Gesammelte Werke. Ricarda Huch

Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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Luther

       Die Thesen

       Von Heidelberg bis Leipzig

       Die Kaiserwahl

       Hutten und Luther

       Worms

       Der Prophet

       Neue Kirche

       Luther und Erasmus

       Sickingens und Huttens Ende

       Der Bauernkrieg

       Pavia

       Der Abendmahlsstreit

       Die Wiedertäufer

       Frauen

       Anfechtungen

       Einigungsversuche

       Die Befreiung des Adlers

       Der Schmalkaldische Krieg

       Der Augsburger Religionsfrieden

       Tod

       Aufschwung der katholischen Kirche

       Calvin und der Abfall der Niederlande

       Geldwirtschaft

       Faust

       Die Hexenverfolgungen

       Der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges

       Der Krieg im Reich

       Das große Sterben

       Der Westfälische Frieden

       Toleranz

       Wissenschaft

       Österreich

       Im Norden

       Ausklang

       Der Zusammenbruch der mittelalterlichen Weltanschauung

       Inhaltsverzeichnis

      Germania fuit et nunquam erit quod fuit, hat Luther gesagt: Germanien ist gewesen und wird nie wieder sein, was es gewesen ist. Er erlebte den Zusammenbruch des mittelalterlichen Reiches, sah und fühlte, daß seine Ideale für immer der Vergangenheit anheimfielen. Es war der Untergang einer Epoche, reich an Kampf und Irrsal, aber auch überreich an schöpferischer und aufnehmender Kraft, an mannigfachem Wachstum, die eines jugendlich in die Geschichte eintretenden, freiheitliebenden Volkes Mitgift waren. Umfaßt und geeint war diese Vielfalt durch den Äther einer gemeinsamen Weltanschauung, der das diesseits Erwachsene an die Ewigkeit zu binden schien.

      Die Dämmerung der romanischen und der Farbenzauber der gotischen Kirchen umfluteten das steinerne Mysterium des Christentums: die Fleischwerdung des Gottmenschen, sein Erlösungswerk und seinen Tod am Kreuz. Das tragische Geschick der Menschheit zwischen Himmel und Erde, ihre Versuchungen, ihre Kämpfe und schmerzlichen Überwindungen, diese unergründlich wunderbare symbolische Geschichte war in allverständlichen Gestaltungen von den Pfeilern und Gewölben abzulesen. Die zahllos im ganzen Abendland aufgebauten Kirchen waren sichtbare Punkte eines unsichtbaren Gerüsts, das die Welt zu einem sinnvollen Gebilde machte, sie durchdrang und trug, einer Weltanschauung, die die Welt war. Denn in ihr war die Weisheit aller Zeiten eingeschmolzen, sei es auch nur, daß sie sie als Gegensatz durchglühte. Sie war ein Werk vieler Jahrhunderte, und ihr Untergang, wenn sie untergehen konnte, schien Weltuntergang zu bedeuten.

      Zu Gott zu gelangen war nach mittelalterlicher Anschauung die Aufgabe des Menschen; sie konnte nur erreicht werden innerhalb der Kirche, die von Gott gegründet, göttlich und ewig war. Es war ihr verliehen, dereinst die ganze Menschheit in sich aufzunehmen; sie war gleichsam die Erscheinung des Unvergänglichen in der vergänglichen Welt. Die Mitglieder der Kirche teilten sich in die Laien und den Priesterstand, der teils durch Lehre, teils durch Beispiel die Laien ihrem jenseitigen Ziele zuführte. Wiederum war der Priesterstand geteilt in die Weltgeistlichkeit und die Klostergeistlichkeit, die nicht nur wie jene durch Keuschheit, sondern auch durch Armut und Gehorsam der Heiligkeit sich näherte, die in Gott vollendet wurde. Wer zu Gott gelangen wollte, mußte die Welt überwinden. Indem die Mönche und Nonnen von der Welt abgesondert ganz der Anbetung Gottes, dem Dienste des Nächsten und der Dämpfung der Sinnlichkeit lebten, führten sie den Laien das Bild der Engel vor Augen und genossen deshalb besondere Verehrung. An der Spitze der Priesterschaft stand der Bischof von Rom, der Papst. Zusammen mit Vertretern des Priesterstandes gab er der überirdischen Wahrheit diejenige Form, die sie den Laien faßbar machte und grenzte sie ab gegen den Irrtum.

      »Wer ist unter uns, der bei der ewigen Glut wohne?« läßt Jesaias den Sünder sagen. Aber alle Menschen sind Sünder. Die Seher und Weisen aller Zeiten haben gewußt, daß der Mensch Gott in seiner Majestät nicht ertragen kann. Die göttliche Wahrheit dringt nur in gebrochenen Strahlen zur Erde, bietet sich den Menschen dar in Symbolen, Spiegeln gleichsam, die so viel vom göttlichen Wesen auffangen, wie den Menschen erträglich und verständlich ist. Niemals waren die Spiegel der Gottheit so nahe gekommen, so von Gott durchglüht und Gott angeglichen wie in der christlichen Symbolik. Sie zu lehren, auszulegen, in der Tiefe ihrer Bedeutung zu erforschen und zu begründen war die Aufgabe der Priester. Nur durch ihre Vermittelung konnte der Laie


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