Die flammende Nacht. Hans Hyan
sollen kriegen unsern Anteil nachher? Aoh no, sir! cash down on the table our nevermind!“
„Aber Herr v. Hohenhausen will nicht mit Ihnen spielen! Er liebt es, seine Gesellschaft nach seinem eigenen Geschmack zu wählen. Wir wollen doch verständig sein, meine Herren oder, wie man richtiger sagen könnte: wir wollen ‚tachles‘ reden. Sie beide, gewiss erprobte Gentlemen, haben das Pech gehabt, mehrfach in Moabit bei sogenannten Sensationsaffären an hervorragender Stelle zu glänzen. Die Zeitungen haben Ihnen volle Aufmerksamkeit geschenkt, Ihre werten Namen wurden wiederholt veröffentlicht, und ... und ...“
„Das passt dem sogenannten Herrn Baron nicht?“ Trassners grinsendes Antlitz ward im Schein der vorbeihuschenden Lichter wie eine Fratze sichtbar.
Max Levy nickte wiederholt. Seine Stimme, kalt und geschmeidig, hob sich ein bisschen:
„Nein, das ist nicht der richtige Ausdruck dafür. Herr v. Hohenhausen lehnt es einfach ab, mit Ihnen beiden zu hasardieren. Er lässt Sie sehr höflich bitten, sobald wir mit Herrn v. Sterkow am Bestimmungsort sind, unter einem Vorwand tunlichst bald zu verduften! Dafür steht er Ihnen morgen vormittag ab zwölf Uhr in seiner Wohnung zur Verfügung. Und er verpfändet, wiederum durch mich, sein Ehrenwort — — —“
Ein Gelächter, mehr ein Wiehern, lässt den Blassen innehalten.
„Ehrenwort! haste gehört, Bibi, Ehrenwort hat er gesagt!“ Herr Trassner grunzte und gurgelte von neuem.
Wirucz, dem jener zärtliche „Schemm“ galt, gab sich überlegener und blieb amerikanisch:
„Well, Mr. Levy! Sie sein eine Spassmacher! Aber wir wollen sein money-makers! .. Geld woll’n wir, vastehn Se, Geld woll’n wir haben, un kein Ehrenwort, ’s grosse nich und nich ’s kleine!“
Max Levy pfiff das Bananenlied. Aber Trassner griff das gar nicht ungeschickt auf und schrie fast:
„Wir auch nich! Stimmt! Wir auch nich! Aber wir woll’n die Bananen nicht runterholen vom Baum, damit sie ’n anderer auffrisst! Und wenn „Hänschen“ uns mevulwe machen will oder auf ’n Schmus nehmen, dann soll er sich seine Linkmichel wo anders suchen!“
Max Levy sah ein, es war nichts zu machen. Er zündete sich eine Zigarette an, reichte gefällig auch den beiden Gesellen das funkelnde Etui und atmete auf, da jetzt das Auto in der Bülowstrasse nahe dem Hochbahnhof hielt.
7
Eine dunkle unheimliche Gegend, in die nur die hochoben vorbeigleitenden Züge flackernde Helle werfen.
Die drei Herren aus dem zweiten Wagen standen schon vor dem Hause. Aber Trassner hatte — absichtlich oder nicht — eine falsche Adresse gegeben. Man musste noch um die Ecke in die Querstrasse. Da war ein schmaler Laden mit matt erhelltem Schaufenster, auf das chinesische Schriftzeichen gemalt waren.
Liarrpe, ein kleiner, etwas verwachsener Chinese im langen, seidegestickten Rock, der nicht sauber war, begrüsste die Eintretenden mit der übertriebenen Höflichkeit, die seiner Rasse eigen. Seine Verbeugungen und gemurmelten Worte geleiteten die Herren durch den schmalen, fast leeren Laden in eine mässig grosse Hinterstube, wo kleine, niedliche Chinesenmädchen, fast noch Kinder, Tee servierten. Das heisst, sie boten auf Lackbrettern Tassen aus sehr durchsichtigem Porzellan und kleine braune Kannen mit Drachenemblemen, voll kochenden Wassers. Den Tee nahm der Besucher mit der Silberzange aus der Steinbüchse und bereitete das Getränk, das herrlich duftete, selbst in seiner Tasse. Dazu gab es eine Art von Konfekt, das fettig und zäh war, auch kleine, verschieden geformte Kuchen. Man sass auf ganz niederen Sitzen, die strohgeflochten und, wie alles andere, nicht sehr neu waren. Ein paar gestickte Lappen an den Wänden, eine kleine Porzellanpagode in der Ecke, ganz winzige, wie Hocker geformte Bambustischchen und die ziemlich dicken Rohrmatten auf den Dielen. All das in dem ungewissen Dämmer gelber, grüner und roter Lampions von bizarrer Form.
Es sassen schon etwa zwanzig Personen im Raum, als die sechs Herren hinzukamen. Nun war es fast zu voll. Der Dampf der wie kleine Blechkästen ausschauenden Wasserpfeifen wallte über den Köpfen unter der nicht hohen Zimmerdecke.
Die kleinen Chinesinnen in ihren hellen, mit Blumen und Gold bestickten Röcken, das glattanliegende, dunkle Haar mit Blüten, mit Zierrat besteckt, der aus dem blauschillernden Gefieder des Eisvogels geklebt war — die kleinen, anmutigen Geschöpfe gingen zwischen den Männern umher, voller Artigkeit und so dienstwillig, dass sie selbst das recht zudringliche Verhalten mancher Gäste nicht zu stören schien. Auf Männerknie gezogen, blieben sie einen Moment ruhig sitzen und baten lächelnd mit bittenden Gebärden um ihre Freiheit. Einmal musste Liarrpe intervenieren, doch auch da klang die Abwehr der kleinen Schlitzäugigen mehr wie ein erschrecktes Vogelzwitschern.
Nun tönten leichte Gongschläge — die Vorstellung begann. Der Chinese lief hin und her, die Lichter erloschen, und es verschwanden die kleinen Mädchen.
Dann ging an der Stirnwand des Raumes ein vorher kaum bemerkter Vorhang voneinander, und zu gleicher Zeit hörte man das Surren der Vorführungsmaschine — ein Kino also, ein chinesischer Film!
„Schade, ich hätte mir was anderes gedacht“, sagte Herr v. Sterkow; doch der eine der beiden Schlepper, der hinter ihm sass, meinte:
„Warten Sie man, das ist bloss das Vorspiel, das dicke Ende kommt nach!“
Wie von einer peinlichen Hand berührt, schob sich der Oberkörper des Kavaliers nach vorn, aus der Atmosphäre des Herrn Trassner.
Inzwischen rollte das Filmband:
Der „blaue Fluss“, der Jangtse mit seinen Wasserhäusern und Wohnschiffen, den Dschunken und dem Gewimmel der zopfigen Bewohner. Da war eine Bucht hinter Rohr und Dickicht. Das Boot eines Mandarinen, am Ehrenschirm kenntlich, flog flink in die schmale Schilfstrasse hinein. Nun kam die glimmernde Fläche eines Teichs oder Binnenwassers mit grossen, weissen Enten darauf und Söhnen des Himmels, die am Landungssteg eines grossen Kahns Wäsche schlugen und spülten. Der Mandarin sah sie nicht; sie, die Kulis, machten auf der schmalen Holzborde ihren Kotau.
Das grosse Boot, an dessen Heck die Schiffer des Mandarin soeben anlegten, war buntbemalt: das immer wiederkehrende Drachenmotiv wechselte mit seltsamen Vögeln und Menschengesichtern zwischen Blumen, die wie Tiere blickten und schnappten. Dazwischen erotische Szenen von nicht zu schildernder Deutlichkeit: ein Flowerboot! Eins jener merkwürdigen Freudenhäuser Chinas, die etwa den Teehäusern der Japaner entsprechen, aber an erotomanischen Exaltationen und Liebeskult alles, was da sonst auf der Welt existiert, mit echt chinesischer Nonchalance hinter sich lassen.
Drei kleine, blumige Mädchen, in den Händen triangelartige Schlaginstrumente, die wie schrille Glocken tönen, traten aus dem Rachen des feuerspeienden Wurmes, der die Pforte malte. Und der Mandarin, noch ein junger Mann, zog mit ihnen in das Haus der Lust.
Und nun kam die Bühne auf der Bühne. Fast ebensolch ein Gemach wie das, in dem der ehrenwerte Liarrpe seine „von den Göttern geleiteten“ Gäste mit Sensationen pfefferte, zeigte der Film. Die Schmalwand des Filmgemaches ging als Vorhang voneinander, und es erschien ein Paravent aus schwarzem Stoff — ganz ähnlich dem, vor welchem Hans v. Hohenhausen sass mit seinen Begleitern. In der Mitte des Stoffes stand der Helle Lichtbildfänger im Bildrahmen — — — aber das Surren der Maschine hatte aufgehört, der aus Trillionen unirdisch heller Fäden gewobene Lichtkegel stand nicht mehr auf dem Bilde ... das kein Film, überhaupt kein Bild mehr war .. man sah eine Fläche wie aus gebleichter Seide, die von hinten erhellt schien. Und in dem hellen Grunde erstanden Schatten, die näher kamen, sich verdichteten und zu Figuren wurden, zu Menschen .. die sich bewegten .. tanzten.
„Schattenspiele“, flüsterte Max Levy.
„Abwarten!“ echote Trassner unangenehm deutlich.
Es waren zwei der kleinen Chinesendamen, wenigstens ähnelten sie denen, die vorhin den Mandarin in das Flowerboot geführt hatten. Sie tanzten mit einer unnachahmlich stillen Grazie, sie trippelten wie kleine Bachstelzen, und schwebten wie Sonnenfalter um einen Krieger, der mit untergeschlagenen Beinen, ehern, unbeweglich, in Stein gehauen, wie Buddha selber, in der Mitte des Bildes sass.
Und