Faustrecht. Hugo Bettauer

Faustrecht - Hugo Bettauer


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hat zu keinem Ergebnis geführt. Die unbedingt wichtigste Aussage, die bisher vorliegt, ist die folgende der beiden Dienstmädchen: Das Stubenmädchen hat sich um sieben Uhr morgens zum Gartenportal begeben, um aus dem dort angebrachten Briefkasten die Zeitung zu holen. Haustor wie Gartenportal waren ordnungsgemäß versperrt, die Sicherheitsvorrichtung am Gartenportal war in Ordnung. Auch wenn das Schloß an diesem Portal aufgesperrt ist, kann man nämlich die Türe erst dann öffnen, wenn man den Deckel des inwendigen Schlüsselloches nach aufwärts drückt. Das ist einer jener Geheimmechanismen, wie ihn die Villen im Cottage zu haben pflegen. Der oder die Mörder müssen also, da die Schlösser keinerlei Beschädigung aufweisen, Portal wie Tor regelrecht mit einem Schlüssel geöffnet und die Sicherheitsvorrichtung gekannt haben, wie sie überhaupt ohne genaue Kenntnis der Wohnungsverhältnisse und der Tatsache, daß Herr Langer verreist ist, ihre Tat nicht begehen konnten. Diese Tatsache wird uns unsere Arbeit wohl wesentlich erleichtern, da dadurch der Kreis der in Betracht kommenden Personen ein sehr enger wird.“

      Drittes kapitel

      Gerade hatte der Chef des Sicherheitsbureaus seinen Vortrag beendet, als die Türe geöffnet wurde und zwei Beamte das Zimmer betraten. Der eine teilte mit, daß Dr. Bondi die Untersuchung der Leichen beendet habe und die Herren oben erwarte. Der andere erklärte, daß er soeben mit der Prager Polizeidirektion ein telephonisches Gespräch gehabt habe. Die Prager Polizeidirektion hatte durch einen höheren Beamten Herrn Langer im Hotel „Blauer Stern“ Mitteilung von dem Geschehnis gemacht. Herr Langer sei fast zusammengebrochen und habe sofort ein Tourenauto bestellt, um auf raschestem Wege nach Wien zu kommen. Da dem Chauffeur die Erlaubnis ausgestellt worden sei, mit achtzig Kilometer Stundengeschwindigkeit zu fahren, so dürfte Herr Langer gegen drei Uhr nachmittags in Wien eintreffen.

      Inzwischen waren noch einige andere Journalisten erschienen und alles begab sich zunächst in die Zimmer der beiden Ermordeten. Der Anblick der erwürgten Frauen wirkte niederschmetternd, und einer der Journalisten konnte den wenig taktvollen Ausruf nicht unterdrücken: „Na, schön sind sie beide nicht gewesen!“ Nein, das waren sie wahrhaftig nicht! Frau Langer war der Typus der mageren, reizlosen Engländerin mit knochigem Körper, zu großen Füßen, schmutzig-gelbem, spärlichem Haar, dünnen Lippen und mächtigen, hervorstehenden Zähnen, während Miß Mac Lean mit ihrem verkrümmten Rückgrat, dem schwarzen, wolligen Haar und den zusammengewachsenen Augenbrauen geradezu abstoßend wirkte. Nach einer flüchtigen Besichtigung der Leichen begaben sich die Herren über den Vorraum in ein großes, als Frühstückszimmer eingerichtetes Gemach, und hier erklärte Dr. Bondi die Situation vom ärztlichen Standpunkt aus:

      „Die Morde sind vor etwa sieben Stunden, also tatsächlich gegen zwei Uhr morgens verübt worden. Während die Frauen schliefen, ist der Mörder an die Betten herangeschlichen, hat mit der rechten Hand die Kehle des Opfers umspannt, wobei in beiden Fällen der Daumen auf den Kehlkopf zu liegen kam, und dann mit solch furchtbarer Gewalt zugedrückt, daß die Opfer wohl vielleicht durch einige Sekunden noch um sich schlagen, aber sicher keinen Laut von sich geben konnten. In beiden Fällen ist der Kehlkopf eingedrückt, die Frauen müssen die Besinnung fast sofort verloren haben. Die kräftiger gebaute Mac Lean dürfte sich stärker gewehrt haben, wofür die Tatsache spricht, daß sie mit dem Handgelenk, über dem sie das Uhrenarmband trug, nach rückwärts an einen Messingstab des Bettes anschlug, wobei das Uhrglas zerbrach. Jedenfalls hat der Mörder so gearbeitet, daß er von den Händen der Frauen nicht verletzt wurde. Die mikroskopisch nachgewiesene Unversehrtheit der ziemlich langen Fingernägel der Ermordeten bewies dies.

      Nach den Würgspuren zu schließen, sind beide Frauen von ein und demselben Mann ermordet worden. Dieser Mann muß sehr kräftige, eher große als kleine Hände gehabt haben, die aber mit Handschuhen, und zwar mit solchen aus Wildleder, bekleidet waren. Diese raffinierte Vorsicht macht jede daktyloskopische Untersuchung der Würgmerkmale aussichtslos.“

      Tiefe Stille trat im Zimmer ein, die der Polizeipräsident schließlich unterbrach. Mit gerunzelter Stirn und ersichtlich nervös sagte er etwas scharf:

      „Meine Herren, Sie werden mir zugeben, daß wir vor einem vollkommenen Rätsel stehen. Und dabei sind nahezu acht Stunden seit der Tat verstrichen, genug, um Spuren zu verwischen, die geraubten Gegenstände zu verbergen, sogar, um die Grenzen unseres kleinen Staates zu verlassen. Herr Doktor Bär, ich bitte Sie, die Nachforschungsarbeit mit aller Energie und allen uns zu Gebote stehenden Hilfsmitteln zu übernehmen. Bleibt der Täter unentdeckt, so bedeutet dies für uns alle einen Prestigeverlust, der nicht mehr einzubringen ist, um so mehr, als ja auch der Mörder aus der Schönbrunnerstraße noch immer nicht gefunden werden konnte.“

      Dr. Bär verneigte sich leicht vor dem Präsidenten und erwiderte:

      „Ich weiß das Vertrauen, das Herr Präsident mir schenken, vollauf zu würdigen und werde meine Pflicht tun. Was den Mord in der Schönbrunnerstraße betrifft, so gestatte ich mir die Bemerkung, daß ich eine sichere Spur des Täters habe, den ich heute schon verhaften könnte, wenn ich es nicht vorzöge, ihn aus technischen Gründen noch einige Tage beobachten zu lassen. Hier in diesem Falle stehen wir allerdings vor einem Rätsel, dessen Lösung ich auch nicht näher kommen kann, bevor Herr Langer nicht in Wien eingetroffen ist. Er allein kann uns über die so wichtige Schlüsselfrage Auskunft geben, er allein kann genau sagen, was an Schmucksachen und Geld geraubt wurde. Ich habe darüber bereits die Dienstmädchen vernommen, aber ihre Auskunft ist ungenau. Wohl sprechen sie von einem kostbaren Perlenhalsband, vielen Ringen, Broschen, Nadeln und so weiter, aber dies alles ist nicht genug präzise. Das Handtäschchen aus Schildpatt, das der Frau Langer gehörte, lag auf dem Nachtkästchen und enthält außer einigen kleinen Münzen kein Geld. Das Stubenmädchen weiß nicht, ob und welcher Geldbetrag sich in der Tasche befunden hat. Aus dem Besitz des Fräuleins Mac Lean scheint nichts geraubt worden zu sein, wenigstens befinden sich in ihrem Täschchen auf dem Toilettetisch achthundert Kronen, eine Anzahl von Schmuckstücken, darunter sehr kostbare, liegen im Schubfach des Nachtkästchens.

      Die beiden Dienstboten erscheinen auch mir als unverdächtig, die Köchin macht den Eindruck einer beschränkten, bedürfnislosen Person, das Stubenmädchen stammt aus guter Familie und ist mit einem Volksschullehrer, der in Linz lebt, verlobt. Sie selbst kann die Tat unmöglich begangen haben, daß sie jemanden dazu gedungen oder dabei unterstützt hat, ist absolut nicht anzunehmen. Ich habe überhaupt vorläufig keine bestimmte Fährte, mache aber darauf aufmerksam, daß wir den Privatsekretär des Herrn Langer, Doktor Holzinger, noch nicht vernommen haben. Ich habe wohl schon nach seiner Wohnung in der Florianigasse geschickt, aber er war nicht zu Hause. Ich nehme an, daß er bald hier erscheinen wird.“

      In diesem Augenblick trat ein Detektiv ein und meldete, daß soeben Dr. Holzinger gekommen sei. Gleich darauf betrat der Privatsekretär des Herrn Langer das Zimmer.

      Viertes kapitel

      In demselben Augenblicke, als der Name Dr. Holzingers von Dr. Bär auch nur erwähnt worden war, hatte sich der Verdacht der meisten im Zimmer anwesenden Herren auch schon an die Person des jungen Juristen geklammert. Er war der einzige Mann, der sich während der Abwesenheit des Herrn im Hause bewegen konnte, er war aber auch der einzige, der bei der bisherigen Untersuchung nicht anwesend war, und der einzige, nach dem so gewissermaßen gesucht werden mußte. Und dieser keimende Verdacht, dem jede Basis fehlte, wollte nicht ersticken, als nun Holzinger das Zimmer betrat, obwohl er alles eher in seinem Äußeren repräsentierte als einen Mörder. Mittelgroß, schlank, blond, der kurze Spitzbart wohlgepflegt, sehr einfach, aber gut gekleidet, machte er den Eindruck eines Lehrers, eines Beamten, sicher aber nicht den einer diabolischen Persönlichkeit. Allerdings war er blaß und verstört, aber das war kein Wunder, da er ja unten vom Polizisten erfahren hatte, was vorgefallen war. Er blieb jetzt auch mit allen Zeichen des Entsetzens stehen und blickte mit weit aufgerissenen Augen sprachlos auf die Männer vor ihm, bis sich die Worte: „Das ist ja furchtbar, meine Herren,“ von seinen Lippen lösten.

      „Ja, allerdings, das ist furchtbar,“ ergriff Kriminalkommissär Bär das Wort, „und wir müssen Sie, Herr Doktor, bitten, das Ihrige zu tun, um uns unsere schwere Aufgabe zu erleichtern.“

      Und nun begann das Verhör. Auf Befragen gab der Privatsekretär mit leiser Stimme an:

      „Ich


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