Hanne. Britta Munk

Hanne - Britta Munk


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ganz aus dem Häuschen. Seit den Sommerferien hatte sie ihre Zukunft in einem recht trüben Licht gesehen. Nirgends bot sich eine Aussicht auf Abwechslung oder Erholung. Und da! Die Riviera! Monte Carlo! Das Mittelmeer! — Ja, und dann der blaue Badeanzug, mit dem man warten mußte, bis das Wetter besser wurde!

      Sie zog den Fahrplan hervor. In dem schlechten Licht mußte sie ihn dicht vor die Augen halten. In drei Stunden — nein, nur noch reichlich zwei — würde sie in Beaulieu-sur-Mer sein.

      Sie steckte den Fahrplan wieder in die Tasche. Der Zug fuhr noch immer durch den Tunnel, durch einen Berg. Sie war schläfrig. Der weiße Dampf der Lokomotive wälzte sich draußen an den Fenstern vorbei. Wenn sie nur ein Buch mit auf die Reise genommen hätte. Nun mußte sie sich damit begnügen, zum fünfzigsten Male die Inschrift auf dem Schild gegenüber zu lesen:

      Défence de cracher!

      Non sputare nella carrozza!

      Nicht in den Wagen spucken!

      Spucken verboten, in drei Sprachen. Nicht in englisch. Vielleicht glaubte man, ein Engländer käme gar nicht darauf, dachte sie. Die Augen fielen ihr allmählich zu.

      Plötzlich schoß der Zug aus dem Tunnel. Sie wurde geblendet von dem jähen Übergang von stockfinstrer Nacht zu Tageslicht, — nein, nicht nur Tageslicht, sondern Sonnenlicht. Draußen lag die Landschaft in Sonne gebadet. Weit unten ruhte das blaue Mittelmeer. Hier und dort standen Palmen. Sie sah blühende Bäume, die sie nicht kannte, in ein Meer von lilafarbigen Blüten getaucht.

      Hanne traute ihren Augen kaum. Jetzt erkannte sie plötzlich alles das wieder, wovon sie gelesen und was sie sich in leuchtenden Farben ausgemalt hatte. Die Farben waren stark, genau wie auf den Ansichtskarten, die Tante Alice manchmal von hier unten geschickt hatte. Alles erschien ihr auf einmal licht und freundlich.

      Die Frau gegenüber lachte über ihr erstauntes Gesicht.

      „Nun, Mademoiselle, gefällt Ihnen das hier besser?“

      „Ja, das ist — ooh, wie ist das herrlich!“

      „Ja, es ist schön hier. Aber noch sind wir nicht ganz in der warmen Zone. Drüben bei Nizza, Beaulieu, Monte Carlo und Menton reichen die Berge fast bis ans Meer. Der schmale Streifen Land dazwischen ist vollkommen geschützt vor dem Nordwind. Deshalb ist das Klima da drüben so mild.“

      „Aber gibt es denn hier unten-überhaupt keinen Winter?“

      „Doch, aber keinen sehr strengen. Es kann leicht vorkommen, daß wir im Winter in den Häusern frieren. Die meisten haben nämlich keine Öfen. Aber der Frühling kommt zeitig, und der Herbst dauert lange. Wir können uns also nicht beklagen. Wir rechnen das ganze Jahr über nur mit neun Regentagen.“

      „Und sonst immer Sonnenschein?“

      „Ja, jeden Tag! Und wenn Sie gern Ski fahren, brauchen Sie nur einen kleinen Ausflug hinauf in die Berge hinter Nizza zu machen. In wenigen Stunden können Sie mit dem Zug da hinauf kommen. Dort liegt Schnee in Massen. Sie sehen, bei uns gibt es alles.“

      „Kennen Sie Beaulieu, Madame?“

      „Oh ja, ich bin oft dort gewesen. Ich selbst wohne in Menton — das ist die letzte Station in Frankreich, unmittelbar an der italienischen Grenze, und ich komme jedesmal durch Beaulieu, wenn ich dort drüben bin und meine Schwester in Nizza besuche. Der Autobus fährt nämlich durch Beaulieu, wissen Sie.“

      „Das ist doch keine große Stadt, oder?“

      „Beaulieu? Nein, das ist nicht groß. Aber gemütlich. Dieses Städtchen ist nicht so schön wie Menton oder Villefranche, denn die sind viele hundert Jahre alt, während Beaulieu ziemlich neu ist, fast eine Villenstadt. Aber es ist trotzdem gemütlich dort, und die Umgebung ist schön. — Und außerdem liegt die Stadt so günstig — nur fünf Minuten von Villefranche, zehn Minuten von Nizza oder Monte Carlo, — je nachdem, in welcher Richtung man fährt. Beaulieu-sur-Mer liegt gerade dazwischen.

      Sie stand auf und nahm ihre Tasche aus dem Gepäcknetz.

      „Ein Stück Schokolade, Mademoiselle?“

      Hanne nahm es dankbar an. Es war das erste, was sie seit gestern mittag zu essen bekam. Das Hotelzimmer in Marseille hatte mehr gekostet, als sie berechnet hatte. Als die Rechnung und das Trinkgeld bezahlt waren, blieben nur zehn Francs übrig, nicht einmal genug, um mit der Straßenbahn vom Hotel zum Bahnhof zu fahren. Aber die Fahrkarte nach Beaulieu hatte sie glücklicherweise in der Tasche, das war die Hauptsache. In Beaulieu würde ihre Tante auf dem Bahnsteig stehen und sie in Empfang nehmen.

      Während sie die Schokolade langsam aß, verlor sie sich in Träume von der Zukunft. Zwar erinnerte sie sich nicht ihrer Tante, aber die Briefe, die sie in den letzten Jahren von ihr bekommen hatte, waren lustig und freundlich; in einem ganz anderen, leichteren Ton, als sie es gewohnt war.

      Hanne dachte darüber nach, ob sie ihr eigenes Zimmer bekommen würde. Das war vielleicht zuviel verlangt. Es war auch gar nicht nötig. Aber trotzdem, wie schön wäre das doch! Man sollte doch glauben, daß es in einem Hotel viele Zimmer gibt. Aber vielleicht waren sie alle von Gästen belegt. Das machte auch nichts. Sie würde es schon trotzdem wunderbar haben. Aber wenn — wenn nun doch ein Zimmer für sie da war, würde sie immer Blumen darin stehen haben. Sie würde ein Regal für ihre Bücher einrichten und einen kleinen Toilettentisch, an dem sie sitzen und sich zurechtmachen konnte. Sie schloß die Augen und sah alles vor sich. Sie mußte an die Briefe denken, die sie an ihre Freundinnen zu Hause schreiben würde. Wie würde man sie beneiden, wenn sie von den Bergen erzählte, vom Meer, von der Sonne, den Mimosen und all den berühmten Städten hier unten am Meer.

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