Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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Verhaltungsmaßregeln für den Verkehr mit dem evangelischen böhmischen Adel versah ihn Khlesl. »Die Ketzer werden Ihnen alle zufallen, denn sie sind nun einmal der Meinung, Sie glichen Ihrem Herrn Vater, dem hochseligen Kaiser Maximilian, und wären heimlich den Protestanten hold. Benützen Sie das getrost; denn warum sollten Sie aus dem Irrtum oder der Dummheit rebellischer Untertanen nicht Vorteil ziehen? Nur einen schriftlichen Vertrag dürfen Sie nicht unterzeichnen und überhaupt in keiner Weise sich förmlich binden, sonst aber sollen Sie gegen jedermann leutselig, kaiserlich, willfährig sein. Kommt es nachher anders, so ist der Khlesl da, der alles auf sich nimmt. Ich mache mir nichts aus ihrem Toben; aber ich will nicht sterben, bevor ich nicht die habsburgischen Lande allesamt unter dasselbe katholische Hütlein gebracht habe.«

      Am liebsten wäre Khlesl selbst nach Prag gegangen, um alles einzuleiten; aber er wußte, daß er in dem hussitischen Lande unbeliebt war und daß er seiner Sache schaden könnte, wenn er zu früh in den Vordergrund trat. So machte sich denn Matthias allein auf und setzte sich mit der spanischen Partei und dem Beichtvater des Kaisers in Verbindung. Dieser, ein betriebsamer Mann, der die Seelen seiner Zöglinge so gut kannte, wie etwa ein Koch die Eigenheit, Tüchtigkeit und Verwendbarkeit seiner Schüsseln und Pfannen unterscheidet, ging auf die Absichten des Matthias um so verständnisvoller ein, als er ein Spanier war und Spanien eben nicht in gutem Vernehmen mit Rudolf stand. Bei nächster Gelegenheit stellte er dem Kaiser seine Pflicht vor, seinen Bruder Matthias wie einen Sohn zu lieben, was er doch als sein Nachfolger auch dem Herkommen gemäß sei. Als er das innere Widerstreben des Kaisers spürte, machte er eine geschickte Wendung, sprach mißbilligend von dem Neid und der Herrschbegierde des Matthias und entlockte ihm dadurch am Ende das Zugeständnis, daß er seinem Bruder den Tod wünsche. Kaum hatte der Kaiser die Worte ausgesprochen, als sein Äußeres sich zu verändern begann; seine Augen wankten einige Augenblicke unstet hin und her und hefteten sich dann starr auf den Geistlichen, bis sie sich plötzlich nach oben verdrehten, seine Arme und Beine durchfuhr ein Zucken. Zuerst dachte der Beichtvater, dies sei ein Anfall von Wut oder eine Machination, um das eben Gesagte als in der Besinnungslosigkeit von sich gegeben erscheinen zu lassen oder um weiteren Fragen zu entgehen; aber die abscheulich verzerrten Züge und hin und her zuckenden Gliedmaßen schienen doch nicht willkürlich hervorgerufen werden zu können, und so rief er denn Arzt und Dienerschaft und versuchte inzwischen mit Beten gegen das Teufelswerk anzukämpfen, was da im Spiele zu sein schien.

      Nach Verlauf einiger Wochen erreichte zwar Matthias eine Audienz; aber nicht ohne daß er sich zuvor verpflichtet hatte, ein von den Räten aufgesetztes und von seinem kaiserlichen Bruder gebilligtes Gespräch einzuhalten, welches nur die allgemeinen Fragen des beiderseitigen Wohlergehens und der gegenseitigen Geneigtheit beziehungsweise Devotion berührte. Dagegen versicherten die Räte, welche beträchtliche Summen von Matthias empfangen hatten, um die Zusammenkunft zuwege zu bringen, sie würden die Angelegenheit, deren hohe Wichtigkeit offenkundig sei, in dienstwillige Überlegung ziehen, und zweifelten nicht, daß der Kaiser sich willig finden lassen würde, das Notwendige zu verfügen; der Erzherzog werde mit seinem fürstlichen Verstande begreifen, daß eine so weitaussehende Sache nicht von heute auf morgen könne entschieden werden, sondern fürsorglich und achtsam von allen Seiten müsse erwogen werden.

      *

      Zwei Männer gewannen auf Rudolf Einfluß, die seine Stimmung vollständig veränderten, was freilich auch im Zusammenhang mit dem auf und ab gehenden Laufe seiner Krankheit stehen mochte. Der eine war der aus Tirol gebürtige Philipp Lang, der sich ihm zuerst in geschäftlichen Angelegenheiten nützlich erwiesen hatte. Ein Juwelier nämlich bot dem Kaiser mehrere Säcke voll Edelsteine, Rubine, Smaragde und Opale, zum Kauf an und forderte eine verhältnismäßig geringe Summe dafür, die aber bar ausgezahlt werden sollte, da der Kaiser ihm bereits viel Geld schuldete und er Ursache hatte zu zweifeln, ob er jemals befriedigt werden würde. Aus der Finanzkammer kam der Bescheid, daß kein Geld vorhanden sei, nicht einmal das Notwendige könne bestritten werden, es hätte sich sogar der Apotheker endlich geweigert, die Datteln, Morsellen und den Rosenzucker auf die kaiserliche Tafel zu liefern, wenn er nicht zuvor wenigstens teilweise ausgezahlt würde. Wenn der Kaiser die Edelsteine haben wolle, ließ man ihm sagen, solle er sie aus seiner eigenen Schatulle zahlen, und deutete an, er müsse doch durch die Goldmacherei, für die er so viel aufwende, genug erübrigt haben. Hierüber geriet der Kaiser in Zorn und tobte und jammerte abwechselnd, daß er Blutsaugern ausgeliefert und von Räubern umringt sei. In dieser Not erbot sich Philipp Lang, einen Ausweg zu finden, und behauptete sogar, daß dies leicht und daß nur das Ungeschick oder der böse Wille der Finanzräte an einer solchen Verlegenheit schuld sei. Erstens gebe es mehrere reiche Leute in Prag, die dahin bearbeitet werden könnten, daß sie eine passende Summe herliehen; ferner sei es bekannt, daß einige von den wohlhabendsten Zünften der Städte sich zusammengetan hätten, um auf die Ausschaffung der Juden aus Prag anzutragen, und daß sie dahin beschieden seien, sie möchten es unterlassen, da es bei Hofe unliebsam aufgenommen werden würde. Dies sei ein großer Fehler gewesen; denn den Zünften sei an der Sache viel gelegen, und sie würden gewiß den höchsten Preis dafür gezahlt haben. Die Juden trügen ihm aber doch noch mehr, wendete der Kaiser ein. Es sei ja auch nicht seine Meinung, sagte Lang, die Juden auszuweisen; einstweilen könne man aber doch den Zünften eine gewisse Aussicht eröffnen und sie zahlen lassen, das übrige könne man getrost der Zukunft überlassen. Man würde eine Untersuchung einleiten und auch die Judenschaft vernehmen, die sich gewiß dem Kaiser auch ihrerseits nicht verächtlich empfehlen würde. Überhaupt, sagte Philipp Lang, würde der Kaiser viel mehr Mittel haben, wenn seine Umgebung redlich sei; er sei arm und habe reiche Diener, das könne nicht mit rechten Dingen zugehen; er, Philipp Lang, könnte ihm über manches die Augen öffnen, wenn der Kaiser ihn beschützen und seiner Huld versichern wollte.

      Diese Andeutung bezog sich auf Matkowsky, und da dem Kaiser das sichere und trostreiche Wesen Langs zusagte, fand derselbe bald Gelegenheit, noch mehr Verdacht auf den begünstigten Kammerdiener fallen zu lassen. Matkowsky sei keineswegs von Ergebenheit gegen den Kaiser erfüllt, sondern sei ein Werkzeug der böhmischen Protestanten und habe deswegen durch falsche Anklagen den Grafen Rumpf gestürzt, der das Haupt der katholischen Partei gewesen sei. Durch seinen Argwohn und seine Befürchtungen habe er den Kaiser mit einem schwarzen Netz von Schwermut umgarnt und ihn krank und ohnmächtig gemacht. Wozu die Melancholie und die Furcht? Er sei der mächtigste Monarch der Erde, die Einkünfte der reichsten Länder ständen ihm zu Gebote, er brauche gewissermaßen nur wie ein Zauberer einen Ring zu drehen, so sei die Erfüllung seiner Wünsche schon da, wenn er nur seine Kraft und sein Vermögen recht erkennte und anwendete. Was vermöchte sein Bruder Matthias gegen ihn? Derselbe sei ein vorzeitig gealterter Mensch, ohne Nachkommenschaft, arm und von ihm abhängig, eine Puppe in den Händen des Bischofs von Wien, der doch schließlich nur des Kaisers Untertan sei. Der Kaiser solle Matkowsky entfernen, der einen unheilvollen Schatten auf sein Gemüt geworfen habe und ein nichtswürdiger Ketzer sei; bei einem Prozeß würde sich ergeben, daß er ein großes Vermögen besitze, welches dem Kaiser abgestohlenes Gut sei, und die Konfiskation desselben würde billigerweise die kaiserliche Kasse füllen.

      Dieser Rat wurde befolgt und erwies sich nützlich, indem Matkowsky in der Tat ein nennenswertes Vermögen besaß, wovon Philipp Lang sich die größere Hälfte aneignete, während der Rest an den Kaiser kam.

      Der andere Günstling des Kaisers war Graf Hermann Christoph Rußworm, ein schöner, heißblütiger Offizier, der sich in den Türkenkriegen mehrfach hervorgetan hatte und nun der höchsten Stufe militärischer Macht zustrebte. Dieser herrschsüchtige und rücksichtslose junge Mann war weder unter den Hofherren noch beim Kriegsrate, noch bei seinem Vorgesetzten, dem Feldmarschall Adolf von Schwarzenberg, beliebt, ja sein Verhältnis zu diesem war so mißlich, daß er sich kaum länger hätte halten können, wenn jener nicht kurz nach seinem großen Siege bei Papa vom Tode wäre hingerafft worden. Rußworm hoffte in die offene Stelle einzutreten, wozu der Kaiser auch geneigt gewesen wäre; aber er getraute sich nicht, einem so jungen Menschen gegen den allgemeinen Wunsch eine so verantwortungsvolle Würde zu übertragen, und so erhielt sie der Herzog Philipp Emanuel von Mercoeur, ein Mann, der mit dem Ruhme der Kriegserfahrung den edler Sitten vereinigte.

      Auf der Reise nach Ungarn jedoch wurde Mercoeur in Nürnberg von einem bösartigen Fieber ergriffen. Durch den Arzt auf die Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs hingewiesen, bat er den Rat der Stadt


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