Tod in der Hasenheide. Connie Roters

Tod in der Hasenheide - Connie Roters


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      Cosma spürte, wie der feste Grif f sich löste, um dann durch einen neuen der Kriminalpolizisten ersetzt zu werden. Sie wurde zur Seite gedreht und auf den Weg geschoben. Niemand redete mit ihr. Abgeführt wie ein Stück Vieh, dachte sie.

      Tränen der Wut stiegen in ihr hoch, ihr Magen verkrampfte sich, und ihre Kehle war wie zugeschnürt. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich der Verknitterte in Richtung Tunnel entfernte. Plötzlich drehte er sich noch einmal um und rief.

      »Ach ja, sie soll gleich noch ihre Schuhe ausziehen und sie Manfred geben.«

      Cosma spürte den Adrenalinschub durch ihren Körper schießen.

      »Was?!«, schrie sie empört. »Soll ich etwa auf Strümpfen laufen?«

      Sie wollte ihm hinterherrennen, aber der Polizist packte fester zu, und sie schrie auf. Delego legte beruhigend ihre Hand auf die ihres Kollegen, worauf sich der Grif f wieder ein wenig löste.

      Der Verknitterte sah Cosma aus der Entfernung an und beantwortete ihre Frage mit einem knappen Nicken. Sie hörte die Worte »wichtige Beweisstücke« und sah, wie er einen Mann von der Spurensicherung zu sich rief und ihn bat, ihre Schuhe in Empfang zu nehmen.

      »Beweisstücke wofür?«, rief sie aufgebracht.

      Ihre Blicke trafen sich. Breschnow musterte sie nur kurz, wandte sich dann schweigend ab und ging zurück zum Tunnel.

      Die Polizistin legte eine Hand auf Cosmas Schulter und versuchte so, ihre Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen.

      »Mein Name ist Delego, und das ist mein Kollege Subat. Sie bekommen Überzieher, damit Ihre Füße nicht nass werden.«

      Sie hielt kurz inne und sah zum Himmel hinauf, aus dem es immer noch schüttete. Dann nahm sie sich selbst und Cosma in Augenschein und lachte.

      »Eigentlich brauchen Sie keine Überzieher mehr. Wir sollten Sie lieber so schnell wie möglich ins Trockene bringen. Sonst werden Sie uns noch krank. Manfred leg mal ’nen Zahn zu!«

      Ein älterer Herr in einem grauen regensicheren Overall schlenderte auf sie zu und grinste.

      »Moin, ihr drei. Haben wir uns nicht ein schönes Wetter für unseren lauschigen Parkausflug ausgesucht?«

      Delego lachte wieder. Subat blickte den Kollegen grimmig an und brummte etwas Unverständliches.

      Cosma sah zu, wie der ältere Mann sich durchsichtige Plastikhandschuhe überzog.

      »Nettes Tierchen, junge Frau.«

      Er tippte sich an die linke Schläfe.

      »Und nu geiht dat los.«

      Er ging in die Hocke und zeigte mit dem Finger auf Cosmas rechten Fuß, den sie bereitwillig hob. Behutsam nahm er ihn in die Hand, öf fnete die Schnürsenkel und zog ihr den schmutzigen Schuh aus. Anschließend streifte er einen Plastikschuh darüber und verschnürte ihn sorgfältig am Gelenk.

      »Hat auch nicht jeder«, frotzelte er. »Die neuste Mode aus Übersee!«

      Cosma sah zu ihm herunter und lächelte. Seine Freundlichkeit tat ihr gut. Sie stellte den Fuß wieder ab und hob ohne Auf forderung den Linken. Dieselbe Prozedur.

      Der Spurensicherer erhob sich mit knackenden Kniegelenken, zog einen imaginären Hut, zwinkerte ihr zu und verabschiedete sich mit einem kurzen »Tschüss, denn man tau«.

      »Spinner«, schimpfte Subat, als sie außer Hörweite waren. Seine Kollegin sah ihn mahnend an. Sie hatten Cosma in die Mitte genommen und gingen schweigend in Richtung Auto. Cosma hatte Schwierigkeiten, in den Plastikschuhen zu laufen. Die kleinen Steinchen piekten ihr in die Füße, zudem hatte der Regen den Weg glitschig gemacht. Leise verfluchte sie den Verknitterten und musterte die beiden Polizisten aus den Augenwinkeln. Die Frau war ungefähr so groß wie sie und kräftig. Ihre krausen Haare waren zu kleinen Zöpfen geflochten, die sie am Hinterkopf zusammengesteckt hatte. Der Mann war hager und hochgeschossen. Auf seiner Glatze war bereits ein dunkler Haarschatten zu sehen.

      Auch einer, der sich eine Glatze rasiert, wie Dino, dachte Cosma, und wenn sie irgendwann alt sind, fangen sie an zu jammern.

      Sie versuchte, das Tempo zu reduzieren.

      »Mit den Plastiktüten kann ich nicht so schnell laufen«, maulte sie und sah auf ihre Füße.

      Die Polizisten verstärkten erneut ihren Grif f, wurden aber wenigstens langsamer. Endlich erreichte die kleine Gruppe den Transporter am Parkausgang. Subat schloss die hintere Tür auf, dann halfen ihr die beiden beim Einsteigen. Cosma setzte sich auf eine der Sitzbänke an einem kleinen Tisch. Die Polizistin nahm neben ihr Platz, der Kollege ihr gegenüber.

      »Wir werden zuerst Ihre Personalien aufnehmen«, stellte er fest. »Können Sie sich ausweisen?«

      »Nein, kann ich nicht!«, blaf fte Cosma. »Wenn ich jogge, trage ich nur den Schlüssel um den Hals und den iPod und ein Taschentuch in der Hosentasche. Alles andere bleibt zu Hause.«

      Subat hob beschwichtigend die Hände.

      »In Ordnung … Sagen Sie uns Ihren Namen, Ihre Adresse und Ihr Geburtsdatum. Wir überprüfen die Personalien dann über Funk.«

      »Cosma Anderson. Maybachufer 43. Was war das Dritte?«

      »Ihr Geburtsdatum.«

      »21.3.77.«

      Der Beamte notierte sich die Daten und stieg aus dem Auto. Sie hörte das Öf fnen der Fahrertür in ihrem Rücken. Das Funkgerät rauschte und knisterte.

      »Revier 5 an Zentrale, hier Subat.«

      »Zentrale, Schubert. Was gibt’s?«

      »Personenüberprüfung.«

      »Okay, Kollege. Deine Dienstnummer?«

      Subat nannte sie und gab Cosmas Personalien durch. Während ihre Angaben durch die zentrale Datenbank liefen, schwiegen sie. Cosma hörte den Regen auf das Blechdach prasseln. Der Transporter wiegte sich in den Böen. Aus dem Fenster sah sie die leere Straße.

      Als sie sich zurücklehnte, f ing sie den Blick der Polizistin auf,die sie freundlich anlächelte, und drehte sich sofort weg. Sie spürte, wie die erste Wut nachließ, doch sie war noch immer nervös und angespannt. In diesem Polizeiauto zu sitzen, gab ihr das Gefühl, irgendetwas verbrochen zu haben. Dabei war sie sicher, dass nichts über sie im Computer stehen konnte. Sie hatte höchstens mal ein Knöllchen wegen Geschwindigkeitsüberschreitung oder Falschparkens bekommen.

      Wieder rauschte das Funkgerät. Die Daten waren korrekt.

      Subat drehte sich zu seiner Kollegin um.

      »Soll ich fahren?«

      Delego nickte.

      Er startete den Transporter. Cosma merkte, dass sie verkehrt herum saß, und vom Rückwärtsfahren würde ihr übel werden. Sie bat die Polizistin, sich umsetzen zu dürfen. Delego zögerte kurz und stoppte dann den Wagen. Cosma wechselte die Sitzbank, die Polizistin folgte ihr.

      Nach knapp zehn Minuten erreichten sie das Maybachufer, und Cosma war froh, das Fahrzeug wieder verlassen zu können. Subat hatte die Heizung und die Lüftung auf voller Kraft laufen lassen und den Transporter so in einen tropischen Kasten verwandelt. Dort, wo sie gesessen hatten, waren kleine Pfützen entstanden. Cosma fror augenblicklich, als die Schiebetür geöf fnet wurde und ein kalter Wind hereinzog. Delego half ihr beim Aussteigen, und Subat packte wieder ihren Oberarm. Er roch stark nach Pfefferminze.

      »Ich wohne im dritten Stock«, informierte Cosma die beiden.

      Sie hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen.

      Subat drückte die schäbige Haustür auf, und sie betraten das heruntergekommene Treppenhaus. Der Anstrich hatte sich in den Jahrzehnten in ein schmutziges Einheitsgrau verwandelt, die Briefkästen waren teilweise aufgebrochen, und es stank nach einem Gemisch aus altem Essen und Katzenpisse. Cosma schaltete die Flurbeleuchtung ein, dann stiegen sie schweigend im


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