Semantik für Lehrkräfte. Christian Efing

Semantik für Lehrkräfte - Christian Efing


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die Bedeutungen tragen. Zum anderen sind Wörterbücher nicht das zentrale Medium der Beschreibung von Bedeutungen – einmal ganz abgesehen davon, dass es neben Bedeutungswörterbüchern auch andere Typen von Wörterbüchern gibt.

      In einem vorwissenschaftlichen Verständnis stellen Wörter die kleinsten sprachlichen Zeichen dar, aus denen sich einzelne Sätze und aus diesen wiederum ganze Texte zusammensetzen. Diese Auffassung wird (mit der Differenzierung, dass Wörter die kleinsten selbständigen sprachlichen Zeichen darstellen) von der Sprachwissenschaft geteilt; hinzu kommen hier die Bereiche Laut und Schrift sowie Morphologie mit Wort- und Formbildung (vgl. Abb. 112a). Vor diesem Hintergrund sind nun mindestens drei Ebenen der semantischen Beschreibung von Sprache zu unterscheiden:

       die Ebene der Wortsemantik (die sog. lexikalische Semantik)

       die Ebene der Satzsemantik

       die Ebene der Textsemantik

      Abb. 112a:

      Sprachliche Variation nach sprachlichen Beschreibungsebenen und kommunikativen Bedingungen (Roelcke 2011: 17)

      In diesem Band wird ein besonderer Schwerpunkt auf Wortsemantik gelegt; Satz- und Textsemantik finden in einem eigenen Kapitel Berücksichtigung (vgl. Kap. 2.6).

      Der vorliegende Band behandelt im Wesentlichen die Semantik am Beispiel der deutschen Sprache. Doch welche Sprache ist damit genau gemeint? Denn so etwas wie die deutsche Sprache gibt es nicht: Zum einen unterliegt das Deutsche seit seiner Entstehung vor etwa zwölfhundert Jahren zahlreichen historischen Veränderungen und befindet sich auch derzeit im ständigen Wandel. Zum anderen zeigt auch die deutsche Sprache der Gegenwart zahlreiche Varianten – sei es mit regionalen Besonderheiten in verschiedenen Dialekten wie dem Bairischen, Sächsischen oder Moselfränkischen, oder sei es in funktionaler bzw. in sozialer Hinsicht mit der Sprache in Wissenschaft, Technik und Institutionen oder der Presse-, der Jugend- und der sog. Kiezsprache; hinzu kommen hier verschiedene mediale Ausprägungen wie gesprochene und geschriebene Sprache einschließlich deren Gebrauch in den sog. neuen, elektronischen Medien. Sofern nicht anders angegeben wird hier die deutsche Standardsprache der Gegenwart zum Ausgangspunkt semantischer Betrachtungen gemacht; die Variation von Bedeutung ist jedoch ebenfalls Gegenstand eines eigenen Kapitels (vgl. Kap. 2.5).

      Die wissenschaftliche Analyse und Interpretation von Wörtern ist Gegenstand der Lexikologie; die Aufgabe der Lexikographie ist das Erstellen von Wörterverzeichnissen, in denen einzelne Wörter (unter welchen Gesichtspunkten auch immer) beschrieben werden (vgl. Cruse et al. 2002–2005; Elsen 2013; Lutzeier 1995; Schlaefer 22009). Dabei sind je nach Auswahl der Wörter und Art der Angaben, die über diese Wörter jeweils gemacht werden, zahlreiche verschiedene Typen von Wörterbüchern denkbar (vgl. Abb. 112b): Zahl der Sprachen, Wortschatzausschnitt (Art der Wortschatzabgrenzung), Beschreibungsaspekt (beschriebene Zeichenebene oder Zeichenbeziehung), Gruppe der Benutzenden (bzw. vorrangiges Benutzungsziel), Analysebasis (Bezugswissenschaft oder Beschreibungsverfahren) und institutionelle Verankerung (Träger des Wörterbuchprojekts). Von solchen Wörterbüchern, die auf sprachliche Phänomene bezogen sind, werden in der Wörterbuchforschung, der sog. Metalexikographie (Hausmann et al. 1989ff.), Lexika und Enzyklopädien unterschieden: Diese enthalten im Wesentlichen Informationen, die sich auf Personen, Sachen oder Ereignisse beziehen.

Leitmerkmal Wörterbuchtypus
Anzahl der Sprachen Einsprachiges, mehrsprachiges Wörterbuch, Polyglottenwörterbuch
Art der Wortschatzabgrenzung Gegenwartssprachliches, neuhochdeutsches, mittelhochdeutsches, althochdeutsches Wörterbuch; Mundartwörterbuch, umgangssprachliches, standardsprachliches, fachsprachliches Wörterbuch; Individualwörterbuch, Grundwortschatz-Wörterbuch, Fremdwörterbuch, Thesauruswörterbuch, Sprachstadienwörterbuch
Beschriebene Zeichenebene Orthographisches, orthoepisches, morphologisches, phraseologisches Wörterbuch, Bedeutungswörterbuch, Valenzwörterbuch
Beschriebene Zeichenbeziehung Begriffswörterbuch, Synonymenwörterbuch, Antonymenwörterbuch, Kollokationswörterbuch, Wortfamilienwörterbuch, Homographenwörterbuch
Vorrangiges Benutzungsziel, Zielgruppe Übersetzungswörterbuch, Produktionswörterbuch, Hand-, Taschenwörterbuch, Lernerwörterbuch, Schülerwörterbuch, Expertenwörterbuch, Laienwörterbuch
Methodische Grundlage, Bezugswissenschaft Semasiologisches, onomasiologisches, synchronisches, diachronisches, etymologisches Wörterbuch
Lexikographische Grundlagen und Beschreibungsverfahren Korpuswörterbuch, Belegwörterbuch, Definitionswörterbuch, Allgemeinwörterbuch, Spezialwörterbuch
Träger des Wörterbuchprojekts Verlagswörterbuch, Akademienwörterbuch

      Abb. 112b:

      Wörterbuchtypen (nach Schlaefer 22009: 108)

      Da in diesem Band die lexikalische Semantik im Vordergrund steht, wird neben deren lexikologischer Betrachtung örtlich auch deren lexikographische Erfassung berücksichtigt.

      Übung 112a

      Welcher Wörterbuchtyp kommt dem lexikologischen Schwerpunkt des vorliegenden Bändchens am nächsten? Suchen Sie nach Beispielen.

      Literatur

      Auer 2013; Cruse et al. 2002–2005; Eco 92002; Elsen 2013; Haß-Zumkehr 2001; Hausmann et al. 1989ff.; Kessel/Reimann 52017; Lutzeier 1995; Nöth 22000, 2017; Schlaefer 22009.

      Allgemeine Lehr- und Studienbücher zur Semantik: Busse 2009; Cruse 1986; Hurford/Heasley/Smith 22007; Löbner 22015; Maienborn/von Heusinger/Portner 2011f.; Pafel/Reich 2016; Schwarz/Chur 62014; Staffeldt/Hagemann 2017; Stechow/Wunderlich 2008; Zimmermann 2014.

      1.2 Didaktische Relevanz

      1.2.1 Semantik, sprachliche Kompetenzen und Wortschatz(arbeit)

      Sprachliche Kompetenz beruht nicht nur auf dem Umfang des Wortschatzes, den eine Person oder ein Schüler oder eine Schülerin beherrscht, sondern auch auf der so genannten Wortschatztiefe, d.h. auf der Einsicht von Sprecherinnen und Sprechern, verschiedene Bedeutungen eines Wortes zu kennen und differenzieren zu können – oder Bezüge zwischen den Bedeutungen verschiedener Wörter zu kennen und gezielt einzusetzen, zum Beispiel zwischen Synonymen oder Ober- und Unterbegriffen (Hypo- und Hyperonymen) zu wechseln. Wortschatzerwerb ist weit mehr als nur das Lernen neuer Wörter, es ist der Erwerb einer zunehmenden Einsicht in die (zum Teil metaphorische) Bedeutungsbreite bereits bekannter Wörter. Nur solch ein Wissen um die semantische Tiefenstruktur der eigenen Sprache, um die Vernetzung der Wörter und ihrer Bedeutungen, ermöglicht es einem Schreiber/einer Schreiberin etwa, variantenreiche, stilistisch ansprechende Texte zu verfassen – oder einem Leser/einer Leserin, eine bestimmte Lesart eines Wortes im Zusammenhang zu erkennen. Insbesondere bei Schülern und Schülerinnen, für die Deutsch die Zweitsprache ist, kommt es nicht selten vor, dass sie zwar ein bestimmtes Wort kennen, hiervon aber nur die prototypische Bedeutung. Mit Schule wird so das ‚Schulgebäude‘ oder eine ‚Lehrinstitution‘ verbunden, aber die biologische Verwendung im Kompositum Baumschule oder bei


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