Fürstenkrone Box 16 – Adelsroman. Viola Maybach

Fürstenkrone Box 16 – Adelsroman - Viola Maybach


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und es war doch wirklich nichts dabei, wenn er sich so um Jane bemühte. Sie konnten ja gute Freunde sein.

      Aber da war die versteckte Mahnung in den vorsichtigen Worten seiner Schwester. Sie ließ ihn das Ganze in einem völlig anderen Licht erscheinen.

      Jane war jung und in den letzten Monaten zu einer sehr schönen attraktiven Frau geworden, die einen Mann schon um den Verstand bringen konnte. Kein Wunder also, wenn dieser Graf von Hessen, der täglich und stündlich mit ihr zusammen war, förmlich lichterloh brannte und nichts unversucht lassen würde, sie zu erringen.

      Nun wandte die junge Frau sich ab und trat ins Zimmer zurück. In ihren dunklen Augen lag ein fieberhaftes Flackern.

      »Ich denke, es ist langsam Zeit, Kinder. Wir wollen schlafen gehen«, meinte Tante Inez gähnend und stand schwerfällig auf. »Oje, ich bin wie gerädert. Siehst auch ganz müde aus, Papa«, meinte sie zärtlich zu dem Gatten und strich ihm über das weiße Haar. »Aber schön war es doch, nicht wahr, Alterchen? Habe mich direkt noch einmal so richtig wohl unter all dem jungen Gemüse gefühlt. Und dass Holger noch gekommen ist, das war wirklich die allerschönste Überraschung.«

      Wie verliebt sah sie den stattlichen jungen Mann an, für den sie schon immer eine besondere Schwäche gehabt hatte.

      »Hast bisher zwar noch nicht viel von deinem Frauchen gehabt, Junge. Aber das könnt ihr ja jetzt nachholen.«

      Sie lachte vergnügt, als sie dann verschmitzt fortfuhr: »Musst schon dein Zimmer mit deinem Liebsten teilen, Jane. Unsere Gästezimmer sind alle besetzt. Aber dein Bett ist ja breit genug.«

      Jane fühlte, wie ihr langsam die Farbe aus den Wangen wich. Entsetzt starrte sie die lachende Tante an. Schon hatte sie den Mund zu einer heftigen Erwiderung geöffnet, als sie dem seltsam forschenden Blick ihres Vetters begegnete.

      Nein, sollte sie sich eine Blöße geben? Hatte sie Schorsch gegenüber nicht immer betont, dass sie sehr glücklich mit Holger war, dass er sie liebte, so liebte wie sie ihn?

      Würde Schorsch ihr Lügengewebe nicht mit einem einzigen Blick durchschauen, wenn sie sich eine Blöße gab und verriet, wie entsetzlich der Gedanke für sie war, in einem Zimmer mit dem Gatten zu übernachten?

      Erregt grub sie ihre weißen Zähne in die blutroten Lippen, aber sie sagte kein Wort, obwohl es in ihr stürmte und gärte.

      Holger saß da und sah sie unverwandt an.

      Er ahnte, was in ihr vor sich ging, und eine ihm selbst fremde Erregung griff zu ihm über.

      Als er seinen Arm um die zarte, leicht widerstrebende Gestalt legte, da lag etwas so Herrisches, Besitzergreifendes in dieser Bewegung, dass Jane beklommen den blonden Kopf senkte und ein seltsames Gefühl sie unfähig machte, sich diesen zupackenden Händen zu entwinden.

      Eine unerträgliche Spannung lag zwischen dem jungen Paar, als sie ihr gemeinsames Zimmer betreten hatten und sich fragend ansahen.

      Der Mann erkannte die Angst in den großen dunklen Augen seiner jungen Frau, sah die mädchenhafte Scheu, mit der sie zögerte, sich zu entkleiden, und trat mit einem verstehenden Lächeln auf den Balkon.

      Erst als er merkte, dass sie im Bett war, kam er ins Zimmer zurück.

      Jane kniff ganz fest die Augen zu und stellte sich schlafend. Obwohl er an dem nervösen Zucken ihrer langen Wimpern merkte, dass sie nicht schlief, sagte er nichts.

      Jane lag zeitweise mit angehaltenem Atem an seiner Seite. Ihre ganze unerfüllte Liebe, ihre brennende Sehnsucht gehörte dem Mann, der so lange fern von ihr gewesen war.

      Seine Hand tastete langsam zu ihr hinüber. Sie lag wie erstarrt und hielt wieder den Atem an.

      Sie wehrte sich auch nicht, als er sie zärtlich, aber unwiderstehlich an sich zog und ihren Kopf an seine Brust bettete.

      »Jane, ich hab’ dich lieb«, sagte er in die atemlose Stille hinein, und eine warme Zärtlichkeit lag in seiner dunklen Stimme.

      Ein Beben überlief die schlanke Gestalt. Er fühlte, wie sie sich an ihn schmiegte, und ein seliges Glück erfüllte sein Herz.

      Jäh versank alles um ihn – das Einzige, was blieb, war die zarte biegsame Gestalt in seinen Armen, die warmen jungen Lippen, die sich ihm willig boten.

      *

      In dieser Nacht erfüllte sich Janes brennende Sehnsucht. Was sie sich in vielen einsamen Stunden schmerzlich erträumt hatte, wurde blutvolle Gegenwart, und alles Leid versank, als wäre es nie gewesen.

      Seit dieser Nacht war ein inniges Glück zwischen dem jungen Paar. Holger liebte seine junge Frau mit einer ungewöhnlichen Zärtlichkeit.

      Es war nicht die heiße leidenschaftliche Liebe, die ihn einmal mit Phyllis verbunden hatte. Aber sie brannte wie eine stetige Flamme.

      Jane dagegen liebte den Gatten mit einer Ausschließlichkeit, die den Mann manchmal erschütterte. Er war ihre Welt, der Inbegriff ihres jungen Lebens, in dem nichts anderes Raum hatte.

      Wie stolz und glücklich war die junge Frau, als sie ihm einen Sohn schenken konnte. Mit seligen Augen reichte sie ihm das quäkende kleine Bündel, das er kaum anzufassen wagte.

      »Dein Sohn, Holger«, flüsterte sie, noch von der Not der vorangegangenen Stunden erschöpft.

      Er aber beugte sich zu ihr hinunter, nahm Frau und Kind zärtlich in seine Arme und sagte innig:

      »Unser Sohn, kleine Frau, das Pfand unserer Liebe.« Andächtig küsste er die feuchten Augen, und in diesem Moment hatte er seine erste große Liebe völlig vergessen.

      *

      Weihnachten stand vor der Tür. Draußen stürmte und schneite es schon seit Tagen ununterbrochen. Der See, der die Wasserburg umschloss, war zugefroren.

      Die kleine Baroneß Ille und ihr Bruder waren fast den ganzen Tag draußen. Sie fanden das Leben einfach himmlisch, seitdem Tante Phyllis ihre Mutti geworden war und es für richtig hielt, die Kinder nicht von den gleichaltrigen Spielgefährten zurückzuhalten. Zwar wählte sie sehr sorgsam den Umgang der Kinder aus, aber es war bezeichnend für ihre Einstellung, dass die Tochter des Dorfschneiders und der Sohn des Schusters liebe Gäste auf Meeresbucht geworden waren.

      Die sonst immer etwas blassen Kinder lebten sichtlich auf, und schon bald unterschieden sie sich kaum noch von den pausbackigen Dorfkindern, so gesund und blühend sahen sie aus, und die übermütige Lebensfreude funkelte aus ihren Augen.

      Phyllis hatte den ganzen Tag alle Hände voll zu tun. Mit der alten Köchin hatte sie Freundschaft geschlossen. Die Frau, die am Anfang einen stillen Grimm gegen die Neue in sich getragen hatte, weil sie fürchtete, sich nun in ihrem ureigensten Bereich einem fremden Willen beugen zu müssen, hatte sehr bald erfreut eingesehen, dass Phyllis gar nicht daran dachte, ihre Rechte zu schmälern. Im Gegenteil, die junge Burgherrin ließ sich von der erfahrenen Köchin beraten und in die Geheimnisse der herrschaftlichen Küche einführen.

      Seitdem der Burgherr auf Reisen gegangen war, kamen ab und zu aus der Nachbarschaft Gäste, die versuchten, die junge Frau aus ihrer Einsamkeit zu locken und in das gesellschaftliche Leben zu ziehen.

      Ganz wohl war ihr dabei freilich nicht zumute. Sie kannte doch Axels Einstellung und wusste, dass er davon nichts wissen wollte. Aber sie konnte und durfte die nachbarlichen Beziehungen nicht durch Unhöflichkeit trüben. Es lag ihrem freundlichen Wesen nicht, bewusst jemanden zu kränken.

      In den letzten Wochen hatte sie genug zu tun, um alles für Weihnachten zu richten. Da waren die eigenen Leute, die Knechte und Mägde, denen sie eine Freude machen wollte. In diesem Jahr sollte Weihnachten ganz besonders hübsch für alle werden.

      Die Armen im Dorf galt es zu beschenken, und da sie darauf bedacht war, neben den praktischen Dingen auch noch Freude zu verschenken, so kostete es ganz besondere Mühe, die geheimen Wünsche aller herauszufinden.

      Es machte Phyllis unsagbare Freude. Die Knechte und Mägde beteiligten sich in ihren Freistunden freiwillig und gingen ihr zur Hand.


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