Schöpfung ohne Schöpfer?. Группа авторов
entwickelt (vgl. Abschnitt „Das sonderbare Aufgehen der ‚Evolutionstheorien’ in die Evolutionsbiologie“). „Evolution“, als Paradigma verwendet, bedeutet, dass man Evolution im Sinne einer Arbeitshypothese als naturhistorisch tatsächlich geschehen voraussetzt. Die Vorgabe einer Arbeitshypothese ist eine gängige Praxis im Wissenschaftsbetrieb, nur muss die Arbeitshypothese auch als solche klar benannt und erkennbar sein. Das jeweilige Bild vom vermuteten Ablauf des Evolutionsvorganges liefert einen vorgegebenen theoretischen Rahmen, in den wissenschaftliche Daten, Hypothesen und Theorienbildungen eingepasst werden. Eine zunächst auch ohne die Voraussetzung von Evolution wahrnehmbare Ordnung (z. B. auf der Basis von morphologischen, genetischen, molekularbiologischen oder embryonalen Ähnlichkeitsvergleichen) wird sekundär im Sinn der Arbeitshypothese „Evolution“ interpretiert und z. B. als phylogenetisch bedingte Verwandtschaft mittels Stammbäumen oder Cladogrammen abgebildet.
Die Möglichkeit, Stammbäume zu erstellen, ist kein Beweis für die Tatsächlichkeit des Prozesses „Evolution“.
Die Möglichkeit, entsprechende Stammbäume zu erstellen, ist aber kein eindeutiger Beweis für die Tatsächlichkeit des Prozesses „Evolution“ (s. o.), sondern ein Argument dafür, dass unter der Vorgabe der spezifischen Leitidee „Evolution“ eine (mehr oder weniger plausible) Deutung biologischer Daten möglich ist (ähnlich wie beim Vergleich der Leitideen der Newton‘schen Physik mit denen der Allgemeinen Relativitätstheorie). Unter dieser Vorgabe kann sich die favorisierte Leitidee „Evolution“ auch als nicht tragfähig erweisen oder es kann sein, dass bestimmte Daten nicht befriedigend gedeutet werden können. Das wiederum fordert ein Nachdenken darüber, ob die gewählte Leitidee „Evolution“ in der jeweils spezifischen Ausformung noch tragfähig ist oder einer Reform oder gar Ablösung bedarf.
In den letzten 160 Jahren wurden vielfältige, zum Teil widersprüchliche evolutionstheoretische Modellierungen oder historische Rekonstruktionen (bzw. historische Berichte nach GUTMANN) in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht. Deutliche Differenzen unter den Evolutionsbiologen finden sich zum Beispiel, wenn man danach fragt, ob man spezielle Richtungen oder Tendenzen des evolutionären Prozesses retrospektiv erkennen kann und wer eigentlich Träger des evolutionären Wandels ist (Gene, Organismen, Populationen, Organismus-Umweltsysteme usw.). Aufgrund ihres naturhistorischen Charakters sind die einzelnen Evolutionstheorien nicht falsifizierbar, sie besitzen eine mehr oder weniger große Plausibilität (VOGT 2008, vgl. auch den Beitrag „Methodologie der Naturgeschichtsforschung“ in diesem Band). Denn ohne Wissen über den tatsächlichen Ablauf des naturhistorischen Prozesses „Evolution“ kann eine Entscheidung darüber, welcher phylogenetische Stammbaumentwurf oder welcher Evolutionsmechanismus der richtige ist, aus rein methodischen Gründen nicht getroffen werden. Es ist leider zur Regel geworden, den hier skizzierten Aspekt von „Evolution“ als Leitidee spezifischer Evolutionsmodelle zu verschleiern, zu ignorieren und nicht mehr zu thematisieren. Stattdessen werden die unter Verwendung der Arbeitshypothese ermittelten Ergebnisse, z. B. die Konstruktion von Stammbäumen und Cladogrammen, pauschal als empirischer Beweis für den historischen Prozess „Evolution“ präsentiert. Richtig ist, dass eine erfolgreiche evolutionsbiologische Forschung unter dem gewählten Paradigma „Evolution“ Selbiges stützt. Aber die Möglichkeit, biologische Fakten prinzipiell auch unter einer anderen Leitidee (z. B. Schöpfung, Intelligent Design) zu deuten und zu erklären, bleibt unverändert bestehen und muss offengehalten werden.
Um der Leitidee „Evolution“ eine steigende Plausibilität zur verleihen, ist ein Stehenbleiben auf Ergebnissen des Merkmalsvergleiches nicht ausreichend. Engagiert und aus unterschiedlichsten Blickwinkeln sucht die Evolutionsbiologie nach Ausgangsbedingungen und Mechanismen, die das Entstehen von Neuem (Makroevolution, Innovation, Bauplanwechsel), den Wandel (Mikroevolution) und das Vergehen von Vorhandenem der Organismen erklären. Die aus der funktional-analytisch orientierten Biologie verfügbaren Befunde (z. B. Mutation, horizontaler Gentransfer bei Bakterien, Wechselwirkung zwischen epigenetischen und genetischen Funktions- und Informationsträgern, ontogenetische Regulationskaskaden, Selektion, Populationsdynamik, Zusammenhang von Form und Funktion usw.) wurden und werden dabei retrospektiv in die Vergangenheit extrapoliert mit dem Ziel, sie zur Klärung der Mechanismen der Evolution und zur Erstellung eines Evolutionsverlaufes im Modus der hypothetischen Rekonstruktion zu nutzen (GUTMANN 2005). Hinsichtlich der Mechanismenfrage kann jedoch von einer steigenden Plausibilität der Leitidee „Evolution“ durch die Evolutionsforschung in den letzten 160 Jahren nicht gesprochen werden (vgl. den Beitrag „Gibt es eine naturwissenschaftliche Evolutionstheorie?“ in diesem Band).
Die vielfältigen ungeklärten Fragen und angebotenen Lösungsvorschläge zur Aufklärung der Evolutionsmechanismen sind ein Symptom dieser Situation. Die einzelnen divergierenden Ansätze lassen sich auch nicht einfach unter dem Namen einer Erweiterten Synthetischen Evolutionstheorie (ESET) miteinander verbinden (so versucht es z. B. KUTSCHERA 2007). Ein Blick in die aktuelle Literatur zeigt demgegenüber, dass widersprüchliche und einander ausschließende Ansätze im Rahmen der evolutionsbiologischen Forschung bewusst verfolgt wurden und werden (s. u.). Die Forderung, bisher favorisierte evolutionstheoretische Modellierungen, wie die Synthetische Evolutionstheorie (SET) grundsätzlich zu hinterfragen und durch andere zu ersetzen, wird immer deutlicher formuliert (z. B. LALAND et al.2014). Es muss an dieser Stelle jedoch betont werden: Unabhängig und unbeeindruckt vom Erfolg oder Misserfolg der Evolutionsbiologie, „Evolution“ im Sinne des historischen Naturprozesses plausibel zu machen oder „Evolution“ als sinnstiftende Leitidee der Biologie zu bestätigen, verlaufen die Weiterentwicklung und der Wissenszuwachs der funktional-analytisch arbeitenden Biologie. Die Ergebnisse der Biologie bilden selbst erst das Rückgrat für eine vom Paradigma „Evolution“ begründete hypothetische Rekonstruktion der Geschichte der Lebewesen. Umgekehrt lässt sich dies eben nicht behaupten. Biologie lässt sich erfolgreich auch ohne das Paradigma „Evolution“ betreiben.
3. „Evolution“ als Synonym für einen übergreifenden weltanschaulichen Deutungsrahmen
Kurz noch einige Gedanken zur Verwendung des Ausdrucks „Evolution“ als ideologisches oder weltanschauliches Programm. Mit „Evolution“ in diesem Grundverständnis wird viel erklärt, sie gilt als Sinnstifter nicht nur in der Biologie.
„Erstens ist die Evolution eine Wahrheit – und Wahrheit kann uns nur freier machen. Zweitens befreit die Evolution den Geist des Menschen“ (GOULD 2005, 281).
Mit dem Anspruch, auch die Gesamtwirklichkeit als evolutionäres Entwicklungsprodukt zu fassen, wird „Evolution“ hier zum universell-weltanschaulichen ateleologischen Erklärungsansatz. Diesen Schritt gehen aber nicht alle Befürworter eines ateleologischen Ursprungsmodells mit. Denn Gott, Glauben, Bewusstsein, Denken, Moral und Freiheit des Menschen werden in dieser ideologisierten Sicht des Evolutionismus jeglicher kategorialen und qualitativen Sonderstellung enthoben – falls ihre Existenz überhaupt zugebilligt wird (z. B. JUNKER & PAUL 2009). Wird der dogmatisch vertretene Anspruch, „Evolution“ als Tatsache zu deklarieren, mit weltanschaulichen Elementen verwoben, ist es berechtigt, von Evolutionslehre zu sprechen und sie mit religiös motivierten Schöpfungslehren oder gar ganzen religiösen Lehrsystemen zu vergleichen.
Biologie lässt sich erfolgreich auch ohne das Paradigma „Evolution“ betreiben.
Das sonderbare Aufgehen der „Evolutionstheorien“ in die Evolutionsbiologie
Evolutionstheorien
Medien, Bücher (auch Lehrbücher) und einige gern zitierte Experten der Evolutionsbiologie reden häufig von der „Evolutionstheorie“ als einer einheitlichen, vollständig bewiesenen, im Zuge des wissenschaftlichen Fortschritts ständig verbesserten wissenschaftlichen Theorie zur Erklärung der Evolution.
„Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist auch Darwins Evolutionsmechanismus aus Variation und Selektion, seine berühmte Theorie der natürlichen Auslese, in ihrer modernisierten Form konkurrenzlos. […] Die Evolutionstheorie kann (noch) nicht alles erklären und wie in jeder Wissenschaft gibt es offene Fragen, ungelöste Probleme und interessante neue Forschungsfelder. […] Nicht die Mathematik ist also das Entscheidende, wie der Philosoph Immanuel Kant vermutet hatte (1786: 14), sondern man kann ohne Übertreibung