In Liebe wachsen und glücklich werden. Felicitas Römer

In Liebe wachsen und glücklich werden - Felicitas Römer


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verstehen das nicht« oder »Frauen sind halt so!«). Leider greifen all diese Erklärungsversuche auf Dauer zu kurz und bringen das Paar nicht nachhaltig weiter.

      Zerknirscht und aufgewühlt sitzen diese Paare in meiner Praxis und hoffen auf ein kleines Wunder, das ihre Liebe bitte retten möge. Wunder vollbringen kann ich natürlich nicht. Ich kann meinen Klientinnen und Klienten nur dabei behilflich sein, die eigenen Muster kennen- und verstehen zu lernen und gleichermaßen ein Verständnis für das Erleben und Verhalten des Partners zu entwickeln. Und ich kann sie dabei unterstützen, gemeinsam neue, konstruktivere Wege einzuschlagen. Das gelingt oft recht gut, erfordert aber eine gewisse Neugier, Offenheit und Arbeitsbereitschaft seitens beider Partner.

      Was diese Paare nämlich (noch) nicht wissen: Hinter ihren Beziehungsproblemen verbergen sich sehr oft alte, nicht verarbeitete und daher unbewusst gebliebene seelische Kränkungen. Ob problematisches Elternhaus, Demütigungen oder Beschämungen in Schule oder Ausbildung, traumatische Erlebnisse oder bittere Enttäuschungen in früheren Liebesbeziehungen: Seelische Kränkungen, schlimme Erfahrungen und emotionale Entbehrungen hinterlassen ähnlich tiefe Spuren in Seele und Körper wie Gewalterfahrungen. In Liebesbeziehungen zeigen sich diese alten, nicht verheilten Wunden oft in destruktivem Streit, Kommunikationslosigkeit oder einer Angriff-Rückzugs-Spirale, die sich wie ein Perpetuum mobile selbst aufrechterhält.

      Wenn ein betroffenes Paar aber nicht weiß, dass der Ursprung seines Konfliktes in der Vergangenheit liegt und tief im Unbewussten verwurzelt ist, fehlt ihm logischerweise auch das Verständnis für sein Beziehungsverhalten. Und natürlich stehen ihm dann auch nicht die passenden »Tools« zur Verfügung, sich aus dieser Misere zu befreien.

      Diese Wissenslücke möchte ich mit diesem Buch schließen: Ich möchte Sie dabei unterstützen, Ihre eigenen Beziehungs- und Verhaltensmuster und die Ihres Partners / Ihrer Partnerin besser zu verstehen. Warum reagiere ich auf manche Verhaltensweisen meines Partners so allergisch? Wieso schweigt er so oft? Und wie kommt es, dass wir ständig in endlose Diskussionen geraten? Wenn es Ihnen gelingt, Ihr Paarmuster zu durchschauen, können Sie zu gegenseitigem Mitgefühl und einer neuen Nähe finden. Das wiederum ermöglicht einen neuen Blick auf die Paarproblematik und eröffnet Ihnen neue Lösungsmöglichkeiten. Das erlebe ich in meiner Praxis nahezu täglich. Für mich als Therapeutin ist es immer ein sehr berührender Moment, wenn sich zerstrittene Partner nach ein paar Sitzungen in einem neuen Licht sehen können und sich wieder miteinander verbunden fühlen. Das bedeutet oft einen Wendepunkt in ihrem Beziehungsprozess, der ihnen neuen Mut zu ihrer Partnerschaft gibt.

      Einen besonderen Schwerpunkt lege ich in diesem Buch auf den Aspekt, wie sich die Partner gegenseitig bei der Bearbeitung und Heilung alter Wunden behilflich sein können, ohne dass sie dabei zu »Pseudo-Therapeuten« werden, sich selbst verlieren oder sich wieder miteinander verwickeln. Das ist mir deshalb so wichtig, weil wir meiner Ansicht nach nur in Beziehungen wachsen und heilen können. Wir alle – auch wenn wir noch so erwachsen und selbstständig sind – sind auf einen mitfühlenden Menschen angewiesen, der uns bei unserer Entwicklung begleitet und unterstützt. Es ist eine Illusion zu glauben, wir könnten das alleine, also sozusagen beziehungslos, schaffen. In destruktiven Beziehungen kann man krank werden, in liebevollen Beziehungen aber wachsen und heilen.

      Natürlich ist jeder für sich selbst verantwortlich, und die Arbeit an sich selbst und den eigenen Entwicklungsthemen kann uns niemand abnehmen. Aber wir alle brauchen für unsere seelische Gesundheit einen Menschen, von dem wir uns überwiegend angenommen fühlen, ganz gleich, ob das nun eine Freundin, der Partner, eine Kollegin, ein Bruder oder eine Schwester ist. Das bedeutet nicht, dass dieser Mensch uns immer toll finden soll und uns niemals kritisieren darf, sondern dass er grundsätzlich bereit ist, uns auch mit unseren Empfindlichkeiten, Ängsten und Nöten zu sehen und zu akzeptieren. Dass er sich Mühe gibt, uns zu verstehen und uns auch mal etwas verzeiht.

      Natürlich sollten wir uns umgekehrt auch darum bemühen, die Menschen, die uns selbst am Herzen liegen, mit ihren alten Wunden und Nöten liebevoll anzunehmen und ihnen in schwierigen Lebensphasen beizustehen. Dazu braucht man eigentlich nicht sehr viel: nur die Bereitschaft, echtes Mitgefühl mit sich und dem Partner zu entwickeln, und die Fähigkeit, sich auf eine gesunde Art abzugrenzen. Beides fällt zerstrittenen Paaren zunächst schwer, lässt sich aber üben. (All das werde ich Ihnen aber natürlich noch genau und praxisnah erläutern.)

      Wunder wird auch dieses Buch nicht vollbringen können. Ich hoffe trotzdem, dass Sie sich nach der Lektüre und der Bearbeitung der einen oder anderen Paarübung neu aufeinander einlassen können, so dass sich jeder von Ihnen in der Beziehung gut aufgehoben und verstanden fühlt. Und dass durch diese neuen, positiven Beziehungserfahrungen schließlich auch Ihre alten, schmerzenden Wunden dauerhaft heilen können.

      Zu Risiken und Nebenwirkungen:

       Tipps für den Umgang mit diesem Buch

      Ich habe dieses Buch als ein praktisches Arbeitsbuch für Paare konzipiert. Es möchte Sie einladen, sich ganz individuell mit den angesprochenen Themen zu beschäftigen und darüber miteinander ins Gespräch zu kommen. So können Sie einen möglichst großen, persönlichen Nutzen aus dem Buch ziehen. Nur theoretisches Wissen über die Funktion der Psyche reicht in der Regel nicht, um Rückschlüsse auf sein eigenes psychisches Erleben und Verhalten ziehen zu können – zu individuell sind unsere Biografien und Lebenswege. So habe ich zahlreiche kleinere, aber wirkungsvolle und zum Teil auch recht intensive Übungen für Sie zusammengestellt, die Sie ganz in Ihrem eigenen Tempo bearbeiten können. Nehmen Sie diese bitte nur als Anregungen, Sie müssen keineswegs alle Fragen beantworten. Oft reichen schon kleine Erkenntnisse, Assoziationen oder Bilder, um in dem eigenen oder dem partnerschaftlichen Prozess weiterzukommen.

      Wichtig: Wenn Ihnen schon die Vorstellung zu viel ist, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, und wenn Sie dadurch innerlich in Bedrängnis geraten: Prüfen Sie, ob es sich um eine »normale« Abwehrhaltung handelt oder ob Ihre Angst möglicherweise mit einer Traumatisierung zusammenhängt. Eine gewöhnliche Abwehrreaktion äußert sich eher in einem diffusen Unlustgefühl, während Ängste aufgrund von Traumatisierung sich auch deutlich körperlich mit Schweißausbruch, Herzklopfen o. Ä. äußern. In letzterem Fall sollten Sie diese Übung bitte überspringen. Das gilt selbstverständlich auch für alle weiteren Anregungen und Übungen, die Sie als belastend empfinden. In diesem Falle wäre es sicher hilfreich, sich psychotherapeutische Unterstützung zu suchen.

      Es wäre natürlich ganz wunderbar, wenn beide Partner gleichermaßen bereit wären, sich mit sich selbst, dem/der anderen und den möglichen Ursachen des Paarkonflikts auseinanderzusetzen. Schon dieses gemeinsame Interesse und eine gewisse Neugier auf tiefer ­liegende Prozesse können ein Paar emotional miteinander verbinden. Die Erfahrung zeigt aber, dass es meistens einen Partner gibt, der die Erforschung der möglichen Ursachen für die bestehende Paarproblematik stärker vorantreibt und sich mutiger in die heiklen Themen stürzt als der andere. Wenn Sie diejenige sind, die diesbezüglich aktiver ist: Lassen Sie sich nicht davon abhalten, sich mit Ihrer Partnerschaft zu beschäftigen, nur weil Ihr Partner sich vielleicht zögerlicher zeigt. Oft liegt dahinter nicht etwa Desinteresse oder mangelnde Zuneigung, sondern schlichtweg eine gewisse Sorge. Fragen Sie also vielleicht eher nach, was Ihr Partner be­fürchtet. Manchmal bremsen wir uns selbst aus, weil wir unliebsame (Selbst-)Erkenntnisse fürchten und bestimmte unerwünschte Ge­fühle und Erinnerungen vermeiden wollen. Auch in der Therapie prescht oft zunächst ein Partner voran und macht den anderen durch seine Erkenntnisse neugierig. Im Verlauf der Sitzungen gleicht sich das allerdings meistens wieder an, so dass auch der ehemals Skeptischere die gemeinsamen Sitzungen für seine persönliche Entwicklung nutzen kann.

      Seien Sie bei der Bearbeitung der Übungen bitte stets vorsichtig und achtsam mit sich selbst und auch mit Ihrem Partner / Ihrer Partnerin. Lassen Sie sich Zeit mit dem Buch. Gehen Sie behutsam und freundlich mit aufsteigenden Gefühlen oder neuen Erkenntnissen um. Legen Sie das Buch ruhig aus der Hand, wenn Sie sich gerade überfordert fühlen oder »zu viel hochkommt«. Dass Sie bei intensiven inneren Prozessen feinfühlig und fürsorglich mit sich selbst umgehen, ist mir ein großes Anliegen.

      Bleiben Sie auch bitte geduldig: Psychische Prozesse brauchen


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