Else Ury: Die beliebtesten Kinderbücher, Romane, Erzählungen & Märchen (110 Titel in einem Band). Else Ury

Else Ury: Die beliebtesten Kinderbücher, Romane, Erzählungen & Märchen (110 Titel in einem Band) - Else Ury


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weiß scho’ wie«, – und da lag Neumann, das Faultier, auch schon der Länge nach irgendwo im Heu und schloß mit melancholischem Gesicht seine Karpfenaugen.

      Mit Rechen und Heugabeln rückten die andern ihm zu Leibe, um ihn etwas nachdrücklich damit zu »kitzeln«. Aber Neumann rührte sich nicht. So machte man sich denn, lachend auf den Nichtstuer schimpfend, selbst ans Werk.

      Hei – das schaffte. Die Wangen glühten, die Arme erlahmten, der Rücken schmerzte von der ungewohnten Arbeit – was tat’s? Immer weiter! Frisch vorwärts!

      Doktors Nesthäkchen stand in einem Heuregen, so temperamentvoll lockerte es die niedergemähten Schwaden. Seit ihrem einstigen Ferienaufenthalt bei Onkel Heinrich auf Gut Arnsdorf hatte sie nicht so frischfröhliche Arbeit unter blauem Himmel getan.

      Marlene und Ilse, die niemals auf dem Lande gewesen, stellten sich ziemlich ungeschickt an, aber das erhöhte nur noch die gute Laune. Übermütige Neckereien begleiteten die Arbeit.

      »Neschthäkche«, rief da Neumann, durch die Augenlider blinzelnd, »gib Obacht!«

      »Redest du aus dem Schlaf, Faulpelz?« Annemarie ließ sich nicht stören.

      »Freili, mir hat g’träumt, da drübe geht halt dein Verehrer. Aber er hat dich heut kaltg’stellt, Neschthäkche. Er spaziert mit andern Mädle, gleich zwei halt zur Auswahl. Hahaha!« – Neumann lachte sichtlich erfreut.

      Die Heuhalme entfielen Annemaries Händen. Ihre Arme sanken schlaff herab. Wirklich, dort oben auf der kleinen Anhöhe zeichneten sich von dem durchsichtig klaren Äthergrund drei Figuren wie scharfgeschnittene Silhouetten ab. Ein Blick überzeugte Annemarie, daß es in der Tat Rudolf Hartenstein war, der dort, an einem Arm die Schwester, am andern die Cousine, den Talblick genoß. Sie wandten der hinüberstarrenden Annemarie den Rücken. Jetzt schritten sie weiter, ohne sie bemerkt zu haben.

      Annemarie wußte nicht, sollte sie sich darüber freuen oder ärgern. Jedenfalls war es um ihre Arbeitsfreudigkeit geschehen. Und da hatte sie gedacht, er könnte gleich heute kommen, sie zum Spazierengehen abzuholen. Ganz recht war ihr diese Lehre. Was bildete sie sich auch ein, es mit einem so liebreizenden Mädchen wie Anneliese Bergholz aufnehmen zu können.

      Die Mädel begannen allmählich über Muskelschmerzen zu stöhnen. Egerling hatte ein Einsehen. Nachdem er den Grasstrich, seiner Vornahme gemäß, niedergelegt hatte, setzten sie unter lebhaften Dankesworten des Bauern ihren unterbrochenen Spaziergang fort.

      »Zum Erntefescht müscht ihr komme und mithalte«, rief er noch hinter ihnen drein.

      Die lustige Stimmung der jungen Wanderer war noch gerade so fidel wie zuvor. Die Sonne strahlte ganz ebenso golden. Und doch schien es Annemarie, als ob alles ringsum verändert wäre. Woran lag das nur?

      Im Dreimäderlhaus waren die Kirchenmäuse noch nicht heimgekehrt. Der Schlüssel lag unangetastet an seinem Platz. Annemarie hatte die drei Schwaben, die Lust zu haben schienen, gemeinsam mit ihnen zu Abend zu speisen, ziemlich deutlich verabschiedet. Sie sei heute zu müde und bedürfe bald der Ruhe.

      »Da sieht man’s halt wieder, daß ihr Mädle nix aushalte könnt. Wozu studiert’s nachher, wenn’s nit mal eine Nacht durchbummele kannscht«, zog Egerling sie auf.

      »Neschthäkche hat halt Weltschmerz!« – Neumann machte die dazu passenden Augen.

      »Schöne Mädli, di kenn i wohl drei an der Zahl, die eine liab i, die zweite küss’ i, die dritte heirat’ i amal«, sang Krabbe mit bierheiserer Stimme. »Hascht Luscht, Neschthäkche, die dritte zu werde?«

      »Unverschämtheiten mit anzuhören, dazu habe ich keine Lust!« Nesthäkchen sprach’s und wandte den Freunden den Rücken.

      »Ja, was hat’s denn? Warum ischt’s denn gar so borschtig heut?« meinte Egerling verwundert. Die liebenswürdige Annemarie, die auf jeden Scherz sonst ein kecklustiges Wort fand, kannte man ja gar nicht wieder.

      »‘nen Katzenjammer hat sie«, lachte Marlene.

      »Wenn die Kinder müde sind, werden sie unartig«, stimmte auch Ilse ein, die recht gern den Abend in lustiger Gesellschaft verbracht hätte.

      Inzwischen hatte Annemarie die Haustür geöffnet. Etwas Weißes, das dazwischen geklemmt war, fiel zu Boden. Schnell bückte sie sich danach. Eine Besuchskarte – Dr. med. Rudolf Hartenstein – stand in gedruckten Lettern darauf. Darunter mit Bleistift Olga Hartenstein, Anneliese Bergholz.

      Also war er doch gekommen! Alle drei waren sie dagewesen, sie zum Spaziergang abzuholen. Was solch ein weißes Blatt doch vermochte. Annemarie sprang plötzlich trällernd die Treppe hinauf ans Fenster.

      »Wenn’sch brav sein wollt, Studentle, und eure Keckheite lasse, dürft’sch dableibe und eure Brote halt im Gärtle esse«, rief sie schwäbelnd mit lachendem Gesicht hinter den drei abziehenden Schwaben her.

      »Ischt’s wahr?« Sofort wurde kehrtgemacht.

      »Ja, Neschthäkche, bei dir kennt man sich nimmer aus.« Heilfroh waren die Kameraden, daß Annemarie wieder scherzte. Denn sie hatten das muntere Ding rechtschaffen gern.

      Das wurde wieder ein fideler Abend im Dreimäderlhausgarten. »Nachfeier zum Rosenfest« nannten sie’s. Annemarie wußte nichts mehr von Katzenjammer, von Müdigkeit oder gar Gereiztheit. Jetzt war sie es, welche die anderen aufzog.

      »Neschthäkche, werd’ bloß kein launisches Frauenzimmer nit«, meinte Egerling väterlich, als sich die drei zum Heimweg entschlossen. »Launische Weible hat unser Herrgott im Zorn erschaffe.«

      Eine fleißige Arbeitswoche folgte den frohen Festtagen. Zielbewußt gingen die drei Freundinnen, trotzdem sie in dem fröhlichen Schwabenland nur zu gern ihre Jugend genossen, von Anfang an auf ihr Ziel los. Marlenes Pflichttreue wirkte auch auf die etwas leichter geartete Annemarie vorbildlich.

      Doktors Nesthäkchen hatte in dieser Woche doppelte Pflichten. Auch hauswirtschaftliche. Die waren ungleich schwieriger als die gelehrtesten medizinischen Abhandlungen, die es zu verstehen galt. Wer die »Woche« hatte, mußte die Betten machen und das Waschgeschirr reinigen, denn Frau Kirchmäuser hielt sich keine Bedienung. Der Mietpreis war deshalb mäßiger als anderswo. Dann galt es, Kakao zu bereiten, Einkäufe zu machen und den Abendbrottisch zu versorgen. Das war gar nicht so einfach, wenigstens für Doktors Nesthäkchen nicht, die stets daheim von Hanne und dem Hausmädchen verwöhnt und bedient worden war.

      Hier galt’s nun selbst anzupacken. Als Annemarie zum erstenmal die Betten gerichtet hatte, zeigten dieselben eine unverkennbare Ähnlichkeit mit der Schwäbischen Alb. Wellenlinien, niedliche Hügel und Anhöhen, dazwischen Täler und Schluchten. Die Freundinnen lachten sie weidlich aus. Die praktische Ilse offenbarte ihr das Geheimnis, wie ein Bett glatt und eben zu richten sei.

      Auch der Einkauf hatte seine Schwierigkeiten. Nesthäkchen war nicht kleinlich. Es kaufte gleich engros, weil man es im ganzen immer ein paar Pfennige preiswerter erhielt. So überraschte es eines Tages die Freundinnen mit zehn Köpfen Blumenkohl, weil es den einen, den es ursprünglich hatte kaufen wollen, dadurch um zwanzig Pfennige billiger bekam. Marlene und Ilse waren entsetzt. Die ganze Woche durch zu sämtlichen Mahlzeiten mußte Blumenkohl gefuttert werden. Er wollte nicht zu Ende gehen. Frau Veronika nahm freundlichst zwei Köpfe ab, immer noch war Blumenkohl da. Der ganze Schwäbische Wanderbund, auch Ziegenhals und Steinbock, mußten sich opfern und einer Blumenkohleinladung folgen. Den gemeinsamen Bemühungen gelang es schließlich, den endlosen Blumenkohl zu vertilgen. Aber während ihres ganzen Studienjahres mochten die Bewohnerinnen des Dreimäderlhauses keinen Blumenkohl mehr sehen.

      Beim Kochen hatte Doktors Nesthäkchen noch die besten Erfolge zu verzeichnen. Dies lag aber weniger an Annemaries Tüchtigkeit, als an Frau Veronikas Hilfsbereitschaft. Die Frau Wirtin hatte nun mal ihren Narren an dem hübschen, lustigen Fräulein gefressen. Nachdem Annemarie gleich zu Beginn ihrer hausfraulichen Bestrebungen ein wenig aufgeregt zu ihr gekommen war: »Liebe, gute Frau Kirchmäuser, sehen Sie doch bloß mal nach, ob die Eier schon weich sind. Sie kochen bald eine halbe Stunde!« Ja, da hatte Frau Veronika es doch für richtig gehalten, nach derartigen Proben von wirtschaftlicher


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