30 Minuten Agiles Mindset. Jörg Hawlitzeck
Hebelwirkung auf alle anderen Eigenschaften. Sie multipliziert die Summe aus Wissen und Beharrlichkeit:
Mentale Einstellung × (Wissen + Beharrlichkeit) = Erfolg
Ein anderer Begriff für mentale Einstellung ist „Mindset “. Damit ist unsere Geisteshaltung gemeint: Wie begegnen wir Veränderungen, ungewohnten Situationen, kniffligen Aufgaben und unbequemen Menschen? Wir können nicht alles kontrollieren, was passiert. Doch unsere Einstellung können wir beeinflussen. Nicht das, was passiert, ist entscheidend für unseren Erfolg, sondern das, was wir aus dem, was passiert, machen!
Niemand sagt, dass es einfach sei, diese Haltung zu verwirklichen und in jeder Situation zum Ausdruck zu bringen. Im Gegenteil, manchmal widerfährt uns Schreckliches: Unser Unternehmen meldet Konkurs an, wir verlieren unseren Arbeitsplatz oder wir erleben, dass unser Geschäftsmodell heute nicht mehr trägt oder unsere Ausbildung nichts mehr wert ist. Dann fällt es schwer, den Dingen etwas Positives abzugewinnen. Doch genau darum geht es!
Psychologen bezeichnen die menschliche Fähigkeit, auch aus einem „Haufen Mist“ noch etwas machen zu können, als Resilienz. Forschungen zeigen, dass das persönliche Glückslevel nach extremen Schicksalsschlägen wie einer Querschnittslähmung oder nach positiv bewerteten Ereignissen wie einem Lottogewinn nur ein Jahr später wieder das Niveau erreicht, das es vor dem Ereignis hatte. Wie erfolgreich wir im Umgang mit Veränderungen sind, hängt also sehr viel mehr von uns selbst als von den Umständen ab.
Wandel erfordert Weiterentwicklung
Die Welt befindet sich in einem immer schnelleren Wandel, der durch die aktuelle Krise beschleunigt wurde. Diesen Prozess wird niemand von uns aufhalten können. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz der Natur: Wer sich nicht weiterentwickelt, stirbt.
Was können wir tun? Wir können es den Computerchips gleichtun und uns exponentiell entwickeln. Wir können uns auf diejenigen Qualitäten und Eigenschaften fokussieren, die aller Voraussicht nach auch morgen noch gefragt sein werden: abstraktes Denken, Empathie und Chancenintelligenz. Wir können unsere Frustrationstoleranz trainieren. Und vor allem: Wir können uns in einer lebensbejahenden, positiven und agilen Einstellung üben. Denn wenn es etwas gibt, das uns in drängenden Veränderungssituationen daran hindert, Lösungen zu finden, dann ist es unsere Angst. Ein festgefahrenes, negatives Mindset führt nur dazu, sich selbst unbeliebt, irgendwann ersetzbar und schließlich überflüssig zu machen.
Wir sind als Menschen gefragt
Für jeden Einzelnen von uns gilt: Wer auch immer wir geworden sind, was auch immer wir gelernt haben, welche Erfolge wir in der Vergangenheit verbucht haben, ist sekundär. Das, was uns dorthin gebracht hat, wo wir derzeit stehen, wird uns nicht zwingend weiterbringen. Künftig zählt vor allem, mit welcher Geistesgegenwart, mit welchem Humor, welchem Scharfsinn, welcher Spontaneität und welcher Demut wir Veränderungen begegnen. Das ist eine Frage unserer Einstellung.
Es scheint geradezu paradox: Je mehr die Technologie unseren Alltag durchdringt, je schneller das Tempo des Wandels, desto mehr sind wir in unseren genuin menschlichen Qualitäten gefragt. Das, was uns von den Maschinen unterscheidet – unsere außerordentlichen Fähigkeiten zur Kooperation, unser Verständnis füreinander, unsere Empathie und unser Mitgefühl –, garantiert unsere Zukunftsfähigkeit.
Unsere mentale Einstellung multipliziert die Summe unseres Wissens und unserer Beharrlichkeit. Ein positives, zukunftsbejahendes und agiles Mindset hebelt alle anderen persönlichen Qualitäten. Unsere Geisteshaltung ist deshalb der Garant für unsere Zukunftsfähigkeit. |
|
1.3Herausforderungen für Leader und Organisationen
In einer Zeit, in der Unsicherheit zur einzigen Konstante geworden ist, gibt es nur eine Investition, die wirklich nachhaltig ist: die in uns selbst.
Freiheit und Verantwortung
Die schöne neue Welt bringt nicht nur mehr Freiheiten, sondern auch ein höheres Maß an Verantwortung mit sich. Je mehr Wahlmöglichkeiten, desto schwieriger wird es, eine gute Entscheidung zu treffen. Wollen wir offen und flexibel denken und handeln und zugleich schnell valide Entscheidungen treffen, brauchen wir einen starken Kern, ein solides Wertefundament, an dem wir uns intuitiv ausrichten können.
In der digitalen Welt erleben wir uns als allmächtig, doch dieser digitalen Allmacht steht eine analoge Ohnmacht gegenüber: Im echten Leben erreichen wir nicht alle unsere Ziele, soziale Beziehungen sind bisweilen sperrig, unsere Kinder tanzen uns auf der Nase herum und unsere Mitarbeiter „funktionieren“ auch nicht nach Plan. Um mit solchen Situationen adäquat umzugehen, benötigen wir eine konstruktive Einstellung im Umgang mit uns selbst und anderen.
Veränderungen sind ein Weckruf, aktiv Verantwortung zu übernehmen. Wir sind nicht Spielball der Algorithmen. Wir können eigenverantwortlich und selbstbestimmt über unser Leben entscheiden. Und das heißt, radikal Verantwortung zu übernehmen für uns selbst.
Ein neues Paradigma für Führung
Das hohe Veränderungstempo, die Parallelität der Online- und der Offline-Welten, die Digital Natives, Volatilität, zunehmende Komplexität, Unsicherheit und Ambiguität stellen auch Verantwortungsträger in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft vor gewaltige Herausforderungen. Leader und Manager müssen heutzutage in der Lage sein, mit Situationen umzugehen, für die sie selbst keine Lösung haben. Sie müssen Prozesse steuern können, deren Ziel sie gar nicht genau kennen. Flexibilität auf dem Weg und im Umgang mit unvorhersehbaren Veränderungen wird zur Kernkompetenz. Dabei wird von den Verantwortlichen erwartet, dass sie in Zeiten der Veränderung Orientierung geben und Sicherheit vermitteln. Dass sie alle Beteiligten abholen und mitnehmen, dass sie diverse Teams führen können, ohne selbst dabei das Alphatier zu geben.
Eine Ausgangslage voller Widersprüche! Um mit ihr umzugehen, ist agiles Denken und Handeln gefragt. Doch was verbirgt sich nun hinter diesem Buzzword?
Agilität als Führungsparadigma
Geistige Agilität ist das Gegenteil von Schwarz-Weiß-Denken. Es ist die Fähigkeit, schnell aus These und Antithese eine Synthese zu bilden und so scheinbare Widersprüche zu überwinden und dabei als ehrliche und integre Person wahrgenommen zu werden, die sich an einem klaren inneren Wertegerüst orientiert, anstatt das Fähnchen nach dem Wind zu hängen.
Die Organisation der Zukunft
Organisationen, Unternehmen und Gemeinschaften stehen vor der Herausforderung, sich neu zu justieren. Das autoritäre Paradigma mit seiner hierarchischen Ordnung hat ausgedient. Menschen, die digital vernetzt leben, wollen sich im analogen Leben nicht mehr vorschreiben lassen, wie sie ihre Aufgaben zu erledigen haben. In jüngster Zeit ist eine Fülle neuer Organisationsformen entstanden, deren Bandbreite von agilen Teams über sich selbstführende Organisationen bis hin zu befreiten Unternehmen reicht. Eines ist ihnen allen gemein: ein hoher Grad an Eigenverantwortung bei allen Beteiligten und die Bereitschaft loszulassen bei den Verantwortungsträgern, die sich am Ende der Entwicklung erfolgreich überflüssig gemacht haben.
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Und so gehört gerade bei einer Organisationsentwicklung ein agiles Mindset aller Beteiligten zur Grundausstattung, um eine Organisation der Zukunft zu schaffen, die anpassungsfähig, vorausschauend und erfolgreich agiert.
|