Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
Larsonneau, der sich seiner Liebschaft mit einer köstlichen Spanierin rühmte, daß er Leute kenne, welche Darlehen bewilligen; doch rathe er Rozan eindringlich, sich niemals mit denselben einzulassen. Diese vertraulichen Mittheilungen eiferten den Herzog derart an, daß er nicht eher abließ, als bis ihm sein guter Freund das Versprechen gegeben, sich mit »seiner kleinen Angelegenheit« zu beschäftigen. Und er beschäftigte sich so eingehend mit derselben, daß er ihm das Geld an demselben Abend übergeben sollte, da Saccard ein Rendezvous bei Laura mit ihm verabredet hatte.
Als Larsonneau anlangte, waren in dem in Weiß und Gold gehaltenen großen Salon der Aurigny erst fünf oder sechs Frauen anwesend, die sich seiner Hände bemächtigten, ihm um den Hals fielen, – Alles mit einer närrischen Zärtlichkeit. Sie nannten ihn »den großen Lar«, – ein Kosename im Diminutiv, welchen Laura erfunden. Und er wehrte mit süßlicher Stimme ab:
»Langsam, langsam, meine Kätzchen! Ihr werdet meinen Hut zerdrücken!«
Sie beruhigten sich und setzten sich dicht neben ihn auf einem runden Sopha, während er ihnen erzählte, daß Sylvia, mit der er gestern soupirte, heute an einer Indigestion leide. Sodann zog er eine Bonbonsdüte aus der Tasche seines Rockes und bot ihnen vom Inhalte derselben an. Jetzt kam aber Laura aus ihrem Schlafzimmer und als einige Herren anlangten, zog sie Larsonneau in ein Boudoir, welches am Ende des Salons lag und von diesem durch eine doppelte Portière getrennt war.
»Hast Du das Geld?« fragte sie, als sie mit ihm allein war.
Sie duzte ihn bei besonderen Anlässen. Larsonneau verbeugte sich ohne zu antworten, mit feierlicher Miene und pochte auf die Brusttasche seines Rockes.
»Oh! der große Lar!« murmelte die junge Frau entzückt und damit umschlang sie ihn mit beiden Armen und küßte ihn. »Warte,« sprach sie dann; »ich will die Bilderchen gleich haben ... Rozan ist in meinem Zimmer, ich werde ihn holen.«
Er aber hielt sie noch zurück und sie auf die Schulter küssend, fragte er:
»Du weißt doch, welchen Lohn ich mir von Dir bedungen habe?«
»Ei gewiß, Du großer Thor und es bleibt dabei.«
Gleich darauf kehrte sie mit Rozan zurück. Larsonneau war geschmackvoller gekleidet als der Herzog; er trug feinere Handschuhe, elegantere Halsbinden. Sie reichten einander nachlässig die Hände und plauderten über das vorgestrige Wettrennen, bei welchem das Pferd eines ihrer Freunde geschlagen worden. Laura verging fast vor Ungeduld.
»Ach, laß' doch Das, mein Freund,« sagte sie zu Rozan. »Der große Lar hat das bewußte Geld bei sich und die Sache sollte endlich zum Abschluß kommen.«
Larsonneau schien sich zu erinnern.
»Ach ja,« sagte er; »ich habe die gewünschte Summe bei mir ... Sie hätten aber klüger daran gethan, meinen Rath zu befolgen, mein Bester, denn die Räuber haben nicht weniger als fünfzig Perzent gefordert ... Ich willigte schließlich ein, da Sie mir ja sagten, daß dies nichts zu bedeuten habe ...«
Laura d'Aurigny hatte sich im Laufe des Tages gestempeltes Papier verschafft; als es sich aber um Tinte und Feder handelte, blickte sie die beiden Männer mit bestürzter Miene an, da sie daran zweifelte, diese Gegenstände in ihrem Hause zu finden. Sie wollte in der Küche nachsehen, als Larsonneau aus derselben Tasche, in welcher sich die Bonbonsdüte befunden, zwei reizend gearbeitete Gegenstände hervorholte: eine silberne Feder, die mittelst eines Schiebers zu verlängern war und ein Tintenfaß aus Stahl und Ebenholz, welches eher einem Schmuckkästchen glich. Als sich Rozan zum Schreiben niedersetzte, sagte Larsonneau:
»Stellen Sie die Wechsel auf meinen Namen aus; Sie werden es begreiflich finden, daß ich Sie nicht ins Gerede bringen wollte. Wir werden uns unter einander verständigen. Sechs Stück zu fünfundzwanzigtausend Francs, nicht wahr?«
Auf einer Ecke des Tisches zählte Laura die »Bilderchen«; Rozan selbst sah dieselben gar nicht und als er unterschrieben hatte und den Kopf emporhob, waren sie bereits in den Taschen der jungen Frau verschwunden. Diese trat jetzt auf ihn zu und küßte ihn auf beide Wangen, was ihn im höchsten Grade zu entzücken schien. Larsonneau beobachtete sie mit philosophischer Ruhe, während er die kostbaren Wechsel zusammenfaltete und sammt Feder und Tintenfaß in seine Tasche barg.
Die junge Frau hing noch am Arme des Herzogs, als Aristide Saccard die Portière zurückschlug und beim Anblick des Liebespärchens lachend sagte:
»Ach, ich bitte sich keinen Zwang anzuthun.«
Der Herzog erröthete, Laura aber schüttelte die Hand des Spekulanten, wobei sie verständnißvoll mit den Augen zwinkerte. Ihr Gesicht strahlte vor Freude.
»Es ist geschehen, mein Lieber,« sprach sie dabei. »Ich hatte Sie ja gewarnt. Zürnen Sie mir nicht zu sehr?«
Saccard zuckte mit gutmüthiger Miene die Achseln. Er schlug die Portière zurück und zur Seite tretend, um Laura und dem Herzog den Weg freizugeben, rief er mit der schallenden Stimme eines Thürstehers:
»Herzog von Rozan sammt Gemahlin!«
Der Scherz hatte einen riesigen Erfolg. Am nächsten Tage verzeichneten die Morgenblätter denselben, wobei sie Laura d'Aurigny unverblümt beim Namen nannten und die beiden Männer mit sehr durchsichtigen Anfangsbuchstaben bezeichneten. Der Bruch zwischen Aristide Saccard und der dicken Laura erregte noch größeres Aufsehen, als ihre vermeintliche Liebschaft.
Nach seinem Scherz, welcher im Salon einen ungeheuren Heiterkeitserfolg erzielte, lies Saccard die Portiere hinter dem Pärchen fallen und sich zu Larsonneau wendend, sagte er:
»Gelt, ein gutes Mädchen? Eine wahre Künstlerin! ... Und Sie Duckmäuser, Sie genießen wohl den eigentlichen Vortheil? Was kriegen Sie für Ihre Vermittelung?«
Jener aber wehrte lächelnd ab und zog dabei an seinen Manschetten, bis dieselben unter dem Rockärmel hervorlugten. Darauf ließ er sich in der Nähe der Thür auf ein Sopha nieder, auf welchem bereits Saccard saß, der gutmüthigen Tones fortfuhr:
»Setzen Sie sich hierher ... es fällt mir nicht ein Sie zu verhören ... Wir wollen lieber über ernstere Dinge sprechen. Ich hatte heute Abend eine lange Verhandlung mit meiner Frau ... Alles ist in Ordnung.«
»Sie willigt ein, ihren Antheil abzutreten?« fragte Larsonneau.
»Ja; doch hat das schwere Mühe gekostet ... Die Frauen sind von einer unglaublichen Hartnäckigkeit! Sie wissen ja, die meinige hatte einer alten Tante das Versprechen gegeben, daß sie nichts verkaufen werde und so gab es da zahllose Skrupel zu zerstreuen ... Glücklicherweise hatte ich mir eine unwiderstehliche Geschichte zurechtgelegt.«
Er erhob sich bei diesen Worten, um eine Zigarre an dem Kandelaber anzuzünden, welchen Laura auf den Tisch gestellt hatte; und sich darauf behaglich auf dem Sopha zurücklehnend, fuhr er fort:
»Ich sagte meiner Frau, daß Sie zu Grunde gerichtet seien ... Sie haben an der Börse gespielt, Ihr Geld mit leichtfertigen Dämchen durchgeschlagen, sich in schlechte Spekulationen eingelassen und sind endlich auf dem Punkte angelangt, einen scheußlichen Bankerott zu machen ... Ich ließ sogar durchblicken, daß ich nicht an eine zweifellose Rechtlichkeit Ihrerseits glaube... Darauf setzte ich ihr auseinander, daß das Unternehmen in Charonne durch Ihren Untergang gleichfalls zu Grunde gehen müsse und daß es am besten wäre, den Vorschlag anzunehmen, welchen Sie mir gemacht, nämlich meine Frau dadurch zu entlasten, daß Sie ihren Antheil – allerdings für einen Pappenstiel – übernehmen.
»Das ist nicht sehr schlau erfunden,« meinte der Expropriationsagent. »Und Sie denken, daß Ihre Frau solchen Unsinn glauben wird?«
Saccard lächelte. Er befand sich heute in mittheilsamer Stimmung.
»Sie sind zumindest naiv zu nennen, mein Guter,« erwiderte er. »Die eigentliche Geschichte hat im Grunde genommen nichts zu bedeuten; die Details, der Vortrag, Gesten und Ausdrucksweise geben den Ausschlag. Holen Sie mir Rozan her und ich wette mit Ihnen, daß er sich überzeugen läßt, daß wir jetzt Mittag haben. Und bei meiner Frau ist nicht mehr Witz vorhanden,