G.F. Barner Box 1 – Western. G.F. Barner

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Ray noch mal sehen.«

      »Das dachte ich mir«, sagt Tom Nunn bitter. »Wann kann er hier sein?«

      »Ich weiß nicht. Ein paar Wochen dauert es sicher, ehe er aus Oregon hier eintreffen kann. Geschrieben habe ich ihm alles, aber vielleicht – vielleicht kommt er gar nicht mehr. Er schrieb mal, er hätte es nicht nötig, sich noch mit Rinderzucht abzugeben. Weiß nicht, wann er hier auftaucht, Tom.«

      Wie Tom Nunn, so kommen auch die anderen: Die Charltons, die Huegeles, die Smythes und die Weymillers. Fast alle sind gekommen, um Old Nat die letzte Ehre zu erweisen. Nur einer fehlt. Er ist ja krank und gelähmt, weite Wege kann er angeblich kaum noch machen.

      Big Jim Vance.

      Auch Howard hat sich bis jetzt nicht blicken lassen. Angeblich soll er unterwegs zum Rio Grande gewesen sein und nicht früh genug zurückkommen können.

      Zwei Stunden danach ist alles vorbei. Wagen und Reiter sind fort. Die Ranch liegt so still und ruhig in der Sonne wie das Grab unter den drei Bäumen auf dem Hügel. Dort oben liegt schon Cliffs Mutter, wiedervereint mit dem Vater.

      »Junge, er hat nicht mal den alten Clay Jenkins geschickt. Das ist ein guter Mann, dem alten Jim treu verbunden. Wenn er gekommen wäre, hätte ich etwas gewußt. Nun weiß ich etwas anderes, Cliff. Wir müssen aufpassen. Was wie Krankheitsgründe und Abwesenheit ausgesehen hat, das kann auch ganz was anderes sein.«

      »Bill, was denkst du?« fragt Cliff aufhorchend und starrt aus dem Fenster auf den Dunst des in der Sonne dampfenden Regens. »Du glaubst doch nicht, daß Jim Vance jetzt die ganze Südweide mit dem Wasserloch fordern könnte?«

      »Ich will es nicht hoffen, aber es könnte sein. Big Jim Vance hat das nie vergessen – nie, sage ich dir. Ich kenne diesen alten, hinterhältigen Burschen genau. Besetzt er unsere Südweide, kann er seine ganze Herde quer über sein Land auf unsere saftige Weide treiben. Unser Besitz grenzt an sein Gebiet. Nimmt er den Südstreifen, gewinnt er für einige tausend Rinder Platz und Futter. Und vor allen Dingen: Wasser. Big Jim konnte die ganzen Jahre nicht viel tun, um seine Herde zu vergrößern. Jetzt hat er die einmalige Chance.«

      »Das – das hieße Krieg, Bill.«

      »So?« fragt der Alte und saugt heftig an seiner Pfeife. »Gegen wen willst du Krieg führen? Gegen fünf Revolverschießer und zwanzig gewöhnliche Reiter? Zwei gegen fünfundzwanzig – das ist eine prächtige Rechnung, was? Nimm an, er besetzt das Land, was willst du dann tun? Wenn er dann hingeht und es kauft?«

      »Er kann doch nicht unser Land kaufen, Bill.«

      »Doch, das kann er, es ist freie Weide, Junge. Es würde ihn eine Unsumme kosten. Und sicher würde es eine Menge Fragen der Bodenbehörde geben. Die weiß ja, daß uns der Streifen gehört. Es könnte ein paar Monate dauern, bis sie entscheiden, ob sie das Land zum Verkauf freigeben. Doch irgendwann müssen sie es tun, das ist das Gesetz, Junge. Sieht nicht gut aus, wirklich nicht, Cliff. Ich wollte…«

      Als er schweigt, dreht sich Cliff um und räuspert sich.

      »Daß Ray hier wäre?«

      »Ja, Cliff.«

      Der nickt nur. Es trifft ihn nicht, was Old Bill sagt. Es hat ihn auch nicht getroffen, als er im Testament lesen mußte, daß es nur einen Thayer gibt, der über die Zukunft dieser Ranch zu bestimmen hat: Ray.

      Es ist alles richtig, denkt Cliff resigniert, Vater mußte es tun. Ray ist wie er, der läßt sich auch nicht einen einzigen Nagel der Ranch wegnehmen. Ich sicher auch nicht, aber kämpfen ist nicht meine Art. Ich würde mich verteidigen, Ray aber angreifen. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden. Und Dad hat es genau erkannt. Sicher, mir gehört die Ranch zur Hälfte, aber ich kann nicht ohne Rays Zustimmung verkaufen. Es ist, als hätte Dad geahnt, was kommen würde.

      »Cliff, es tut mir leid. Muß ein verdammtes Gefühl für dich sein, oder?«

      »Nein, Bill, nein, ich – ich bin eher froh. Dad hat es richtig gemacht, bestimmt. Schade nur, daß die Halunken vor vier Tagen die Rinder einfach zurückließen und davonjagten. Ich wollte, wir hätten ihre Fährte gefunden und bis an ihr Ende verfolgen können.«

      »Vielleicht kommen sie wieder«, sagt Bill nachdenklich. »Das fehlte jetzt noch. Auf der einen Seite Viehdiebe, auf der anderen Howard Vance mit seinem gerissenen Alten. Junge, wenn mich nicht alles täuscht, werden wir Howard Vance bald sehen. Dann können wir unsere Gewehre nehmen.«

      Der Alte steht auf und geht hinaus.

      Er ahnt nicht, wie recht er behalten soll.

      *

      Einen Augenblick bleibt Old Bill stehen, dann sieht er die drei Reiter im schlanken Trab den Weg heraufreiten.

      »Cliff, Achtung, wir bekommen Besuch.«

      Cliff ist gerade dabei, die neuen Siele zu fetten. Jetzt läßt er den Walkbalken fallen, blickt um den Schuppen und erkennt nun auch die drei Reiter.

      An der Spitze Howard Vance auf seinem großen Rapphengst. Sie sind am ersten Corral. Rechts hinter ihm reitet Matt Kilburn, ein eiskalter, sehniger Mann mit zwei Revolvern. Linker Hand hält sich Dexter Lane, etwa zwei Yards hinter Howard Vance. Lane hat noch zwei Brüder, und alle sind auf ihre Art im ganzen Grenzstreifen berüchtigt. Die Lanes haben Waffen und Brandy aus und von Mexiko geschmuggelt, jedoch hat man sie nur einmal erwischt. Seitdem lungern sie irgendwo in der Gegend von Laredo herum und stehlen dem lieben Gott die Zeit. Sie übernehmen jeden rauhen Auftrag, und Big Jim Vance hat sie alle drei wegen der Viehdiebe eingestellt.

      Mit langen Schritten überquert Cliff Thayer den Hof. Dann tritt er in den Hausflur, sieht, wie Bill wieder auftaucht und schüttelt kurz den Kopf.

      »Bill, was soll das? Wir brauchen kein Gewehr.«

      Old Bill Cooley hat gleich zwei in den Flur gebracht. Das eine reicht er Cliff und sagt grimmig: »Wenn du dich nur nicht irrst, Junge. Ich kenne Kilburn und die Lanes, ich kannte schon ihren Vater. Das war zu seiner Zeit ein ausgemachter Strolch, der ein Halbblutmädchen aus Agua Prieta nahm. Von ihr stammen die drei

      Lanes ab. Sieh sie dir nur an mit ihren schwarzen öligen Haaren, dann erkennst du, wieviel Prozent India­nerblut sie in den Adern haben. Sei vorsichtig, Cliff. Traue keinem, damit kommst du weiter. Ich habe die Hintertür verriegelt. Wollen sie herein, müssen sie schon ein Fenster zerschlagen.«

      Die drei Männer sind jetzt noch hundertfünfzig Yards entfernt und reiten im gleichen Tempo weiter. Nichts an ihnen verrät, daß sie es eilig haben. Sie kommen heran, als hätten sie hier etwas zu sagen.

      »Bill, es kann ganz friedlich sein«, sagt Cliff. »Und es wird an ihnen liegen, ob es auch friedlich bleibt, was? He, wo willst du hin?«

      »Nach oben«, antwortet Bill Cooley trocken. »Man kann sie von dort aus prächtig sehen. Geh nicht raus. Bleib an der Tür stehen und stell dich so hin, daß du mit einem Satz zurückspringen kannst. Klar?«

      »Ich weiß schon, was ich tue, Bill. Fang nichts an, wenn sie ruhig bleiben.«

      Cliff überprüft, während Old Bill nach oben hastet, das Gewehr. Dann lehnt er es im Flur an den Türbalken, tritt hinaus und postiert sich direkt neben der Tür. Wie immer steht Cliff Thayer etwas schief. Er wirkt auf den ersten Blick verwachsen mit der leicht schrägstehenden linken Schulter. Und doch weiß Old Bill, wie schnell Cliff mit seinem Revolver sein kann. Dieser mittelgroße Mann, den viele für einen Krüppel halten, hat mit unbeschreiblicher Zähigkeit an sich gearbeitet. Er hat nicht nur die Beweglichkeit seines Armes wiedergewonnen, sondern auch so schnell ziehen gelernt, daß es für manchen rauhen Burschen eine höllische Überraschung geben könnte.

      Über ihm tritt jetzt Old Bill an eins der Fenster, die ihm die Sicht auf den Hof freigeben. Old Bill hat noch eine Viertelminute Zeit. Er hastet zurück in den Flur und reißt die Tür zu einem der hinteren Zimmer auf. Er kann gleich darauf in den Garten und auf die Buschreihe am Bach sehen und verzieht den Mund zu einem grimmigen Lächeln.

      Das habe ich doch gewußt, geht es ihm durch den Kopf. Wo einer dieser Lanes ist,


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