Sequenzen der Wörtlichkeit. Marie Döling
wurde die Gunst, zu verzeihen, meine oberste Priorität.
Durch dich aber musste ich lernen, dass jedes Prinzip seine Grenzen hat und jede Priorität sich ändern kann.
Denn dir, dir vergebe ich nicht. Ich habe es so oft getan. So oft versucht.
Nach deinem ersten Schlag hast du mich angefleht, zu bleiben. Hast mich inständig gebeten, dir zu verzeihen. Du hattest einen schwierigen Tag, dir ist die Hand ausgerutscht, der Stress und der Druck auf Arbeit bescherten dir ein Blackout.
Ich nahm es hin. Und mehr noch: Ich verzieh dir.
„Es war doch nur das eine Mal.“ (Katja, 26 Jahre)
Als du mich das zweite Mal schlugst, wollte ich gehen. Doch du flehtest mich an: die Arbeit, der Stress, der Druck. Ich habe dich nicht verlassen, denn ich verstand es. Wir redeten lange. Du schworst mir tausend Dinge und ich glaubte sie.
„Er hatte es mir fest versprochen.“ (Verena, 32 Jahre)
Das dritte Mal war heftiger. Ich blutete an der Lippe. War so benommen, dass ich nicht wusste, was passiert ist. Dass ich das Ausmaß dessen nicht begriff, was du sagtest: dass es meine Schuld wäre, weil ich dich provoziere. Dass sich bei uns grundlegend Dinge ändern müssen, weil du sonst gehen würdest.
„Ich wollte ihn doch nicht verlieren.“ (Bianca, 29 Jahre)
Wenn ich an diesen Abend zurückdenke, wird mir bewusst, dass dies der Moment war, in dem ich mich das erste Mal selbst verlor. Denn nun war ich es, die sich entschuldigte. Ich war es, die flehend auf dem Boden saß und weinte, hoffte, dass du mich nicht verlässt, während meine Lippe blutete.
Die Schläge, die in den Wochen und Monaten darauf folgten, nahm ich allesamt hin. Kläglich suchte ich Ausreden für dich, denn nicht einmal diese fielen dir noch ein.
Ich habe sie für dich erfunden. Denn du liebtest mich doch. Das zumindest sagtest du. Das war doch der Grund für alles.
„Unser Märchen sollte doch funktionieren.“ (Jonathan, 38 Jahre)
Ich war so auf eine Lösung des Problems fokussiert, dass ich das eigentliche Problem tatsächlich hinnahm. Immer und immer wieder.
Und entgegen allem, was ich hoffte, wurde es schlimmer.
Ich versuchte, alles an mir zu ändern, und bemerkte erst zu spät, dass du es warst, der mich veränderte. Dass du es warst, der meine Prinzipien verriet und meine Gefühle ausnutzte. Und dass ich es war, die sich selbst irgendwo zwischen deinen Schlägen und Tritten verloren hatte.
Ich, die ich nur noch ein klägliches Abziehbild jenes Mädchens war, das sich einst in das Leben verliebt hatte.
„Ich habe ihn doch geliebt.“ (Marina, 46 Jahre)
Dir, dir kann ich nicht verzeihen. Nicht, nachdem du mich mir selbst genommen hast.
Doch mir, mir muss ich verzeihen. Es ist ein schmaler Grat zwischen Reue und Schuld. Zwischen Schuld und Vergebung. Zwischen Gut und Böse. Und manchmal auch zwischen Märchen und Realität.
Für Katja, Verena, Bianca, Jonathan und Marina, die stellvertretend für jede Frau und jeden Mann stehen, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden. Ihr seid nicht allein. Und es ist nie zu spät, sich zu befreien.
Happy End
Da ist ein Riss, in meinem Märchen. Augen, die schreien, Liebe, die leidet. Alle Versprechen
g e b r o c h e n.
Ozean aus Asche
Ich gehe unter in meinen Erinnerungen. Mein Kopf platzt, meine Gedanken rasen, meine Realität verschwimmt. Ich will dich mitziehen, in den Ozean aus Asche, in dem ich
e r t r i n k e.
- Es gelingt mir nicht.
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