Liebe 2 - Ida und Marco. Line Kyed Knudsen
bin’s, Ida!“ Ohne zu zögern öffnet er. Ich schließe dir Tür hinter mir und sehe ihn an. Mit einem tiefen Seufzen lehnt er den Kopf an den Spiegel. Er blinzelt, als hätte er Tränen in den Augen.
„Also, es ist ja nicht so, dass ich nein gesagt habe“, stammele ich los. Ich kann es einfach nicht ertragen, ihn so traurig zu sehen. Außerdem möchte ich Sofie eine Freude machen. Sie will doch so gerne, dass wir zusammen kommen. Und das sind wir fünf Minuten später auch schon, aber ich bin immer noch nicht verliebt. Auch nicht, als Alexander hoch und heilig verspricht, mich nicht mehr an den Brüsten anzutatschen. Die restliche Party über sitzen wir nebeneinander auf dem Sofa. Alexander hat den Arm um mich gelegt. Er ist schwer, finde ich. Das tut weh im Nacken und es fühlt sich an, als würde Alexander an mir dranhängen.
„Das ist nicht wirklich so angenehm, Alexander“, säusele ich mit meiner süßesten Stimme. Ich habe keine Lust, ihn schon wieder zu verletzen. Stattdessen greife ich seine Hand und lege sie in meine. Das fühlt sich etwas besser an. Einen Augenblick lang stelle ich mir vor, wir zwei wären einfach nur richtig gute Freunde. Aber als Alexander mir plötzlich einen Kuss auf die Wange drückt, reiße ich die Augen weit auf und wische mir seinen Kuss mit dem Handrücken ab.
Ich habe einfach keine Lust, hier auf Ellas Party rumzuknutschen. Ich hab auch keine Lust mehr zu tanzen. Eigentlich gehen Ella und ich immer total ab. Aber nicht heute. Weil Alexander an mir dranklebt, obwohl ich jedes Mal versuche, mich von ihm zu lösen, indem ich meine Hand nach der Wasserflasche ausstrecke oder um Chips aus der Schüssel zu angeln. Wenn Sofie nicht auf der anderen Seite neben mir sitzen würde, wäre das Ganze hier echt peinlich. Aber es wirkt so, als hätte Sofie begriffen, nicht von meiner Seite zu weichen und mich nicht mit Alexander allein zu lassen. Nicht jetzt. Nicht heute Abend. Dazu bin ich noch nicht bereit.
Sofie lächelt uns die ganze Zeit an. Ein wenig steif vielleicht, aber so ist Sofie nunmal.
„Ihr seid das perfekte Paar“, wispert sie mir ein paar Mal ins Ohr. Stocksteif nicke ich ihr zu. Ich fühle mich gerade nicht so perfekt.
Am nächsten Tag ruft Alexander schon vormittags an. Es ist Samstag. Sofie packt gerade ihre Sachen zusammen und ich hab vergessen, mein Handy auszuschalten. Er erkundigt sich nach meinen Plänen für heute Abend.
„Wie verknallt er in dich ist!“, bemerkt Sofie nach unserem Telefonat, während sie ihren Schlafsack fest zusammenrollt, damit er in seine Hülle passt.
Ich nicke zögernd. „Ich bin auch ganz verliebt in ihn“, sage ich. Das ist eine Lüge, aber ich bin gut im Lügen. Ich sollte dankbar sein. Ich bin gerade mit meinem ersten richtigen Freund zusammengekommen und sollte fröhlich und bescheuert vor Glück sein, stattdessen frag ich mich nur, was ich mit ihm anstellen soll, wenn er zu Besuch kommt.
Und als er kommt, ist es genauso übel, wie ich es befürchtet hatte. Wir sitzen nebeneinander auf meinem Bett und sagen gar nichts, bis ich vorschlage, dass wir einen Film gucken könnten. Da ist er dafür, und so sitzen wir zwei steife Stunden vor dem Fernseher und schauen einen Film über ein Mädchen, das gegen eine Menge andere Kinder in einem Wald in einer Art Spiel ums Überleben kämpft. Es gibt auch einen Jungen, der in sie verliebt ist, aber sie kann seine Gefühle nicht recht erwidern. Sie tut nur so als ob, was ihr das Leben rettet.
„Voll guter Film!“, sagt Alexander und streckt sich, so dass ich bis an die Wand rutschen muss.
Am Montag in der Schule will Sofie wissen, was wir so gemacht haben, nun, da wir ein Liebespaar sind. Eigentlich sollen wir gemeinsam mit Sebastian und Alexander eine Gruppenaufgabe erstellen, aber ich habe keinen Bock. Ehrlich gesagt ist es echt hart, ein Liebespaar zu sein und dann auch noch in dieselbe Klasse zu gehen.
„Habt ihr gar nicht geknutscht und sowas alles?“, fragt Sofie neugierig und lehnt sich über den Tisch. Sie schaut mich fast schon gierig an.
„Ja, doch so ein bisschen und wir haben uns ein bisschen angefasst, aber mit Klamotten an und so“, schwindele ich. Die Wahrheit ist, dass wir uns nur diesen Film angesehen haben. Und dass ich alles unternommen habe, um mich vor einem Kuss zu drücken. Darauf habe ich nämlich wirklich keine Lust.
Die ganze Woche versuche ich, so wenig Zeit wie möglich mit Alexander zu verbringen. Wir sehen uns schließlich jeden Tag in der Schule und ich finde, das ist genug. Er muss wirklich nicht jeden Tag bei mir zu Hause vorbeikommen. Höchstens zwei Mal die Woche sollte jawohl genug sein.
„Du Glückliche!“, seufzt Sofie. „Alexander hat wirklich so eine wie dich verdient!“
„Jep“, murmele ich, ganz von schlechtem Gewissen zerfressen. Ich denke so gut wie nie an ihn. Ich habe keine Schmetterlinge im Bauch, wenn er abends bei mir vor der Tür steht. Das nervt mich einfach nur. Ich hätte viel mehr Lust, von Perser zu träumen. Aber das kann man ja niemandem verraten.
Zu Beginn der Sommerferien haben wir uns immer noch nicht geküsst. Und langsam wird Alexander ungeduldig. Wir schauen eigentlich nur Filme zusammen, wenn er mich besuchen kommt. Außerdem bin ich immer noch sauer, dass wir dieses Jahr nicht wegfahren.
„Ich wünsche mir so, dass wir wieder nach Griechenland fahren“, seufze ich an unserem letzten Schultag. Ich sitze auf einer Couch und nasche den Rest aus der Süßigkeitentüte, die wir im Lehrerzimmer bekommen haben, als wir uns von unseren Klassenlehrern verabschiedeten.
Rasmus grunzt nur und tippt auf seinem Handy herum, als hätte er mich nicht gehört. Meine Mama stillt meine kleine Schwester und trinkt Kaffee. Genervt schüttelt sie den Kopf. Sie hat es mir tausendmal erklärt. Wir können es uns dieses Jahr einfach nicht leisten, da meine kleine Schwester ein Bettchen, eine Babytrage und Babysachen braucht.
„Wir machen dieses Jahr schön Ferien zu Hause!“, sagt meine lächerliche Mutter.
„Anstelle von Sommerurlaub hast du jetzt eine niedliche kleine Schwester“, lächelt Rasmus und legt sein Handy weg. Böse starre ich auf den Kinderwagen, der draußen auf der Terrasse steht. Eine kleine Schwester stand nicht auf meiner Wunschliste. Nur eine Reise nach Griechenland. Auch Rasmus habe ich mir nicht gewünscht, aber er ist trotzdem bei uns eingezogen, nachdem meine Mutter mir die Schocknachrichten überbrachte: Sie war schwanger von einem Mann, den sie bei der Arbeit getroffen hatte. Meine Mutter verkauft nämlich Sportmaschinen an FF - Fantastische Fitness und traf Rasmus in seinem Fitnessclub. Letzten Herbst stand er dann mit einem Umzugswagen und fünf Freunden vor unserem Haus und stellte die ganze Auffahrt mit Ledermöbeln und Kartons voll Proteindrinks zu. Die Ledermöbel kamen zum Glück in der Garage unter – so benebelt war meine Mutter dann auch wieder nicht. Wir haben immer noch unsere weiche, cremefarbene Sofagarnitur mit den hellroten Zierkissen, die ich mal im Freizeitclub genäht hatte. Und um ehrlich zu sein, ist Rasmus’ Fernseher echt toll. Der ist megagroß und hat Dolby Surround und ich durfte unseren alten Fernseher in mein Zimmer stellen.
„Außerdem kannst du so den ganzen Sommer mit Alexander verbringen“, säuselt meine Mutter und schickt vielsagende Blicke zu Rasmus.
„Du kannst auch mit in den Fitnessclub kommen und ein bisschen trainieren“, schlägt Rasmus vor und nimmt meine rülpsende Schwester auf den Arm.
„Das glaubst du doch selbst nicht!“, erwidere ich und lege meine langen bleichen Beine auf den Tisch. Er klingt fast so wie Sofies Vater, der auch ganz verrückt nach Ausdauerlauf und Gewichtestemmen ist.
„Denkst du etwa, ich bin zu dick?“, frage ich ihn plötzlich misstrauisch und ziehe den Bauch ein.
„Eigentlich nicht, aber Sport ist gesund“, sagt Rasmus schnell, während er energisch auf seinem Kaugummi gnatscht.
„Dann glaubst du also, ich bin ungesund?“, frage ich, mache ein schmales Gesicht und streife mein blondes Haar hinter meine Ohren.
„Nein, du siehst hübsch und gesund aus“, seufzt er und geht, um meine Schwester zu wickeln.
So wie ich es schwierig finde, mich in Alexander zu verlieben, kann ich auch keine rechten Gefühle für meine kleine Schwester entwickeln. Seitdem sie auf der Welt ist, hat sie ununterbrochen geschrien. Ehrlich gesagt finde ich, dass sie ein furchtbares Ding ist und manchmal, wenn meine Mama