor allem aus einem reichen Besatz an Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen ableiten (Schäfer, Stackelberg, Stellmacher 2004). Am Standort sind 21 Universitäten und Hochschulen mit rund 430 wirtschaftsrelevanten Instituten, Fakultäten und Fachbereichen vertreten. Dieser großen Zahl an Qualifikations- und Forschungseinrichtungen kommt demnach eine Schlüsselfunktion für die zukünftige Entwicklung des Wirtschaftsraums zu. Darüber hinaus haben zahlreiche bedeutende außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ihren Sitz in der Metropolregion, darunter sechs Institute der Max-Planck-Gesellschaft, fünf Institute der Fraunhofer-Gesellschaft, sieben der Leibniz-Gemeinschaft und ein Zentrum der Helmholtz-Gemeinschaft. Das Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) an den Standorten Göttingen und Braunschweig sowie mehrere Landes- und Bundeseinrichtungen (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Bundesamt für Strahlenschutz, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Johann Heinrich von Thünen-Institut (vormals Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft)) nehmen ebenfalls Forschungs- und Entwicklungsaufgaben wahr.

      Unternehmerische Innovationsaktivitäten tragen zur Verbreiterung der technologischen Basis bei und leisten somit ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung des regionalen Innovationspotenzials. Die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg verfügt über große betriebliche Forschungs- und Entwicklungszentren, die in der Regel in einem engen Austausch mit den regionalen wissenschaftlichen Einrichtungen stehen (Brandt et al. 2008: 135). Diese Kooperationen im Bereich der Forschung ermöglichen eine Bündelung der Ressourcen und Potenziale der einzelnen Teilräume, wodurch die gesamte Metropolregion gestärkt im europäischen Standortwettbewerb


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