Gesammelte Werke. Ricarda Huch

Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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Widerstand entgegensetzen könne als er. Wie die Gegner sich so, zum Schlage ausholend, gegenüberstanden, kam es soweit, daß der Bischof den Herzog beschuldigte, ihm nach dem Leben getrachtet zu haben, und sich wie ein Verfolgter auf die Felsenburg Andraz zurückzog. Da ein mörderischer Angriff auf einen Bischof als todeswürdiges Verbrechen galt, war die Anklage bedenklich, und der Herzog wies sie entrüstet zurück. War sie ganz aus der Luft gegriffen? War sie die Folge einer durch die gegenseitigen Ränke erzeugten Nervosität oder ein Mittel im Kampfe?

      Aufs äußerste gespannt war die Lage, als zwei für sie bedeutungsvolle Ereignisse eintraten, einmal daß im Jahre 1458 Enea Silvio Piccolomini zum Papst gewählt wurde, der als Freund und Bewunderer des Cusaners besonders nachdrücklich mit ihm zusammenwirken würde. Weicher und geschmeidiger als der unbeugsame Freund, gab er diesem bisweilen auch wider die eigene Ansicht nach, wie es ihm denn lieber gewesen wäre, wenn der Zwist zwischen dem Bischof und dem Herzog von Tirol sich gütlich hätte beilegen lassen. Er hatte nämlich als Papst seinen ganzen Ehrgeiz darauf gestellt, die Fürsten des Abendlandes zu einem Kreuzzug gegen die Türken zu vereinen, an dessen Spitze er selbst sich stellen wollte, obwohl er nicht mehr jung und gar nicht gesund war. Zu diesem Zweck berief er eine Fürstenversammlung nach Mantua, auf welcher Herzog Siegmund persönlich erschien, außerdem aber in bezug auf seinen anhängigen Streitfall durch Gregor von Heimburg vertreten war. Dies war das zweite Ereignis des Jahres 1458, daß Siegmund die Bekanntschaft des furchtlosen Syndikus von Nürnberg machte und in ihm den Mann entdeckte, der juristische Kenntnisse, Klugheit, Redegabe und Haß der päpstlichen Allgewalt für ihn einsetzen konnte. Wie mochte Pius II., so nannte sich der neue Papst, zumute sein, als er den einstigen Freund und Mitstreiter gegen sich in die Schranken treten sah! Der Verlauf des Konvents brachte ihm die trübe Einsicht, daß die Zeit vorüber war, wo päpstlicher Einfluß die Fürsten für ein Unternehmen gewinnen konnte, das ihnen keinen persönlichen Vorteil versprach. Gregor von Heimburg bekämpfte den Türkenkrieg, gerade weil es der Papst war, der ihn führen wollte.

      Man müßte sich wundern, daß Gregor von Heimburg, der als Syndikus von Nürnberg die Gewalttätigkeit eines Fürsten so ernstlich bekämpft hatte, sich nun für das Machtstreben eines Fürsten einsetzte, wenn man nicht bedächte, daß er hier gegen den Absolutismus des weltbeherrschenden Papstes vorgehen konnte, den zu erschüttern das Ziel seines Lebens war. Unverkennbar wurde das Auftreten des Herzogs schroffer, seit er Heimburg in seinen Dienst genommen hatte. Nachdem Cusa den Herzog durch Drohungen gereizt hatte, wie daß er ihm die Brixener Lehen entziehen und sie dem Kaiser übertragen werde, schickte der Herzog ihm, um der Sache ein Ende zu machen, einen Absagebrief, überfiel ihn in Bruneck und zwang ihm einen für sich günstigen Vertrag ab. Cusa verließ sein Bistum und bewog den Papst, Herzog Siegmund, den er im Interesse seines Kreuzzuges viel lieber freundlich behandelt hätte, zu exkommunizieren. Heimburg verfaßte dagegen eine Appellation an einen künftigen Papst und ein künftiges Konzil, ja an die gesamte Herde unseres Herrn Jesu Christi, wie er sich ausdrückte, und an jeden, der sich unser erbarmen und das Recht eines niedriger Gestellten auch gegen zürnende höher Gestellte verteidigen will, endlich an alle Freunde der Gerechtigkeit und Unschuld. Es war eine unerhörte Herausforderung, denn eben erst hatte Pius II. die Bulle Execrobilis erlassen, in der er alle für den Bann verfallen erklärte, die an ein künftiges Konzil appellieren würden, womit er also die auf den Konzilien zu Konstanz und Basel aufgestellten Grundsätze verdammte. Heimburg appellierte an ein künftiges Konzil, aber nicht nur das, sondern auch von der sichtbaren Kirche an eine unsichtbare. Am Grünen Donnerstag des folgenden Jahres schaltete Pius die Exkommunikation des Herzogs und Heimburgs zwischen den altherkömmlichen Fluch über die Häretiker und den über die Seeräuber und Sarazenen ein.

      Nachdem diese endgültige Verfluchung unter pompösen Zermalmungsandrohungen verhängt war, blieb alles wie zuvor. Der Herzog blieb Herzog, und Heimburg blieb sein Rat, das Volk starrte einen Augenblick auf die päpstlichen Blitze wie auf ein gemaltes Gewitter und ging dann wieder seinen Geschäften nach. Da doch etwas geschehen mußte, verfiel Pius II. auf die schweizerischen Eidgenossen als auf besonders getreue Söhne. Sie hatten zur Zeit des Konstanzer Konzils dem Vater des jetzigen Herzogs den Aargau weggenommen, freilich im Auftrage des Kaisers im Gegensatz zum damaligen Papst, und würden sich jetzt vielleicht bereitfinden lassen, Herzog Siegmund den Thurgau zu entreißen. Zwar hatte er sie aus irgendeinem Grunde kürzlich in den Bann getan, aber den hob er auf und ermunterte sie, die Exekution zu vollstrecken. Nicht sofort willigten die Eidgenossen ein, und nachdem sie sich schließlich aufgerafft und den Thurgau, des Herzogs letzte Besitzung in der Schweiz, erobert hatten, schlossen sie mit ihm Frieden. So hatte der Papst es nicht gemeint, er schalt und mahnte, allein vergebens, die Eidgenossen blieben verstockt. Der Kaiser, an den er sich nun wandte und mit dem der Papst so eng durch die Reichsgesetze und persönlich durch 210 000 Dukaten verbunden war, schlug doch den verwandtschaftlichen Zusammenhang höher an und weigerte sich, gegen seinen Vetter einzuschreiten. Die nun ergehende Vorladung Siegmunds, Heimburgs, sämtlicher anderer Räte des Herzogs, des Bischofs von Trient, des Kapitels von Brixen, der meisten Äbte Tirols, vieler geistlicher und weltlicher Herren, der Bürger aller Städte, fast aller Einwohner der Grafschaft Tirol nach Rom, wo sie wegen ihrer Rechtgläubigkeit in bezug auf den Artikel: ich glaube an eine heilige, katholische und apostolische Kirche, vernommen werden sollten, regte Heimburg zu witzigen Ausmalungen dieses Massenaufbruchs an. In seiner Entgegnung sagte er, man könne wohl glauben, daß eine Kirche sei, nicht aber könne man an eine Kirche glauben, denn man glaube nur an Göttliches, nicht an Erschaffenes, und bezeichnete damit die Kirche als eine menschliche Einrichtung. Es blieb dem Papst nur die Hoffnung auf die Wirkung einer Handelssperre, die als Folge der Exkommunikation eintreten sollte. Cusa selbst drängte darauf, daß alle nach Tirol führenden Wege gesperrt und alle Lebensmittel zurückgehalten würden, damit eine völlige Aushungerung die Hartnäckigen endlich niederzwänge. Pius scheute sich nicht, die Edelleute aufzufordern, daß sie, was sie ohnehin gern taten, die Handelsleute überfielen und ihnen ihre Waren, z. B. Salz und Wein, wegnähmen. Obschon auch die Sperre schwer durchführbar war, wie denn z. B. der Erzbischof von Salzburg erklärte, seine Untertanen müßten ohne von Tirol eingeführte Lebensmittel verhungern, ließen doch ihre in Tirol allmählich peinlich empfundenen Folgen den Herzog eine Beilegung des Streites wünschen. Da auf der anderen Seite der Papst mit Schrecken sah, wie wenig seine Bannflüche verfingen, schien eine von der Republik Venedig vorgeschlagene Vermittelung nicht mehr ganz aussichtslos. Der von ihr damit betraute Morosini, ein feiner und kluger Mann, suchte mit unsäglicher Geduld eine Verständigung herbeizuführen. Es spricht für Gregor von Heimburg, den er bei diesem Anlaß kennenlernte, wie hoch ihn der gebildete Venezianer schätzte. Dem päpstlichen Legaten gegenüber sprach er die Ansicht aus, daß der Papst und Cusa durch Humanität und Güte mehr ausrichten würden als durch Gewalt. »Ich muß bezeugen«, schrieb er, »daß mir der Herr Gregorius in einem ganz anderen Licht erschien, als er mir geschildert war, und ich glaube mit Recht überzeugt sein zu dürfen, daß ich alles durch seine Klugheit und Umsicht erreicht habe. Nicht nur der Herzog, sondern ganz Deutschland hält ihn für einen höchst gelehrten Mann und entschiedenen Freund der Wahrheit und des Friedens.« Diese eifrigen, wohlwollenden Bemühungen scheiterten an der Unversöhnlichkeit des Nikolaus von Cusa. Er blieb dabei, daß das Hochstift Brixen der Herr und der Herzog der Vasall sei; ohne Unterwerfung und Abbitte des Herzogs gestattete er dem Papst nicht, die Exkommunikation aufzuheben. Nachdem Venedig sich zurückgezogen hatte, nahm der Kaiser das Vermittelungswerk auf. »In der Tat, heiliger Vater«, schrieb er dem Papst, »wäre es Zeit, die Sache beizulegen. Die Autorität der Kirche verliert, wie wir sehen, zu sehr an Achtung. Es ist nötig in Berücksichtigung unserer Zeit von der Strenge ein wenig nachzulassen.« In Berücksichtigung unserer Zeit! Ja, das hatte sich gezeigt, daß der päpstliche Bannfluch einen Fürsten nicht mehr vom Throne schleudern konnte. Pius II. sah es ein, Cusa nicht. An seiner starren Haltung wäre die Vermittelung wohl wieder abgeglitten; da berührte den Knoten, den alles Zerren anstatt ihn aufzulösen nur desto fester zusammengezogen hatte, die Geisterhand des Todes, und er fiel schlaff auseinander: rasch nacheinander starben im Spätsommer 1464 erst Nikolaus von Cusa, dann Pius II. Gleich darauf wurden die Vorschläge des Kaisers angenommen. Siegmund beugte sich nicht; da er sich durchaus weigerte, Abbitte zu leisten, erbot sich der Kaiser zu einer stellvertretenden Demütigung vor dem Papst. Ob und in welcher Form sie ausgeübt wurde, steht nicht fest.

      In dieser Versöhnung war Gregor von Heimburg nicht inbegriffen


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