Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer


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erscheint, unmittelbar, sofern es in den andern Gegenständen der Anschauung sich objektivirt, ihm nur mittelbar bekannt ist. Allein der Gang unserer Untersuchung macht diese Abstraktion, diese einseitige Betrachtungsart, dies gewaltsame Trennen des wesentlich zusammen Bestehenden nothwendig: daher muß jenes Widerstreben einstweilen unterdrückt und beruhigt werden durch die Erwartung, daß die folgenden Betrachtungen die Einseitigkeit der gegenwärtigen ergänzen werden, zur vollständigen Erkenntniß des Wesens der Welt.

      Der Leib ist uns also hier unmittelbares Objekt, d.h. diejenige Vorstellung, welche den Ausgangspunkt der Erkenntniß des Subjekts macht, indem sie selbst, mit ihren unmittelbar erkannten Veränderungen, der Anwendung des Gesetzes der Kausalität vorhergeht und so zu dieser die ersten Data liefert. Alles Wesen der Materie besteht, wie gezeigt, in ihrem Wirken. Wirkung und Ursache giebt es aber nur für den Verstand, als welcher nichts weiter, als das subjektive Korrelat derselben ist. Aber der Verstand könnte nie zur Anwendung gelangen, wenn es nicht noch etwas Anderes gäbe, von welchem er ausgeht. Ein solches ist die bloß sinnliche Empfindung, das unmittelbare Bewußtsein der Veränderungen des Leibes, vermöge dessen dieser unmittelbares Objekt ist. Die Möglichkeit der Erkennbarkeit der anschaulichen Welt finden wir demnach in zwei Bedingungen: die erste ist, wenn wir sie objektiv ausdrücken, die Fähigkeit der Körper auf einander zu wirken, Veränderungen in einander hervorzubringen, ohne welche allgemeine Eigenschaft aller Körper auch mittelst der Sensibilität der thierischen doch keine Anschauung möglich würde; wollen wir aber diese nämliche erste Bedingung subjektiv ausdrücken, so sagen wir: der Verstand vor Allem macht die Anschauung möglich: denn nur aus ihm entspringt und für ihn auch nur gilt das Gesetz der Kausalität, die Möglichkeit von Wirkung und Ursache, und nur für Ihn und durch ihn ist daher die anschauliche Welt da. Die zweite Bedingung aber ist die Sensibilität thierischer Leiber, oder die Eigenschaft gewisser Körper, unmittelbar Objekte des Subjekts zu seyn. Die bloßen Veränderungen, welche die Sinnesorgane durch die ihnen specifisch angemessene Einwirkung von außen erleiden, sind nun zwar schon Vorstellungen zu nennen, sofern solche Einwirkungen weder Schmerz noch Wollust erregen, d.h. keine unmittelbare Bedeutung für den Willen haben, und dennoch wahrgenommen werden, also nur für die Erkenntniß dasind: und insofern also sage ich, daß der Leib unmittelbar erkannt wird, unmittelbares Objekt ist; jedoch ist hier der Begriff Objekt nicht ein Mal im eigentlichsten Sinn zu nehmen: denn durch diese unmittelbare Erkenntniß des Leibes, welche der Anwendung des Verstandes vorhergeht und bloße sinnliche Empfindung ist, steht der Leib selbst nicht eigentlich als Objekt da, sondern erst die auf ihn einwirkenden Körper; weil jede Erkenntniß eines eigentlichen Objekts, d.h. einer im Raum anschaulichen Vorstellung, nur durch und für den Verstand ist, also nicht vor, sondern erst nach dessen Anwendung. Daher wird der Leib als eigentliches Objekt, d.h. als anschauliche Vorstellung im Raum, eben wie alle andern Objekte, erst mittelbar, durch Anwendung des Gesetzes der Kausalität auf die Einwirkung eines seiner Theile auf den andern erkannt, also indem das Auge den Leib sieht, die Hand ihn betastet. Folglich wird durch das bloße Gemeingefühl die Gestalt des eigenen Leibes uns nicht bekannt; sondern nur durch die Erkenntniß, nur in der Vorstellung, d.h. nur im Gehirn, stellt auch der eigene Leib allererst sich dar als ein Ausgedehntes, Gegliedertes, Organisches: ein Blindgeborner erhält diese Vorstellung erst allmälig, durch die Data, welche das Getast ihm giebt; ein Blinder ohne Hände würde seine Gestalt nie kennen lernen, oder höchstens aus der Einwirkung anderer Körper auf ihn allmälig dieselbe erschließen und konstruiren. Mit dieser Restriktion also ist es zu verstehn, wenn wir den Leib unmittelbares Objekt nennen.

      Uebrigens sind, dem Gesagten zufolge, alle thierischen Leiber unmittelbare Objekte, d.h. Ausgangspunkte der Anschauung der Welt, für das Alles erkennende und eben deshalb nie erkannte Subjekt. Das Erkennen, mit dem durch dasselbe bedingten Bewegen auf Motive, ist daher der eigentliche Charakter der Thierheit, wie die Bewegung auf Reize der Charakter der Pflanze: das Unorganisirte aber hat keine andere Bewegung, als die durch eigentliche Ursachen im engsten Verstande bewirkte; welches Alles ich ausführlicher erörtert habe in der Abhandlung über den Satz vom Grunde, 2. Aufl., § 20, in der Ethik, erste Abhandl., III, und »Ueber das Sehn und die Farben«, § 1; wohin ich also verweise.

      Aus dem Gesagten ergiebt sich, daß alle Thiere Verstand haben, selbst die unvollkommensten: denn sie alle erkennen Objekte, und diese Erkenntniß bestimmt als Motiv ihre Bewegungen. – Der Verstand ist in allen Thieren und allen Menschen der nämliche, hat überall die selbe einfache Form: Erkenntniß der Kausalität, Uebergang von Wirkung auf Ursache und von Ursache auf Wirkung, und nichts außerdem. Aber die Grade seiner Schärfe und die Ausdehnung seiner Erkenntnißsphäre sind höchst verschieden, mannigfaltig und vielfach abgestuft, vom niedrigsten Grad, welcher nur das Kausalitätsverhältniß zwischen dem unmittelbaren Objekt und den mittelbaren erkennt, also eben hinreicht, durch den Uebergang von der Einwirkung, welche der Leib erleidet, auf deren Ursache, diese als Objekt im Raum anzuschauen, bis zu den höheren Graden der Erkenntniß des kausalen Zusammenhanges der bloß unmittelbaren Objekte unter einander, welche bis zum Verstehn der zusammengesetztesten Verkettungen von Ursachen und Wirkungen in der Natur geht. Denn auch dieses Letztere gehört immer noch dem Verstande an, nicht der Vernunft, deren abstrakte Begriffe nur dienen können, jenes unmittelbar Verstandene aufzunehmen, zu fixiren und zu verknüpfen, nie das Verstehn selbst hervorzubringen. Jede Naturkraft und Naturgesetz, jeder Fall, in welchem sie sich äußern, muß zuerst vom Verstande unmittelbar erkannt, intuitiv aufgefaßt werden, ehe er in abstracto für die Vernunft ins reflektirte Bewußtseyn treten kann. Intuitive, unmittelbare Auffassung durch den Verstand war R. Hooke's Entdeckung des Gravitationsgesetzes und die Zurückführung so vieler und großer Erscheinungen auf dies eine Gesetz, wie sodann Neuton's Berechnungen solche bewährten; eben das war auch Lavoisier's Entdeckung des Sauerstoffs und seiner wichtigen Rolle in der Natur; eben das Goethes Entdeckung der Entstehungsart physischer Farben. Diese Entdeckungen alle sind nichts Anderes, als ein richtiges unmittelbares Zurückgehn von der Wirkung auf die Ursache, welchem alsbald die Erkenntniß der Identität der in allen Ursachen der selben Art sich äußernden Naturkraft folgt: und diese gesammte Einsicht ist eine bloß dem Grade nach verschiedene Aeußerung der nämlichen und einzigenFunktion des Verstandes, durch welche auch ein Thier die Ursache, welche auf seinen Leib wirkt, als Objekt im Raum anschaut. Daher sind auch jene großen Entdeckungen alle, eben wie die Anschauung und jede Verstandesäußerung, eine unmittelbare Einsicht und als solche das Werk des Augenblicks, ein apperçu, ein Einfall, nicht das Produkt langer Schlußketten in abstracto; welche letztere hingegen dienen, die unmittelbare Verstandeserkenntniß für die Vernunft, durch Niederlegung in ihre abstrakten Begriffe, zu fixiren, d.h. sie deutlich zu machen, d.h. sich in den Stand zu setzen, sie Andern zu deuten, zu bedeuten. – Jene Schärfe des Verstandes im Auffassen der kausalen Beziehungen der mittelbar erkannten Objekte findet ihre Anwendung nicht allein in der Naturwissenschaft (deren sämmtliche Entdeckungen ihr zu verdanken sind); sondern auch im praktischen Leben, wo sie Klugheit heißt; da sie hingegen in der ersteren Anwendung besser Scharfsinn, Penetration und Sagacität genannt wird: genau genommen bezeichnet Klugheit ausschließlich den im Dienste des Willens stehenden Verstand. Jedoch sind die Gränzen dieser Begriffe nie scharf zu ziehn, da es immer eine und die selbe Funktion des nämlichen, schon bei der Anschauung der Objekte im Raum in jedem Thiere thätigen Verstandes ist, die, in ihrer größten Schärfe, bald in den Erscheinungen der Natur von der gegebenen Wirkung die unbekannte Ursache richtig erforscht und so der Vernunft den Stoff giebt zum Denken allgemeiner Regeln als Naturgesetze; bald, durch Anwendung bekannter Ursachen zu bezweckten Wirkungen, komplicirte sinnreiche Maschinen erfindet; bald, auf Motivation angewendet, entweder feine Intriguen und Machinationen durchschaut und vereitelt, oder aber auch selbst die Motive und die Menschen, welche für jedes derselben empfänglich sind, gehörig stellt, und sie eben nach Belieben, wie Maschinen durch Hebel und Räder, in Bewegung setzt und zu ihren Zwecken leitet. – Mangel an Verstand heißt im eigentlichen Sinne Dummheit und ist eben Stumpfheit in der Anwendung des Gesetzes der Kausalität, Unfähigkeit zur unmittelbaren Auffassung der Verkettungen von Ursache und Wirkung, Motiv und Handlung. Ein Dummer sieht nicht den Zusammenhang der Naturerscheinungen ein, weder wo sie sich selbst überlassen hervortreten, noch wo sie absichtlich gelenkt, d.h. zu Maschinen dienstbar gemacht sind: dieserhalb glaubt er gern an Zauberei und Wunder. Ein Dummer merkt nicht, daß verschiedene Personen, scheinbar unabhängig von einander, in der That aber in verabredetem Zusammenhange handeln:


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