Potsdam MM-City Reiseführer Michael Müller Verlag. Michael Bussmann
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Raffiniert ist anders - eher schlicht und bodenständig ist sie, die traditionelle märkische Küche: Fisch, Fleisch, Kartoffeln. Man muss aber nicht nur auf Althergebrachtes zurückgreifen. Auch die Spitzengastronomie und spannende Ethnoküchen sind in Potsdam zu Hause.
Kulinarische Stadtspaziergänge durch Potsdam kann man auf www.eat-the-world.com buchen. Sie dauern ca. 3 Std. und kosten 39 €.
Typisch brandenburgisch
In und um Potsdam gilt: April bis Juni ist Spargelzeit. Mai und Juni Erdbeerzeit. Juli bis September Heidelbeerzeit. September und Oktober Kürbiszeit. November und Dezember Gänsezeit. Wer diese Zeiten kennt, kann schon fast erraten, was auf den Speisekarten auftaucht. Ganzjährig ist zudem Kartoffelzeit. Auf die Kartoffel als Beilage - die brandenburgischen Köche sind Bratkartoffelweltmeister - verzichtet man bei kaum einem Gericht, egal ob beim Schnitzel, beim Havelzander oder beim grünen Aal in Dillsoße. Auf der Karte steht zuweilen auch Wildschwein aus dem nahen Fläming oder Kaninchen - in Beelitz gibt es einen Kaninchenspezialitätenbetrieb. Aus Beelitz kommt auch der Spargel, der mit Sauce hollandaise und Rührei während der Saison in fast jedem Lokal zu haben ist (mehr zum Spargel hier). Eine weitere Spezialität der Region sind die schmackhaften Teltower Rübchen. Schon Goethe und Kant verehrten sie.
Kennen Sie Sanddorn, die Zitrone des Nordens? Den säuerlichen, orangefarbenen Beeren mit hohem Vitamin-C-Gehalt gefällt es in Brandenburg außerordentlich gut. Viele Regionalläden halten Sanddornprodukte bereit. Und im Sanddorn-Garten Petzow kann man z. B. Sanddorn-Senfschaumsuppe kosten.
Potsdam is(s)t anders
„Nimm dir Essen mit, wir fahr’n nach Brandenburg!“, singt Rainald Grebe. Nee, müssen Sie nicht, entgegnen wir. So manche Ecken des Bundeslands mögen infrastrukturell schlecht aufgestellt sein. Potsdam und seine Umgebung jedoch sind von gastronomischen Wüsten weit entfernt. Was in Potsdam serviert wird, ist auch nicht immer charakteristisch für die Region. Gutbürgerliche (und schlechtbürgerliche) Küche gibt es zwar, genauso aber asiatische Restaurants, vegane Cafés (www.potsdamvegan.de), Tapas-Lokale, Edelitaliener und -franzosen und selbst zwei Sternelokale. Zu bemäkeln ist nur das Preis-Leistungs-Verhältnis, das leider nicht immer das beste ist. Dafür kann man in hervorragenden Kantinen und Tagescafés moderne Regionalküche fürs kleine Geld bekommen. Und nicht vergessen: Am schönsten sitzt man in den herrlich gelegenen Ausflugsgaststätten des Umlandes.
Auf die Schnelle
Fischbrötchen! Man bekommt sie z. B. in Caputh, in Werder und im Sommer im lauschigen Fischerhof von Mario Weber, dem letzten hauptberuflichen Fischer Potsdams. Herrn Webers selbst geräucherter Saibling ist zum Sterben gut!
Soljanka, der aus Russland eingewanderte DDR-Restesuppenklassiker, fehlt auf kaum einer Kneipenkarte. Der eine oder andere Koch rührt Werder-Ketchup mit hinein. Seit 1958 wird in Werder nämlich Ketchup produziert, allerdings schon längst nicht mehr aus hiesigen Tomaten. Schmeckt superfruchtig!
Ragout fin („Ragu feng“ gesprochen) ist ein Überbleibsel der Hugenotten und ebenfalls kaum wegzudenken von den Speisekarten. Für Wessis: Huhn-, Kalbs- oder Schweinefleisch wird mit Weißwein und Worcestersoße eingekocht und dann in kleinen Förmchen mit Käse überbacken.
Potsdamer Stange & Co
Für Bierfreunde führt kein Weg an der Braumanufaktur Forsthaus Templin vorbei, wo alte regionale Biersorten in Bioqualität gebraut werden. Dazu gehört die Potsdamer Stange, ein unfiltriertes, untergäriges Vollbier, das in hohen, schmalen Gläsern, den „Stangen“, ausgeschenkt wird. Außerdem wurde das bernsteinfarbene, malzbetonte Werdersche Bier, das schon Fontane besungen hat, wiederbelebt.
Die Braumanufaktur ist nicht die einzige Brauerei in und um Potsdam. Hausgebrautes Bier gibt es auch in der herrlich gelegenen Meierei im Neuen Garten, im Brauhaus des Kronguts Bornstedt und im Restaurant Zum Rittmeister nahe Werder. In vielen einfachen Kneipen wird hingegen Potsdamer Rex ausgeschenkt, dahinter steckt die Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei.
Potsdamer Trauben
Wussten Sie, dass in und um Potsdam auch Wein angebaut und gekeltert wird? Die Weinberge Potsdams sind der Winzerberg, der Königliche Weinberg im Park Sanssouci und der hauseigene Weinberg der Villa Jacobs am Jungfernsee. Auch in Werder - v. a. berühmt für seine Obstweine - versucht man sich wieder mehr und mehr im klassischen Weinanbau.
Wege durch Potsdam
Potsdams historisches Herz
Tour 1
Willkommen im umstrittensten Stadtteil Potsdams! Die einen wünschen sich ein würdevoll-historisches Zentrum zurück. Die anderen scheuen sich vor der unaufhörlich fortschreitenden Disneylandisierung der Altstadt.
Neuer Markt, schön-stiller Barockplatz
Nikolaikirche, nicht verpassen: den Aufstieg zur Aussichtsplattform
Palais Barberini, hochkarätige Kunst zwischen russischem Impressionismus und Realsozialismus
Stadtschloss, hier darf man nicht nur reingehen, sondern sollte sogar
Kein Viertel der Stadt hat wohl in den vergangenen Jahren so sein Gesicht verändert wie das Eck um den Alten Markt. Friedrich der Große hatte den Platz einst nach dem Vorbild einer römischen Piazza anlegen lassen. Dann kamen Krieg und Zerstörung, Abriss und Wiederaufbau. „Zurück zu den Wurzeln“ heißt die Devise seit dem Mauerfall. Aus der Ödnis zu DDR-Zeiten wurde wieder ein Ort, der staunen lässt.
Rund um den Alten Markt versammelt sich auch so ziemlich alles, um was Potsdam in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten diskutiert und gestritten hat. Das Stadtschloss ist wieder da. Das Palais Barberini wurde rekonstruiert - seitdem bekommt Potsdam wieder einen regen Strom an Kunst-Nerds aus der nahen Hauptstadt und ganz Deutschland ab. Die Fachhochschule aus den 1970er-Jahren wurde abgerissen, ein Wohn- und Geschäftsviertel in historischen Dimensionen soll auf dem Areal entstehen - sehr zum Unmut derer, die in dem Nebeneinander aus DDR-Bauten und (pseudo-)barockem Protz eine spannende Melange sahen. Etwas weiter wird der Turm der Garnisonkirche wieder aufgebaut - vielleicht folgt auch noch das Kirchenschiff. Und so weiter und so fort.
Ein Sanierungsgebiet wird das Eck jedenfalls noch eine Weile bleiben. Die „Disneylandisierung der Potsdamer Innenstadt“, wie Kritiker meinen, ist noch längst nicht abgeschlossen. Sei es, wie es will: Den Potsdam-Touristen erwartet rund um den Alten Markt viel Spannendes. Und eine enorme Diskrepanz: Zwischen hochkarätiger Kunst und abgerockten Plattenbauten, vor denen Omis mit Kittelschürze und Rollator sitzen, liegen oft nur ein paar Meter.
Hinweis zum Aufbau des Reiseteils
Der in den Spaziergängen bzw. Radtouren und teilweise auch in den Eingangskapiteln auftauchende Pfeil „→“ vor einer Sehenswürdigkeit verweist auf eine ausführlichere Beschreibung im anhängenden Kapitel „Sehenswertes“.