Herzstücke Hamburg. Christine Lendt

Herzstücke Hamburg - Christine Lendt


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(Designerin) und Jörg Vogt (Schneider) hat noch etwas ganz anderes geschafft: Keine Kachel des Vorgängerladens, einer alten Wildschlachterei, wurde abgeschlagen. Die beiden haben ihr Geschäft sogar in die vermutlich nicht ganz behagliche Einrichtung des verstorbenen Metzgers eingefügt. An den gelblichen Fliesen stehen bei Frohstoff jetzt (ansprechend) die »Klassiker«: Eigens genähte Überwürfe für Flaschen, sogenannte Flaschenhussen, außerdem Buchhüllen und viele andere Kreationen. Wer selbst die Technik des Siebdrucks erlernen möchte, hat auch dazu bei »Frohstoff« Gelegenheit. Planen Sie hierfür ungefähr einen halben Tag ein.

      Frohstoff Siebdruck & Textilmanufaktur Meike Marie Buchholz · Atelier Wexstraße 38 · 20355 Hamburg · Tel. 040/39 99 14 47 · www.frohstoff.de U 1 Jungfernstieg

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       DAS AROMA VON SCHANZE UND PAULI

       Die Barmbeker nennen sie die »Spice Girls«, denn sie verschafften dem Stadtteil sein eigenes Gewürz. In ihrer Manufaktur in der Geierstraße kreieren Katharina Wilck und Bettina Matthaei ausgefallene Gewürzmischungen. Ihr Wissen geben sie in Seminaren weiter.

      »Barmbek Booster« heißt die rote Hommage an den Standort der Manufaktur. Die Gewürzmischung aus der gestylten Weißblechdose verschärft zum Beispiel Rührei, Suppen und Bohnentöpfe. Noch zwei Hamburger Stadtteile haben ein eigenes Aroma: Es gibt »Schanzen Chili« und »Pauli Pepper«. Mit ungebremster Leidenschaft kreiert Kochbuchautorin Bettina Matthaei neue und ausgefallene Mischungen wie diese. Tag für Tag experimentiert sie in der Versuchsküche auf der Suche nach außergewöhnlichen Geschmackserlebnissen. Ihre Ideen entspringen Reisen in exotische Länder, das Ergebnis sind kleine Schätze der Aromenkunst. Ihre Tochter Katharina Wilck führt das Geschäft. Wenn eine Bestellung kommt, werden die Rohgewürze in aufwendiger Handarbeit gemahlen, gecuttert, gemischt und direkt abgefüllt. Die Philosophie verlangt der kleinen Manufaktur ein logistisches Kunststück ab, denn sie produziert die Mischungen auftragsbezogen und in kleinen Mengen.

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       Um die Ecke beginnt ein schöner Spaziergang. Entlang des Flusslaufs geht es bis in die Innenstadt oder hinaus ins schöne Alstertal.

      Wenn Sie mehr erfahren möchten, können Sie an einem ca. dreistündigen Kurs teilnehmen. Nach einem Vortrag wird geschnuppert und probiert, gemahlen und gerührt. So erfahren Sie unter anderem, welche Rohgewürze den vier Geschmackssinnen zugeordnet werden, ob eine rosa Pfefferbeere süß ist und warum die Bezeichnung Pfeffersack als Kompliment gilt. Jeder Teilnehmer darf zwei eigene Gewürzmischungen herstellen. Vielleicht ist bald jemand dabei, der das Aroma von Eppendorf in ein Gewürz verwandelt.

      1001 Gewürze · Gewürzmanufaktur · Geierstr.1 · 22305 Hamburg Tel. 040/60 87 60 00 · www.1001gewuerze.de Direktverkauf in der Hamburger Manufaktur s. Homepage U 3, S 1 oder 11 Barmbek

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       ZERBROCHENES FINDET ZUSAMMEN

      Schon manche, die vor einem Scherbenhaufen standen, fanden bei Harald Schmalhaus die Freude wieder. Restaurierte Vasen, Teller, Tassen reihen sich dort aneinander. Die Porzellanwerkstatt im Kontorhausviertel ist Anlaufstelle für alle, denen etwas Wertvolles zerbrach. Die einen lassen das teure Erbstück restaurieren, andere kommen wegen ideeller Werte, sei es Großmamas Kaffeeservice, die Lieblingstasse vom Flohmarkt oder der Wandteller, der einen sicheren Aufhänger benötigt. Manches gute Stück wird hier in ein ganz besonderes verwandelt. Die Porzellanwerkstatt hat eine mehr als hundertjährige Geschichte. Wenn ein Kunde hereinkommt, klimpert eine besondere Klingel über der Tür: eine Tasse, die niemals kaputtgeht.

      Die Porzellanwerkstatt · Altstädter Straße 11 · 20095 Hamburg Tel. 040/34 24 42 · www.dieporzellanwerkstatt.de U 1 Meßberg

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       ELBEGUT TREIBHOLZUNIKATE

      Wenn die Elbe mal wieder höhere Wellen schlägt und über die Ufer rollt, bringt sie Geschenke mit. Hölzer, Äste und Planken, fein geschliffen vom Wasser. Jedes Stück ist für sich ein Unikat. Danach hält Francisca Schmidt Ausschau bei ihren Spaziergängen an den Stränden von Blankenese oder Falkenstein, und bei jedem Fund fragt sie sich: Wo dieses Holz schon überall gewesen sein mag? Wo wächst der Baum, dessen Stück hier vor mir liegt? »Manches Stück Treibholz erzählt uns so viel, dass es so, wie es an den Strand gespült wurde, schon ein vollendetes Kunstwerk darstellt. Dann mache ich aus den Stücken gern Skulpturen«, sagt die gelernte Segelmacherin. Ihre Werkstatt im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel führte sie einer neuen Bestimmung zu. In einem kleinen Hofladen mitten im Blankeneser Treppenviertel und im Onlineshop verkauft sie ihre Kunstwerke.

      Elbegut · Sa & So 11–17 Uhr oder nach tel. Vereinbarung: 0172/216 50 98 Hans-Lange-Straße 7 · 22587 Hamburg · www.elbegut.de

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       DAS FRANZBRÖTCHEN – NUR IN HAMBURG

       Kaum ein Produkt entzieht sich so sehr der Globalisierung wie ein einfaches Gebäckstück aus Hamburg: Das Plunderstückchen, gefaltet in unverwechselbarer Schmetterlingsform mit angeblich aphrodisierendem Zimtgeschmack, birgt ein Geheimnis.

      Mit letzter Sicherheit weiß bis heute niemand, wer als Erfinder des Franzbrötchens gelten kann. Jahrelang recherchierte der Publizist Manfred Beseler, Herausgeber des Taschenbuchs Das Franzbrötchen im gleichnamigen Hamburger Verlag, die Herkunft des braungelben Plunders.

      Viele Spuren der Gebäckforschung erwiesen sich als Irrweg. Die Einführung eines »Franz(osen)brots« im Zuge der Besetzung Hamburgs durch Napoleon Bonaparte in den Jahren 1806 bis 1813 kann inzwischen als widerlegt gelten. Ebenso die Anekdote über einen fülligen Bäckergesellen in Hamburg-Harburg, der sich nach durchzechter Nacht morgens auf den vorbereiteten Teig gesetzt und so dem Brötchen seine spätere Form gegeben haben soll. Die Gebäckexpertin Annette Hillringhaus aus dem Museum für Brotkultur in Ulm reiste schließlich 2010 eigens zum 1. Internationalen Franzbrötchen-Kongress in das Hamburger Kulturwerk West und präsentierte neue Archiv-Funde. Einem vergilbten Werbeplakat zufolge habe tatsächlich ein Franz‘scher Bäcker, Johann Heinrich Thielemann (1848−1901), möglicherweise beeinflusst durch die nordische Tradition des »Kopenhagener« und skandinavischen Plunderstückchens im einstmals dänischen Altona, das eigentümliche Gebäckstück schon früher als bekannt feilgeboten. Damit wurden auch die Aussagen von noch lebenden Nachkommen Thielemanns bestätigt, die Buchautor Beseler zuvor aufgespürt hatte. Die Franz’sche Bäckerei an der Großen Bergstraße 9 am Eingang zum Vergnügungsviertel Reeperbahn musste einem Modekaufhaus und dann einer Klinik weichen. Bei der Verkostung der eingesandten Proben aus 21 Bäckereibetrieben zum


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