Die Frau des Richters. Arthur Schnitzler

Die Frau des Richters - Arthur Schnitzler


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etwas zu spüren bekommen; und so vermöchte sie nicht recht zu verstehen, warum er sich denn mit einemmal über Dinge so sehr erbittere, die ihn im Grunde nichts angingen.

      Adalbert, von ihrem ungewohnten Widerspruch überrascht, entgegnete scharf, daß er, wie ihr wohl bekannt sein sollte, mit der Fähigkeit begabt sei, über das eigene Schicksal und das von Verwandten, Freunden und Landsleuten weit hinauszuschauen; daß es aber, wenn man schon davon reden wolle, auch in ihrer nächsten Umgebung keineswegs so vortrefflich bestellt sei, wie Agnes sich einzubilden vorgebe. Und er finde es wahrlich sonderbar, daß Agnes sich anstellte, als wisse sie nicht einmal etwas von der Schmach, die sich in ihrer nächsten Nachbarschaft seit Jahren und Jahrzehnten in frecher und höhnischer Weise breitgemacht habe –, und unvermittelt erklärte er den Tag als nicht mehr fern, an dem das Schloß Karolslust, das so viele Jungfrauen und ehrbare Frauen wie in einem Höllenrachen verschlungen habe, so zum Exempel die Schwestern seines alten Freundes Tobias Klenk, – daß Karolslust und manches andere Schloß von ähnlicher Bestimmung spurlos vom Erdboden verschwunden sein werde – und nicht diese Schlösser allein.

      Erschrocken setzte sich Agnes im Bette auf, die reichen blonden Haare fielen ihr gelöst über die Schultern, und in wachsender Bangnis lauschte sie den Worten ihres Gatten, der in losem Schlafrock, mit schiefer Perücke, die Stiefel in der Hand schwingend, seiner ersten Prophezeiung noch andere und wildere folgen ließ, so daß das friedliche Schlafgemach sich gleichsam mit einem Geruch von Blut und Brand zu füllen schien. Endlich warf er die Stiefel hin, entledigte sich des Schlafrocks und der Perücke, und während er über seine dunkelrote Stirn und die kurzen, gesträubten Haare eine weiße Nachtmütze stülpte, nahm Agnes die Gelegenheit zu der ängstlichen Frage wahr, ob er so furchtbare Voraussagungen, verführt von seinem Mitgefühl mit der gequälten Menschheit, am Ende auch vor Leuten vernehmen ließe, die vielleicht nicht klug genug seien, ihn recht zu verstehen oder sie ihm übel auslegen und bei irgendeiner Gelegenheit aus Bosheit und Neid gegen ihn ausnützen könnten.

      Adalbert rollte die Augen, drehte das Polster ohne jede Ursache zweimal in der Luft umher, ehe er sein Haupt darauf bettete, und wandte sich an Agnes mit der höhnischen Gegenfrage, ob sie ihn für einen Mann oder eine Memme halte, worauf er, den einen Arm wie zur Abwehr jeder Erwiderung vor sich hinstreckend – ohne Agnes eines weiteren Blickes zu würdigen, die Decke über sein Kinn zog und abgewandten Angesichts rascher einschlief, als Agnes nach einem so gewaltigen Leidenschaftsausbruch erwartet oder nur für möglich gehalten hätte.

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