Monster, Monster überall. Jürgen Höreth

Monster, Monster überall - Jürgen Höreth


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ich noch mal hören muss, dass du die Hand gegen die Frau und das Kind erhebst, dann komme ich wieder und zerre dich in den sechsten Stock. Da oben gibts auch Fenster. kapiert?«

      Die Glatze schaute immer noch etwas störrisch aus der Wäsche, was Emrah gar nicht passte, also griff er nach seiner Nase, verdrehte das Teil und wartete, bis es hässlich knackte.

      Der Muskelmann fing das Flennen an.

      »Ich habe dich höflich gefragt, ob du das KAPIERT hast, du Weichei?«

      »Knapier, Knapiert …«, greinte Captain Nazi und hielt sich dabei seine kaputte Nase, die wie eine ausgepresste Zahnpastatube aussah.

      Emrah ging dann jede Woche zu der Frau, erkundigte sich, ob der Nazi sie gut behandelte, und bedachte den bandagierten Muskelmann dabei mit seinem ›Bösen Blick‹ (eine hochgezogene Augenbraue mit verkniffenem, stahlharten Blick).

      »Hast Du eigentlich keine Angst, dass der Nazi, dir mal mit zehn seiner Kumpels an ’ner dunklen Ecke auflauern könnte, um es Dir heimzuzahlen?«, fragte ich Emrah einmal.

      Er sah mich irritiert an, mit einem Blick, der implizierte Junge, wie kommst du denn auf so etwas Absurdes und dann sagte er lapidar: »Nö.«

      Tja, so war Emrah …

      Als ich so allein im Keller herumsaß, kam mir ein alter Film in den Sinn. Darin war auch so ein armer Tropf an einen Holzstuhl gefesselt. Er kam dann flugs auf den Trichter, den Stuhl so lange mit seinem hin- und herschwingenden Oberkörper zu kippeln, dass der Stuhl umfällt und in tausend Teile zerbricht.

      Also fing ich an feste zu schunkeln. Der Stuhl wackelte und fiel schließlich um. Das Blöde war, dass das Mistteil so stabil war, das weder Lehne, noch Stuhlbeine auch nur annähernd angeknackst waren.

      Außerdem hatte ich mir bei dem Sturz wahrscheinlich ein paar Rippen gebrochen, was ich nicht fühlte, schließlich war ich vollkommen schmerzbefreit. Tja, da lag ich nun und betrachtete den Raum aus der umgekippten Perspektive.

      Dann sah ich etwas, das mein Interesse erweckte. Eine Zange. In einem Regal. Gute zwei Meter links von mir. Ich hatte Glück. Meine Beine waren nicht an die Stuhlbeine gefesselt. So hatte ich einen gewissen Bewegungsspielraum. Ich robbte auf das Regal zu und erreichte es schließlich. Nach drei Versuchen gelang es mir meinen Fuß gegen das oberste Regalbrett wummern zu lassen. Der Lärm würde die drei Kosakenzipfel alarmieren.

      Ich wummerte noch mal und hatte Glück, das Regalbrett löste sich und die Zange fiel nach unten. Nervös warf ich einen Blick zur Tür.

      Noch alles ruhig. Mit dem Fuß rangierte ich das Werkzeug in Richtung meiner Hände. Und hey, das konnte ich ziemlich gut, auch wenn es für Zirkusauftritte wohl nicht reichen würde.

      Meine glitschigen Finger umfassten den Griff der Zange. Dann riss ich an den Drahtfesseln, damit ich etwas Spielraum für das Werkzeug schaffen konnte. Blut spritzte. Mein Fleisch am Handgelenk teilte sich, dann stieß der Draht auf den Knochen. Mann, wenn ich das hätte fühlen müssen, du liebes Lieschen, war ich froh, Mr. Schmerzfrei zu sein.

      Klack – der Draht sprang weg, wie ein verschrecktes Kaninchen. Schnell befreite ich noch die andere Hand.

      Dann ging die Tür auf.

      Igor sah ziemlich ärgerlich aus. Jedenfalls fletschte er die Zähne wie ein enttäuschter Bullterrier und eine Zornesader pochte über seiner dicken Augenbraue, dass ich schon Angst bekam, sie würde lebendig werden und mir ins Gesicht springen.

      Die anderen beiden waren nicht zu sehen.

      Fein. Mit einem Russen würden ich es doch noch aufnehmen können … na ja, immerhin war ich Mr. Schmerzfrei …

      »Wie hast du ääs angäställt, dass …«

      So weit kam er noch mir eine Strafpredigt zu halten, dann warf ich ihm die Zange an die Birne.

      Er grunzte, als ob eine Fliege über seine Stirn gekrabbelt sei, und das war’s auch schon.

      Als er sich in Bewegung setzte und auf mich zukam, fiel mein Blick auf einen Werkzeugkasten. Ich langte nach dem Ding, bekam es zu fassen und pfefferte das Teil an seinen Schädel. Der Kasten war mordsschwer, dementsprechend riss es Igor von den Füssen.

      Er taumelte nach hinten und klatschte an die Wand. Ich besah mir den Werkzeugkasten – etwas Blut und ein paar Zähne klebten daran.

      Igor blinzelte, als würden ihm gleich die Lichter ausgehen. Seine Lippe war übel ramponiert, die ausgeschlagenen Vorderzähne machten ihn nicht unbedingt hübscher, und auch seine Nase hatte einen Richtungswechsel nach schräg links vorgenommen.

      »Na dann, hier kommt der Nachschlag …«

      Den Satz wollte ich schon immer mal sagen, und so hob ich den Werkzeugkasten für ›Runde 2‹, als die Tür nochmal aufging.

      »Kalle, leg die Kiste weg … lass den Scheiß«, fauchte Emrah mich an.

      »Verdammt noch mal, was soll das denn heißen, Emrah? Und wo treibst du dich eigentlich rum, häh?«

      »Ich hatte zu tun, Kumpel. Und als ich hörte, dass die Chruschtschows dich geschnappt haben, bin ich gleich los gewetzt und …«

      »Was, diese Nasen heißen Chruschtschow? Nicht wirklich, oder?«

      »Doch, Igor, Sergej und Natalia Chruschtschow. Die kenne ich schon ‘ne halbe Ewigkeit …«

      »Ach was? Und warum suchen diese sympathischen Typen dich?«

      »Ich hab vor zwei Tagen bei Natalia übernachtet und aus Versehen ihr Handy eingesteckt …«

      »Was … bei der ganzen Sache ging es um ein scheiß Handy? Nee, das ist nicht wahr?«

      »Äh … ja, die sind bei solchen Sachen ziemlich etepetete, die Chruschtschows, weißte …«

      »Dieses Igor-Arschloch hat mich gefoltert, Du Elch. Weißte?«

      »Wa … echt?«

      »Mein scheiß Zeh ist nur noch Matsch … und das alles wegen einem popeligen Handy …«

      »Na komm, Kalle, das Teil ist wirklich teuer … und die ganzen Apps und … es hatte so Straßsteinchen …«

      »Du hast ein Handy mit Straßsteinchen aus Versehen eingesteckt?«

      »Öh … äh, jahaa …«

      »Halt die Klappe, Emrah. Halt einfach nur die Klappe …«

      Igor begann sich wieder hochzurappeln. Er fuhr sich mit dem Ärmel über die zerschrammte Lippe und wischte so das Blut weg. Die Nase sah wirklich komisch aus, was mich leicht schmunzeln ließ. »Wos?«, grunzte der Russe, wobei er etwas schleimiges Blut und Zahngekröse ausspuckte.

      »Hey, Igor, hast du wirklich meinen Kumpel mit ’nem Hammer gefoltert?«, fauchte Emrah.

      »Also von meinem Zeh ist nicht mehr viel übrig …«, musste ich unbedingt noch einwerfen.

      Bevor Igor noch einen Piep rauspresste, packte Emrah ihn an seinen abstehenden Ohren und rammte sein Knie in die bereits derangierte Visage. Igor gingen wieder die Lichter aus.

      Als wir die Treppe hochstiegen, ging die Tür auf und Sergej streckte seinen Kopf herein.

      »Ja, grüß dich Sergej«, meinte Emrah und schmettere seinen Schädel gegen die Wand, dass es gefährlich knirschte.

      »Du machst wie immer keine halben Sachen.«

      


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