Feuerwehrbedarfsplanung. Thomas Lindemann
Zusammenarbeit darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die einzelnen Gemeinden in der Lage sein müssen, sich selbst zu helfen, wenn beispielsweise durch eine Flächenlage alle Gemeinden in der Region ihre eigenen Ressourcen benötigen/im Einsatz haben. Zudem birgt die interkommunale Zusammenarbeit die Gefahr des »Free-Riding-Verhaltens« (Trittbrettfahren auf den Kosten der Nachbarkommunen) (vgl. Wolter, 2011, S. 129 f), bei dem sich einzelne Gemeinde darauf verlassen, dass die Nachbarkommunen die notwendigen Vorkehrungen und Anschaffungen tätigen, und sich somit mit Investitionsentscheidungen zurückhalten.
3.12 Fortschreibung von Feuerwehrbedarfsplänen
Die Stadt- und Gemeindeentwicklungen, die Risikosituationen und die demographischen Strukturen unterliegen kontinuierlichen Veränderungen. Sie stellen keine statischen Situationen, sondern dynamische Prozesse dar, die niemals abgeschlossen sind. Auch die Struktur der Feuerwehr muss sich stetig an die Entwicklung der Stadt oder Gemeinde anpassen. Damit ist auch ein Feuerwehrbedarfsplan kein statisches Dokument, das einen finalen Endzustand der Feuerwehr darstellt. Vielmehr zeigt der Feuerwehrbedarfsplan seinem Wesen nach stets eine Entwicklung auf, welche sich auch in der in Hessen und Saarland verwendeten Bezeichnung »Bedarfs- und Entwicklungsplan« wiederspiegelt (vgl. Kapitel 3.1) und die fortlaufend an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen sind.
Ein Feuerwehrbedarfsplan ist daher regelmäßig oder bei erheblichen Veränderungen der örtlichen Verhältnisse fortzuschreiben. In manchen Bundesländern ist diese Fortschreibung gesetzlich vorgegeben (vgl. Tabelle 1). Zusätzlich können zur Bewilligung von Förderzuschüssen oder im aufsichtsbehördlichen Verfahren28 ein auf aktuellem Stand gehaltener Feuerwehrbedarfsplan Voraussetzung für positive Bescheide sein. Die Formulierungen »regelmäßig« und »erhebliche Veränderungen« verstehen sich als unbestimmte Rechtsbegriffe, die einer konkreten Auslegung durch die Verantwortlichen bedürfen und einen gewissen Ermessensspielraum eröffnen.
Regelmäßige Fortschreibung
In der Praxis hat sich unter ›regelmäßig‹ ein Zeitraum von fünf bis zehn Jahren etabliert. In einigen Bundesländern gibt es konkret vorgeschriebene oder empfohlene Fortschreibungsfristen (vgl. Tabelle 1), an denen sich auch Kommunen in Bundesländern ohne Fortschreibungsvorgaben orientieren können. Alternativ kann sich auch an den Fortschreibungsfristen von gegebenenfalls parallel fortzuschreibenden Rettungsdienstbedarfsplänen oder an den Legislaturperioden der Kommunalparlamente orientiert werden.
Ein regelmäßiges Zeitintervall für die Fortschreibung eines Feuerwehrbedarfsplans ist in jedem Fall nicht zu groß zu wählen, um rechtzeitig auf sich abzeichnende Versorgungsdefizite oder Überschusssituationen angemessen reagieren zu können. Der Zeitraum bis zur nächsten Fortschreibung ist aber auch nicht zu klein zu wählen, so dass die Maßnahmen aus der vorhergehenden Version des Bedarfsplans auch umgesetzt werden und Wirkung entfalten können. In Hessen wurde daher die Fortschreibungsfrist nach § 2 Satz 1 der Feuerwehr-Organisationsverordnung (FwOV) nach In-Kraft-Treten ihrer Überarbeitung im Jahr 2014 von fünf auf zehn Jahren heraufgesetzt, da in der Regel innerhalb von fünf Jahren keine so erheblichen Veränderungen in den Kommunen stattfinden, dass sie den Aufwand der Fortschreibung alle fünf Jahre erfordern29 .
Wesentliche oder erhebliche Veränderungen
Kommt es zu wesentlichen oder erheblichen Veränderungen in der Stadt oder Gemeinde, ist der Feuerwehrbedarfsplan auch außerplanmäßig fortzuschreiben. Bei wesentlichen Veränderungen kann es sich um Änderungen in der Gemeindestruktur (z. B. Ausweisung neuer Wohn-, Industrie- und Gewerbegebiete) oder um unvorhergesehene feuerwehrinterne Entwicklungen (z. B. unerwartete Änderungen in der Mitgliederstruktur, überraschender Umfang an Fahrzeug- und Geräteausfällen) handeln. Auch die Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen oder politischer Ansichten können Anlass für eine außerperiodische Fortschreibung sein.
Tabelle 1: Fortschreibungsfristen für Feuerwehrbedarfspläne in den Bundesländern
BundeslandFortschreibungsfristFundstelle
Umfang der Fortschreibung
Prinzipiell kann zwischen einer ganzheitlichen Fortschreibung des Bedarfsplans mit grundsätzlicher Neuüberprüfung der Planungsgrundlagen und darauf basierter Ableitung des SOLL-Konzepts sowie einer Teil-Fortschreibung des bestehenden Bedarfsplandokuments mit der Aktualisierung einzelner Passagen unterschieden werden.
Inhaltlich geht eine Fortschreibung jedoch ausdrücklich über die bloße Aktualisierung von Rechtsgrundlagen, Fahrzeugnormen und Einwohnerzahlen hinaus. Vielmehr findet ein Abgleich des »neuen IST-Zustands« mit der im vorangegangen Bedarfsplan festgelegten SOLL-Struktur statt, bei dem der Umsetzungsstand der dort festgelegten Maßnahmen überprüft wird. Nicht umgesetzte Maßnahmen sind zu begründen und gegebenenfalls nachzuholen (z. B. SOLL-Struktur umgesetzt, jedoch AAO nicht angepasst). Die »aktuelle IST-Struktur« ist auf die Erfüllung der kommunalen Planungsziele der Feuerwehr zu überprüfen und etwaigen Defizite mit geeigneten Maßnahmen in einem neuen SOLL-Konzept analog zur Ersterstellung eines Feuerwehrbedarfsplans zu begegnen. Ob eine Fortschreibung eines Bedarfsplans damit weniger aufwändig ist als die Neuerstellung, ist daher von vielen Rahmenbedingungen abhängig.
Wird die Fortschreibung von Feuerwehrbedarfsplänen vernachlässigt, droht den Gemeinden eine Unterversorgung oder unwirtschaftliche Vorhaltung der Feuerwehr, Überlastung der Einsatzkräfte, Konfliktpotenzial mit der Aufsichtsbehörde und verletzt letztendlich die gesetzliche Vorgabe, eine den örtlichen Verhältnissen entsprechend leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten und zu unterhalten (vgl. Kapitel 4.6.1 Punkt c).
20 An dieser Stelle ist der Begriff »Schutzziel« korrekt verwendet, da der übergeordnete Zielzustand und nicht das »Planungsziel« einer Feuerwehr gemeint ist.
21 Die Entscheidung darüber, welche Inhalte im Feuerwehrbedarfsplan aufgeführt werden, bleibt letztendlich dem Planersteller überlassen. Im Einzelfall mag die Aufnahme dieser Themenbereiche zielführend sein.
22 Bei gleichbleibender Funktionsbesetzung führt beispielsweise ein Arbeitszeitmodell mit 8-Stunden-Schichten aufgrund unterschiedlicher Wochenarbeitszeit zu einem anderen Personalbedarf als mit 24-Stunden-Schichten.
23 Das Beispiel zur Erläuterung von Variantenplanungen beschränkt sich vorliegend auf zwei Varianten, wenngleich für den vorliegenden Fall noch weitere bedarfsgerechte Planungsziele in Frage kämen.
24 Während im Saarland und in Schleswig-Holstein noch nie Mittelbehörden existierten, haben Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt ihre Regierungsbezirke aufgegeben und Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern sowie Thüringen beim Beitritt zum Bundesgebiet 1990 auf die Einrichtung von Regierungsbezirken verzichtet.
25 Zum Beispiel mit dem Kreisbrandmeister in seiner beratenden Rolle für den Landrat (untere Aufsichtsbehörde).
26 Die Antwort auf die häufig gestellte Frage nach Einsparpotenzial oder gar Verteuerung der Feuerwehr hängt vom konkreten Beratungs- bzw. Untersuchungsauftrag ab. Es macht einen Unterschied, ob die »Aufstellung eines Feuerwehrbedarfsplans«, die »Untersuchung von Einsparpotenzialen«, eine »Organisationsuntersuchung mit