Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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du Halunke wohl das Maul halten.«

      Eine schrille, keifende Weiberstimme antwortete:

      »Die dreckige Hure, die immer zum Journalisten hinaufläuft, hat meinen Nicolas umgestoßen. So ein Gesindel läuft hier frei herum und gibt nicht mal auf die Kinder auf der Treppe acht.«

      Duroy war entsetzt und zog sich zurück, denn schon hörte er das Rauschen von Röcken und hastige Schritte die letzte Treppe hinaufeilen.

      Es klopfte gleich darauf an seiner Tür, die er wieder geschlossen hatte, und er öffnete. Madame de Marelle stürzte atemlos, verstört ins Zimmer und stammelte: »Hast du gehört?«

      Er tat, als ob er von nichts wüßte:

      »Nein, was denn?«

      »Wie sie mich beleidigt haben?«

      »Wer?«

      »Die abscheulichen Menschen, die da unten wohnen.«

      »Aber nein, was gibt es denn? Sage es mir doch!«

      Sie fing an zu schluchzen und konnte kein Wort hervorbringen. Er mußte ihr den Hut abnehmen, ihr Korsett öffnen, sie aufs Bett legen und ihre Schläfen mit einem feuchten Tuch kühlen; sie erstickte fast. Dann, als ihre Erregung sich etwas gelegt hatte, brach ihre ganze Wut und Entrüstung los. Er sollte sofort hinuntergehen, sich mit den Leuten schlagen, sie umbringen.

      »Das sind doch Arbeiter, rohe Menschen«, wiederholte er immer wieder. »Bedenke doch, man müßte sie der Polizei anzeigen, du könntest erkannt und festgenommen werden, du wärest verloren. Man gibt sich mit solchen Leuten nicht ab.«

      Sie kam nun auf einen anderen Gedanken.

      »Was sollen wir tun, ich kann nicht wieder herkommen!«

      »Ganz einfach,« erwiderte er, »ich ziehe aus.«

      Sie murmelte:

      »Ja, aber das dauert zu lange.«

      Dann fiel ihr plötzlich etwas anderes ein und sie sagte schnell und wieder ganz heiter:

      »Nein, höre mal, ich weiß etwas. Überlaß es mir, kümmere dich um nichts. Ich schicke dir morgen ein blaues Briefchen.« — (Blaues Briefchen nannte sie die geschlossenen Telegramme, wie sie innerhalb Paris befördert wurden.) — Jetzt lächelte sie, entzückt über ihren Einfall, den sie nicht offenbaren wollte und trieb tausend verliebte Tollheiten.

      Trotzdem war sie sehr aufgeregt, als sie die Treppe wieder hinunterging; sie stützte sich mit aller Kraft auf den Arm ihres Geliebten; ihre Beine trugen sie kaum.

      Die Treppe war leer, sie trafen niemanden.

      Da er spät aufstand, lag er noch im Bett, als ihm am nächsten Morgen um elf Uhr der Postbote das versprochene »blaue Briefchen« brachte.

      Duroy öffnete es und las:

      »Rendezvous noch heute um fünf Uhr in der Rue de Constantinople 127. Laß Dich in die von Frau Duroy gemietete Wohnung führen. Einen Kuß von Clo.«

      Punkt fünf Uhr trat er in die Pförtnerloge eines großen Chambre-garnie-Hauses ein und fragte:

      »Hat hier Madame Duroy eine Wohnung gemietet?«

      »Ja, mein Herr.«

      »Wollen Sie mich bitte dorthin führen?«

      Der Mann war offenbar an heikle Umstände gewöhnt, wo man sich klug und vorsichtig verhalten mußte. Er sah ihn prüfend an, dann suchte er in der langen Reihe von Schlüsseln und fragte:

      »Sie sind doch Herr Duroy?«

      »Jawohl, das bin ich.«

      Und er öffnete eine kleine Zweizimmerwohnung im Erdgeschoß, gegenüber der Pförtnerloge.

      Der Salon war mit hellen und ziemlich neuen Tapeten beklebt und enthielt ein Mahagonisofa, das mit grünem Plüsch, mit gelben Arabesken überzogen war. Auf dem Boden lag ein kleiner Teppich, der so dünn war, daß man das Holz darunter fühlte. Das Schlafzimmer war so winzig, daß das Bett es zu dreiviertel ausfüllte. Es war ein breites Bett, wie man es in möblierten Zimmern findet, und reichte von einer Wand bis zur andern. Schwere blaue Vorhänge, ebenfalls aus Plüsch, hingen daran herunter. Darüber lag eine rotseidene Daunendecke mit verdächtigen Flecken.

      Duroy war unruhig und unzufrieden; er dachte: »Das wird mich ein Heidengeld kosten, dieses Quartier. Ich werde wieder irgendwo pumpen müssen. Es ist zu dumm, was sie da alles angestellt hat.«

      Die Tür ging auf und Clotilde stürzte eilig herein, mit offenen Armen und rauschenden Röcken. Sie war entzückt.

      »Ist es nicht nett? Sage doch, ist es nicht nett? Und man braucht keine Treppen zu steigen, es liegt im Erdgeschoß, gleich an der Straße. Wir können durchs Fenster herein-und hinaussteigen, ohne daß der Pförtner was merkt. Wie werden wir uns hier lieben?«

      Er umarmte sie kühl und wagte nicht die Frage zu stellen, die ihm auf der Zunge schwebte. Sie legte ein dickes Paket auf das Tischchen mitten im Zimmer. Sie öffnete es und nahm daraus ein Paket Seife, eine Flasche Eau de Lubin, einen Schwamm, eine Schachtel mit Haarnadeln, einen Schuhknöpfer und eine kleine Brennschere, um die Haarlöckchen auf ihrer Stirn, die sich leicht zerzausten, wieder in Ordnung zu bringen. Sie begann sich einzurichten, für jedes suchte sie ein Plätzchen und amüsierte sich dabei köstlich. Während sie die Schubladen öffnete, erzählte sie:

      »Ich muß noch etwas Wäsche mitbringen, um sie, wenn nötig, wechseln zu können. Das wird sehr bequem sein. Wenn ich unterwegs zufällig in einen Regen gerate, kann ich mich hier umziehen und trocknen. Ein jeder von uns wird seinen eigenen Schlüssel haben und ein dritter hängt noch beim Pförtner, für den Fall, daß einer von uns seinen Schlüssel vergißt. Ich habe die Wohnung auf drei Monate gemietet, natürlich auf deinen Namen, da ich ja meinen nicht nennen durfte.«

      Jetzt fragte er:

      »Dann sage mir bitte, wann ich die Miete bezahlen soll?«

      »Aber sie ist schon bezahlt, mein Liebling«, erwiderte sie einfach.

      »Dann schulde ich sie also dir?« fragte er.

      »Aber nicht doch, Schatz, das geht dich doch gar nichts an. Ich will mir diesen tollen Spaß leisten.«

      Er tat, als ob er böse wäre.

      »Aber bitte, nein! Das erlaube ich nicht!«

      Sie kam bittend zu ihm und legte ihm die Hände auf die Schultern:

      »Georges, ich bitte dich darum, es macht mir soviel Freude, daß unser Nest mir, nur mir allein gehört! Das kann dich doch nicht verletzen? Warum denn? Es soll mein Geschenk für unsere Liebe sein. Sag’, daß es dir recht ist, mein kleiner Géo, sag’ ja?!«

      Sie bat ihn mit ihren Augen, mit ihren Lippen, mit ihrem ganzen Wesen.

      Er ließ sie bitten und weigerte sich mit entrüsteter Miene. Dann gab er nach, weil er die Sache im Grunde gerechtfertigt fand.

      Als sie gegangen war, rieb er sich die Hände und murmelte, ohne im Innern seines Herzens nachzuforschen, woher ihm gerade heute dieses Urteil kam: »Sie ist doch wirklich ein liebes Geschöpf!«

      Ein paar Tage später erhielt er wieder ein. blaues Briefchen folgenden Inhalts:

      »Mein Mann kommt heute nach sechswöchentlicher Inspektionsreise wieder zurück. Wir haben acht Tage Pause! Welches Pech, Liebling!

       Deine Clo.«

      Duroy war starr. Er hatte gar nicht daran gedacht, daß sie verheiratet war. Er hätte gern mal den Mann gesehen, nur einmal, um ihn kennen zu lernen. Trotzdem wartete er geduldig auf die Abreise des Gatten. Er ging inzwischen zweimal nach den Folies Bergère und endete beide Male bei Rahel.

      Dann erhielt er eines Morgens wieder ein Telegramm aus vier Worten:

      »Heute fünf Uhr, Clo.«

      Sie kamen alle beide vor der festgesetzten Zeit. In heißem


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