Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel. Nadine Erdmann

Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel - Nadine Erdmann


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überhaupt nichts verstanden.«

      »Hä?«

      Sie änderte ihren Tonfall, als würde sie mit einem unterbelichteten Dreijährigen sprechen. »Ja, Gender ist uns völlig egal und ja, das bedeutet, wir können prinzipiell mit jedem Spaß haben. Und das haben etliche Totenbändiger auch. Genauso wie manch andere Queers oder Heteros stehen einige von uns auf unverbindlichen Sex. Aber, Überraschung! Manche von uns ticken auch völlig anders. Die stehen nicht auf schnellen Sex, sondern auf feste Beziehungen. Ich zum Beispiel. Welche Genitalien ein Mensch hat, ist mir schnuppe, aber ich steh total auf Treue und Verlässlichkeit. Und ich verliebe mich in den Charakter, die Persönlichkeit und die Seele eines Menschen. Da steh ich voll drauf und wenn die passen, dann macht mich das so richtig an. Und weißt du, das ist genau der Grund, warum aus uns beiden selbst dann nichts werden würde, wenn du der letzte Mensch auf Erden wärst. Dein Charakter ist nämlich unterirdisch, deine Persönlichkeit widerlich und deine Seele hab ich noch nie gesehen.« Sie bohrte ihren Blick in seinen. »Message jetzt angekommen?«

      Wutschnaubend sprang Theo von seinem Stuhl auf. »Bitch!«

      »Gut, das nehme ich mal als ein Ja.« Sky rutschte vom Schreibtisch und stieß ihm ihren Finger gegen die Brust. »Und spar dir in Zukunft deine dämlichen Sprüche, klar?«

      Damit ließ sie ihn stehen, ging zu Connor und schnappte sich dessen Hand.

      Als sie gemeinsam die Treppen hinaufstiegen, rief Theo ihnen hasserfüllt hinterher: »Connor, dir ist schon klar, dass dieses Miststück dich irgendwann in den Wind schießt, weil du alleine ihr nie ausreichen wirst?«

      Mitleidig schüttelte Connor den Kopf. »Der schnallt es wirklich nicht.«

      Sky drückte seine Hand. »Solange die wichtigen Leute es schnallen, ist mir scheißegal, was so ein Vollidiot wie Theo denkt.«

      Sie ignorierten ihn entsprechend und stiegen weiter die Treppe hinauf.

      Gabriel sah den beiden hinterher und schlenderte dann zu Theos Schreibtisch.

      »Hey, Horny. Da du ja bei Sky offensichtlich nicht landen kannst, wie wäre es denn nach der Schicht mit uns beiden?« Er zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Ich bin für unverbindlichen Spaß gerne mal zu haben und ich könnte Dinge mit dir anstellen, von denen du bisher nicht mal in deinen kühnsten Träumen fantasiert hast.« Er ließ seinen Blick über Theos Körper wandern und leckte sich provozierend über die Lippen. »Na? Wie wär’s?«

      Angewidert wich Theo vor ihm zurück. »Spinnst du? Mann, ich steh nicht auf Kerle! Also guck weg und hör auf, mich so anzugraben. Das ist ekelhaft!«

      Schlagartig änderte sich Gabriels Gesichtsausdruck. »Ach? Du findest es ekelhaft, wenn dich jemand mit widerlichen Blicken auszieht?« Schneidende Kälte lag in seiner Stimme. »Na, dann weißt du ja jetzt, wie Sky sich gerade gefühlt hat. Oder jede andere Frau, bei der du deine abartige Anmachtour ablässt.«

      »Du bist ein verdammtes Arschloch«, fauchte Theo.

      »Au contraire, das Arschloch bist du. Und wenn du meine Schwester noch einmal blöd anmachst oder auch nur ansatzweise schräg in ihre Richtung guckst, mach ich dich fertig, klar?«

      Theo hob eine Augenbraue. »Ernsthaft, du willst mir drohen?«

      »Auf jeden Fall.«

      Sofort kehrte Theos Selbstsicherheit zurück und ein niederträchtiges Lächeln umspielte seine Lippen. »Du weißt, dass ich dich dann jetzt erschießen kann, du Freak. Jeder darf einen von deiner Sorte töten, wenn er sich von ihm bedroht fühlt. Völlig straffrei.«

      Gabriel erwiderte das Lächeln unbeeindruckt. »Natürlich. Aber dir ist schon klar, dass ich zum Geist werde, wenn du mich tötest, ja? Bist du schon mal gegen den Geist eines Totenbändigers angetreten? Ach nein, warte. Hast du überhaupt schon mal gegen einen Geist gekämpft? Wahrscheinlich nicht, oder? Wird schließlich seine Gründe haben, warum du Sesselfurzer den sicheren Innendienst gewählt hast.« Er bedachte Theo mit einem letzten abschätzigen Blick, dann stand er vom Schreibtisch auf und lief zur Treppe, ohne sich noch einmal umzudrehen. »Schöne Schicht noch, Theo.«

      »Leck mich!«

      »Nein, ich denke nicht. Ich stehe zwar auf unverbindlichen Sex, aber das heißt noch lange nicht, dass ich nicht wählerisch bin.«

      Gabriel stieg die Stufen in den ersten Stock hinauf und öffnete die Tür zu dem Büro, das er sich mit Sky und Connor teilte. Vier Schreibtische standen sich jeweils zu zweit gegenüber. Außerdem gab es ein paar Aktenschränke und ein Sideboard mit Kaffeemaschine, Wasserkocher und einem kleinen Kühlschrank. Einen der Arbeitsbereiche teilten sich Connor und Sky, über die anderen beiden Tische hatte Gabriel sich großzügig ausgebreitet. Angeblich sollten sie irgendwann eine Verstärkung ins Team bekommen, doch bisher ließ die auf sich warten. Die Begeisterung von Absolventen der Polizeiakademie, sich den Einheiten zur Bekämpfung von paranormalen Bedrohungen anzuschließen, hielt sich in Grenzen. Kaum einer meldete sich freiwillig für den Dienst bei den Spuk Squads. Nicht einmal die Aussicht, schon nach einem Jahr auf den Rang eines Sergeants befördert zu werden, konnte locken. Der Job der Spuks galt als gefährlich, ständige Nachtdienste machten ihn unattraktiv und es gab immer noch zu viele Menschen, denen die Vorstellung nicht gefiel, eng mit Totenbändigern zusammenarbeiten zu müssen.

      »Wow, nicht mal Zeit für einen Kaffee?«, fragte Gabriel mit einem bedauernden Seufzen, als er sah, dass Sky und Connor die Gürtel mit ihrer Ausrüstung umschnallten. Die bestand im Wesentlichen aus ihren Dienstwaffen, einem extra Magazin, Taser, Handschellen und einer speziellen Taschenlampe, die nicht nur auf gewöhnliche Weise leuchtete. Man konnte sie zusätzlich umschalten auf Magnesiumlicht, das Geister vertrieb, was ein nicht zu verachtender Vorteil war, wenn man von mehreren Seelenlosen gleichzeitig angegriffen wurde.

      Spuks – wie die Polizisten der Spuk Squad genannt wurden – trugen zudem noch eine Spezialwaffe: eine Auraglue. Diese Pistolen waren den normalen Dienstwaffen recht ähnlich, enthielten aber keine Kugeln, sondern eine Kartusche mit einem flüssigen Gemisch aus Eisen- und Silberpartikeln, Salz, Zitronensäure und Extrakten verschiedener Bannkräuter.

      Gabriel hatte keine Ahnung, wie die Wissenschaftler es hinbekommen hatten, doch schoss man Auraglue auf einen Geist, heftete sich die Substanz mit feinen Tröpfchen an die Aura des Seelenlosen, schwächte ihn und machte ihn im Idealfall bewegungsunfähig oder zumindest langsamer. Das hing allerdings stark von der Stärke des Geistes ab und war nur ein Nachteil von Auraglue. Ein weiterer waren die extrem hohen Herstellungskosten – und jede Kartusche reichte nur für einen Schuss. Außerdem ätzte das Zeug Löcher in Kleidung und Haut, wenn man damit in Berührung kam.

      Deshalb tauschte Sky auch ihre Cordjacke gegen eine alte aus Leder. Ihre Kollegen aus anderen Einheiten trugen zumeist entweder Uniformen oder Anzüge. Spuks durften in einem angemessenen Rahmen tragen, was sie wollten.

      »Nein, keine Zeit für einen Kaffee. Wir wurden angefordert.« Connor zog seine Jeansjacke aus, um seine Schutzweste darunter anzuziehen. Da er kein Totenbändiger war, musste er sich vor Geisterberührungen schützen.

      Totenbändiger konnten sich gegen solche Übergriffe wehren. Griff ein Geist nach ihrer Lebensenergie, griffen die Totenbändiger nach der Todesenergie des Seelenlosen. Es war wie ein Tauziehen, das der Stärkere gewann. War es der Totenbändiger, vernichtete er den Geist. War es der Geist, starb der Totenbändiger. Griff ein Geist nach der Lebensenergie eines Menschen ohne Totenbändigerkräfte, hatte derjenige dem Seelenlosen nichts entgegenzusetzen. Silberschmuck half, um sich vor Angriffen zu schützen. Doch da Silber neben Eisen paranormale Wesen am effektivsten auf Abstand hielt, zählte es zu den wertvollsten Materialien der Welt, und nur die wirklich Reichen konnten sich diesen Schutz leisten. Bei der Polizei gab es für Spuks, die keine Totenbändiger waren, Schutzwesten mit eingewebten Silberfäden, die sie auf ihren Einsätzen vor Geisterangriffen schützen sollten.

      Thaddeus erschien in der Verbindungstür, die vom Büro seiner Truppe in sein eigenes führte. »Wo zum Henker warst du so lange?«, fragte er, als er sah, dass Gabriel ihn endlich mit seiner Anwesenheit beehrte.


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